Aus der Arena

Blitzerkrieg

Warum es für den Kanton Aargau alles andere als harmlos ist, wenn die Stadt Baden einen Radar installiert.

Von Olivia Kühni, 14.02.2020

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Es gibt einfach Themen, die sind heikel. Blitzer zum Beispiel, Radar­kästen, Blech­polizisten. Die mögen für viele Menschen eine Lappalie sein. Lästig, aber notwendig.

Ich als Aargauerin weiss – und ich rede nicht von Baden oder Aarau, sondern vom tiefen Aargau, fast schon Entlebuch –: Hier geht es um mehr. Um Freiheit! Um Selbst­bestimmung! Und vor allem um Widerstand gegen die Obrigkeit, die es nicht lassen kann, ihre Bürgerinnen zu piesacken. Einfach nur um mal wieder zu zeigen, dass sie es kann. Und daneben, selbst­verständlich, um auch noch kräftig abzukassieren.

Glauben Sie nicht?

Ich bin nicht allein damit: Im Aargau tobt der Blitzerkrieg.

Jahrzehntelang liess es der gesamte Kanton aus Rücksicht auf die Befindlichkeit der lokalen Bevölkerung sein, auf den kantonalen Strassen auch nur einen einzigen Radar­kasten fest zu installieren. Nicht einen, auf den ganzen 1151 Kilometern Strasse, die den Kanton durchziehen.

Doch dann passierte etwas, das zwei Dinge bewies.

  1. Die Behörden werden immer frecher.

  2. Baden, ein lang gehegter Verdacht, gehört gar nicht wirklich zum Aargau, sondern zu Zürich.

Die Stadtbehörden von Baden vermeldeten nämlich letzten Frühling, dass sie an einer viel befahrenen Kreuzung einen Rotlicht­blitzer fest zu installieren gedachten. Diesem Beschluss war bereits ein längerer diplomatischer Kampf zwischen Ostaargau (Baden) und Westaargau (Aarau) voraus­gegangen: Die Stadt Baden hatte beim Baudepartement in Aarau ein Gesuch für die Anlage eingereicht, das dieses ablehnte. Daraufhin beschwerte sich Baden beim Regierungsrat (bei der Aargauer Kantons­regierung), der allerdings ebenfalls hart blieb. Erst das Verwaltungs­gericht entschied schliesslich im März: grünes Licht für den Rotlicht­blitzer. Für Sicherheit auf den Strassen zu sorgen, falle unter die Gemeinde­autonomie.

«Die Gemeindekassen sanieren»

Die Wogen gingen sofort hoch, wie man so schön sagt, und kurz darauf reichten die Grossräte Keller, Jäggi und Bütler im Kantons­parlament eine Motion ein. Sie wollten ein Gesetz, das fest installierte Blitzer auf Kantons­strassen verbietet. Die Aargauer Regierung und das Parlament hätten sich in der Vergangenheit immer wieder gegen fest installierte Radar­anlagen ausgesprochen; eine Gemeinde könne diesen Entscheid nun «nicht einfach unterlaufen». (Beziehungsweise: nach momentaner Rechtslage halt eben doch, wie das Verwaltungs­gericht ja gerade festgestellt hatte, aber das gehörte nach Ansicht der drei Herren geändert.)

Im Grunde geht es den Motionären aber um etwas anderes. Nämlich um eine mögliche «fiskale Motivation», wie es in der Antwort des Regierungsrats auf die Motion heisst. Die sei insbesondere bei einem Rotlicht­blitzer «nicht auszuschliessen». Weil sich an Ampeln viele Fahrer jeweils in sehr knapper Zeit für Fahren oder Halten entscheiden müssten, gebe es dort immer «ein statistisches Minimum» an Übertretungen, ohne dass dies in jedem Fall die Verkehrs­sicherheit gefährde. Das liesse sich schlicht nicht vermeiden. Aus diesem Grund aber könnten bei Rotlicht­blitzern die Einnahmen «relativ genau budgetiert werden».

Baden, mit anderen Worten, geht es gar nicht um die Sicherheit. Sondern ums Geld. Und dafür sind andere Gesetze da, nicht die Strassen­verkehrs­verordnung. Oder, wie Motionär Jäggi bei der Diskussion im Grossen Rat sagte: «Es kann nicht angehen, dass man auf Kosten der Autofahrer die Gemeinde­kassen sanieren will.»

Ich muss zugeben, dass Herr Jäggi da meine Sympathien hat. Wenn man Steuern will, soll man Steuern erheben, nicht Blitzer aufstellen, das gehört sich so in der Logik des Rechtsstaats.

Jedenfalls: Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Eine Mehrheit des Grossen Rates einigte sich schliesslich im November darauf – unter Vermittlung von Regierungs­rat Attiger –, dass die Regierung die Sache prüfen und selber mit einem Gesetzes­vorschlag zurück ins Parlament kommen würde. (Die Motion wurde also in ein Postulat umgewandelt.) Die Idee: eine einheitliche Grundlage für den ganzen Kanton, die festhält, dass Blitzer nur ausnahms­weise an Orten eingesetzt würden, «wo es explizit der Verkehrs­sicherheit dient».

Daran arbeitet man nun, wie man der Republik aus Aarau bestätigt. Es gebe «verschiedene Möglichkeiten für Zuständigkeiten der Departemente», zudem sei «die Abstimmung mit den Gemeinden erforderlich». Die Stadt Baden wiederum antwortet auf die Nachfrage, ob sie «einen Zustupf nötig» habe, Verkehrs­kontrollen hätten «grundsätzlich nie einen fiskalischen Hinter­grund». Sie dienten der Erhöhung der Verkehrs­sicherheit und der Verkehrs­disziplin. Die Anlage sei bestellt, bestätigte Baden weiter, und werde voraus­sichtlich bis im März in Betrieb genommen.

Nun, ich bleibe misstrauisch.

Denn ich weiss: Steht irgendwo ein Blitzer, weiss das nach ein paar Tagen jeder. Was geschieht? Man bremst kurz ab und gibt dafür woanders Gas. Also, eben: reine Macht­demonstration. Gängelei. Das mag man in Baden okay finden, weiter westlich im Kanton ganz und gar nicht.

Andererseits: Wer weiss dann eben doch nichts von dem Badener Blitzer und fährt die entscheidenden 0,3 Sekunden zu spät über die Kreuzung? Zürcher SUV und deutsche Lastwagen. Von daher ist es dann doch wieder nicht so schlimm. Die sind das ja gewohnt.

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