An die Verlagsetage

Was Sie zur Lage der Republik wissen müssen

Wie geht es unserem gemeinsamen Unternehmen? Wie sind wir an diesen Punkt gelangt? Und was werden wir nun tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Ihrem Expeditionsteam, 09.12.2019

Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – finanziert von seinen Leserinnen. Es ist komplett werbefrei und unabhängig. Lösen Sie jetzt ein Abo oder eine Mitgliedschaft!

Eine gute Nachricht vorneweg: Die Republik wird in ihrer Geschichte mindestens 807 Tage publiziert haben.

Alles, was Sie ab hier lesen, dreht sich um folgende Frage: Werden wir auch am Tag 808 noch publizieren?

Denn bis zum 31. März kämpft die Republik um ihre Zukunft. Den aktuellen Stand und was Sie tun können – das erfahren Sie im Cockpit.

Wir haben ambitionierte Ziele: 19’000 Verlegerinnen und 2,2 Millionen Franken Spenden, Investoren­gelder und Förder­beiträge bis zum 31. März.

Warum habt ihr nach dem sensationellen Crowdfunding kein Geld mehr?

Nun, auf den ersten Blick ist die Erklärung simpel. Die Kurzversion auf unserem Totenschein würde lauten: zu langsam gewachsen.

Im Januar 2019 präsentierten wir Ihnen unseren Jahresplan. Die wichtigsten Annahmen waren:

  • Erneuerungsrate: 65 Prozent

  • neue Mitglieder pro Monat: 675

  • Investitionsgelder: 1 Million Franken

  • Kosteneinsparungen: 10 Prozent

Wir erreichten unser Sparziel von 10 Prozent.

Drei der Annahmen waren zu optimistisch. Wir haben übers Jahr durchschnittlich 60 Prozent Erneuerung erzielt. Investitions­gelder von über einer halben Million organisiert. Und vor allem: 358 neue Mitglieder pro Monat geschafft. Halb so viel wie budgetiert.

Die Differenz beträgt rund 1,5 Millionen Franken. Das ist existenz­gefährdend.

Was war der zentrale Fehler?

Die einfache Antwort: Wir haben das Marketing vernachlässigt. Seit dem Crowdfunding haben wir nie mehr wirklich konzentriert Energie hineingesteckt.

Wir planten zwar, das für 2019 zu tun. Aber dann hatten wir Pech: Einige Mitarbeitende waren gleichzeitig krank.

Deshalb konnten wir nicht umsetzen, was nötig gewesen wäre. Dabei wussten wir, was Sache ist: Zu wenig Marketing ist eine der Haupt­todesursachen von Start-ups. Zudem war im Budget für 2019 die Steigerung der Verkäufe von 430 auf 675 pro Monat vorgesehen. Dass dies eine optimistische Prognose war, wussten wir eigentlich.

Kurz: Wunschdenken, gefolgt von Realität.

Aber die Antwort Marketing ist nur der offensichtlichste Grund. Die tieferen Ursachen stecken ganz woanders, tief in der Unternehmens­geschichte.

Wo liegen die tieferen Ursachen?

Hier:

  • Der grösste Fehler war, keine klaren Entscheidungs­strukturen aufzubauen. Die Folge davon war eine brutale Verschwendung von Lebenszeit und Energie im ersten halben Jahr – ein Wunder, dass wir täglich publizierten.

  • Das Aufräumen kostete. Wir waren von Sommer 2018 bis Sommer 2019 stark mit uns selber beschäftigt. Wechselndes Führungspersonal, organisatorische Auseinandersetzungen, inhaltliche Unklarheiten kosteten Zeit, Kraft und Nerven. Es hat gedauert, bis wir eine stabile Chefredaktion, eine stabile Geschäftsleitung, klare Leistungs­vereinbarungen mit unseren Mitarbeitern hatten.

  • Das Problem bei schlechtem Management ist, dass viele den Blick nach innen richten müssen: auf die eigene Firma. Statt nach aussen: auf die Welt. Oder die Leserinnen.

  • Uns ist es lange nur punktuell gelungen, den Journalismus zu machen, den wir eigentlich wollten und den auch die meisten der Verleger wollen: relevante Themen, Geschichten und Recherchen, die die Schweiz beschäftigen.

  • Die Qualität des Produkts schwankte. Zu wenig Leute haben uns in ihre Alltags­gewohnheiten integriert. Zu wenige unserer Verleger stellen sich jeden Morgen (oder jedes Wochenende) die Frage: «Oh, was hat die Republik wohl heute für Geschichten?»

Sorry, dass wir das lange nicht besser hingekriegt haben.

Warum spart ihr euch nicht gesund?

Das ist unternehmerisch betrachtet keine Option. Wir decken mit den rund 18’600 Verlegern heute 70 Prozent der Kosten. Würden wir den Rest wegsparen wollen, dann hiesse das konkret: mindestens ein Drittel der Redaktion entlassen. So geschwächt, wären wir während Monaten nicht in der Lage, geschlossen und überzeugend mit einem guten Produkt um neue Verleger zu werben, und die Erneuerungs­rate würde sinken. Wir hätten also nächstes Jahr weniger Verleger als heute. Und müssten wieder sparen.

Wir haben gespart, was wir konnten, ohne in diese Spirale zu geraten: Im letzten Jahr haben wir eine Million aus dem Budget gestrichen. Und die realen Kosten liegen unter Budget. Wir haben durchaus auch harte Massnahmen getroffen – konkret bedeutet das: Wir haben das Budget von rund 7 Millionen Franken gesenkt auf knapp 6 Millionen. Und liegen derzeit mit den effektiven Kosten nochmals 10 Prozent darunter.

Wir sind überzeugt: Viel mehr sparen liegt nicht mehr drin, wenn wir ein schlagfertiges Medium bleiben wollen.

Muss Journalismus so teuer sein?

Das fragen sich alle Verleger auf diesem Planeten.

Und die Antwort ist: leider ja. Ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur kostet. Qualität kostet, Recherche kostet, nationale Wirkung kostet, Vertrauen kostet, korrekte Fakten kosten, Transparenz und Mitbestimmung kosten, Dialog kostet, faire Löhne kosten – alles kostet.

Das Problem ist, dass das Produkt quasi in Manufaktur hergestellt wird. Man kann optimieren, so viel man will: Letztlich ist eine Redaktion so gut wie ihre Köpfe. Dazu kommt, dass Dinge wie Nachdenken oder Recherche miserabel planbar und höchst ineffizient sind. Qualität entsteht auch im Journalismus nicht nur durch das, was man liefert – sondern fast noch mehr aus dem, was man nicht liefert. Eine gute Zeitung erkennt man daran, dass sie falsifizierte Thesen in den Papierkorb wirft. Egal, wie teuer ihre Produktion war.

Für den Betrieb bedeutet das, dass Journalismus ein Geschäft mit hohen Fixkosten ist – bei der Republik aktuell 475’000 Franken pro Monat – und deshalb auf eine gefährlich grosse Masse an zahlenden Einzel­personen angewiesen ist.

Tatsächlich wurde in der Pressegeschichte Journalismus nur selten von seinem Publikum mit dem vollen Preis bezahlt – fast immer finanzierte die Werbung, ein Mäzen oder eine Partei. Unser Ziel ist und bleibt ein leserfinanziertes Medium.

Warum ist langsames Wachstum tödlich?

Der Grund ist die Erneuerungs­rate. Sagen wir, sie würde wie in diesem Jahr bei der Republik auf 60 Prozent bleiben. Das hiesse: Wir müssten Jahr für Jahr 40 Prozent der Verlegerschaft ersetzen, nur um gleich gross zu bleiben.

Bei 25’000 Verlegerinnen bedeutete das: 10’000 jedes Jahr. Nur um auf der Stelle zu treten.

Zwar steigt die Erneuerungsrate laut Erfahrung anderer Medienprojekte über die Jahre – aber der Mechanismus bleibt derselbe.

Das ist auch der Grund, warum wir lebenslang mit einem gewissen Tempo wachsen müssen. Das ist auch der Grund, warum die Erneuerung Ihrer Jahres­mitgliedschaft so wichtig ist. Treue ist existenziell für unser Unternehmen. Ein leserfinanziertes Medium hochzuziehen, braucht langen Atem.

Was wollt ihr jetzt tun?

Der unmittelbare Plan ist: sich fürchten. Aber nicht in Panik verfallen.

Den Plan für die nächsten Monate finden Sie im Cockpit. Zusammengefasst sieht er so aus:

  • Bis Ende Januar werben wir um Ihr Vertrauen. Weil es wichtig ist, dass Sie trotz allem Risiko Ihre Mitgliedschaft verlängern.

  • Im Februar werden wir den Was-Sie-wirklich-brauchen-wenn-Sie-nicht-höflich-sein-wollen-Monat ausrufen. Und mit so vielen von Ihnen wie möglich reden.

  • Im März geht es um die Existenz. Es wäre schön, wenn Sie dann auch dabei wären. Es werden sicher keine entspannenden Wochen. Aber interessante.

Was, wenn ihr scheitert?

Erreichen wir unsere Ziele bis zum 31. März, 12 Uhr, nicht, werden wir noch am gleichen Tag für alle Mitarbeitenden der Republik die Kündigung aussprechen. Und danach das Unternehmen geordnet auflösen.

Immerhin sitzen wir dann ein letztes Mal zusammen im selben Boot: Sie verlieren Ihr Investment, wir unseren Job. Und die Schweiz an Medienvielfalt.

Meint ihr das ernst?

Ja. Und mit allen Konsequenzen. Wenn Sie nicht glauben, dass wir finanziell in einer existenzbedrohenden Lage sind, lesen Sie den Geschäftsbericht 2018/2019.

Wenn ihr die Ziele nur knapp verfehlt, dann macht ihr doch nicht den Laden zu?

Wenn es sich abzeichnet, dass es knapp wird, werden wir kämpfen, bis wir es schaffen.

Wie genau wollt ihr finanziell nachhaltig werden?

Es gibt keine Wundermittel. Aber Werkzeuge. Und neue Gebiete.

Das wichtigste Werkzeug ist ein realistischer Finanzplan. Um ihn zu füttern, haben wir nun immerhin zwei Jahre brauchbare Erfahrungszahlen.

Wir haben den neuen Plan konservativ gehalten. Wenn schon Überraschungen sein müssen, dann ist es besser, die Erwartungen zu übertreffen, als umgekehrt.

Wir rechnen mit:

  • einer graduellen Steigerung der Erneuerungsrate,

  • weniger neuen Verlegern als auch in diesem Jahr,

  • weiteren Einsparungen (aber nicht Einschnitten),

  • einem höheren Ertrag pro Verlegerin.

Wo seht ihr strategische Schwerpunkte?

Wir haben zwei Gebiete, auf denen wir bis jetzt unsere Möglichkeiten nur halb oder gar nicht genutzt haben. Dort sehen wir deshalb eine echte Chance:

  1. Wir können und werden unser Marketing nicht mehr nebenher betreiben. Wir haben es bereits personell verstärkt – und werden sehen, was in Zukunft möglich ist.

  2. Ein Gebiet haben wir noch nicht wirklich angesehen: die Monetarisierung der eigenen Verlegerschaft. Die Sache ist die, dass der Einheits­preis für die Mitgliedschaft für verschieden kapitalkräftige Leute verschieden teuer ist. Bis jetzt hatten wir Gönner und reduzierte Mitgliedschaften für alle, die sich 240 Franken nicht leisten können. Aber wir haben die Möglichkeiten von verschiedenen Preisen bis jetzt nicht bewusst genutzt.

Das kann (muss aber nicht) ein mächtiger Hebel sein. Der «Guardian» schrieb lange mächtige Verluste. Vor drei Jahren erreichte er den Rekord von 57 Millionen Pfund. Dann wechselten Geschäftsleitung und Chefredaktion. Die Reichweite wurde ausgebaut, Störer wurden am Artikelende systematisch optimiert und die Unterstützer in verschiedene Kategorien eingeteilt, die verschiedene Angebote erhielten. Diesen Frühling schrieb der «Guardian» einen Gewinn von 800’000 Pfund. Der Wendepunkt.

Hier können wir lernen. Wenn Sie auf unserer Website Buttons mit der Möglichkeit sehen, das Doppelte zu zahlen – dann ist das ein erster Hauch eines Versuchs. Und einer möglichen Zukunft. Seien Sie grosszügig und drücken Sie ihn.

Wie hoch ist das Marktpotenzial?

286’600 Personen.

Wie kommt ihr auf diese Zahl?

So: In der Schweiz leben 6,1 Millionen Menschen über 14 Jahren, die einen Internetzugang haben. Davon sprechen 62 Prozent Deutsch als Hauptsprache. Von diesen haben 10 Prozent einen intensiven Medienkonsum. Und 84 Prozent davon nutzen Onlinemedien.

Kurz: rund 317’700 Menschen.

Nun hat die Republik momentan 18’600 Verlegerinnen an Bord. Weitere 12’500 haben der Republik eine Chance gegeben – und uns wieder verlassen.

Das macht: 286’600 potenzielle Verlegerinnen, die entweder noch nicht überzeugt sind oder nicht einmal wissen, dass wir existieren.

Würde jeder Zehnte davon (oder jede 200. Deutschschweizerin) Republik-Verleger, wären wir profitabel wie eine kleine Bank.

Mit welchen verwandten Projekten sprecht ihr?

Wir versuchen, so viele Erfahrungen wie möglich nicht selber machen zu müssen. Wir reden mit so gut wie allen leserfinanzierten Projekten. Und tauschen Know-how.

Besonders wichtige Gesprächspartner sind das holländische Magazin «De Correspondent», die dänischen Kolleginnen von «Zetland», die «Krautreporter» und «Perspective Daily» in Deutschland, «Mediapart» und «Les Jours» in Frankreich – nicht selten sprechen wir auch mit grossen Playern wie «The Guardian».

Warum braucht die Republik meine Hilfe beim Wachstum?

Bis ein Mensch sich dafür entscheidet, Verleger zu werden, müssen Hunderte Leute von unserer Existenz erfahren und Dutzende sich auf unserer Website umschauen.

Um zu wachsen, brauchen wir also Reichweite. Für den klassischen Weg, Reichweite mit Werbung zu kaufen, fehlt uns das Kapital. Wir können die Schweiz nicht mit Plakaten oder Inseraten überziehen. Um die nötige Aufmerksamkeit zu erreichen, bräuchten wir Millionen – und die haben wir nicht.

Wir müssen eine Kampagne machen, in der Sie als Multiplikatoren, Botschafterinnen, Komplizen – nennen Sie es, wie sie wollen – eine Hauptrolle spielen.

Jetzt Komplizin werden

Jedes Mal, wenn Sie einen Artikel teilen oder beim Mittagessen über uns reden, helfen Sie der Republik, bekannter zu werden. Wir haben für Sie die Funktion gebaut, Bekannte zum Probelesen einzuladen. Viele von Ihnen (etwa 15 Prozent) haben das schon genutzt und 8681 Menschen zum Probelesen eingeladen, davon haben 3903 die Einladung angenommen und 416 sich schliesslich für eine Mitgliedschaft entschieden.

Wir werden in den nächsten Monaten im Prinzip das Gleiche machen, diesmal aber on steroids. Wir sind über 18’600 Verlegerinnen. Wenn jede dritte einen neuen Verleger in die Chefetage bringt, haben wir das Ziel geschafft.

Was kann ich tun?

Wenn Sie nur eine Sache tun wollen: Erneuern Sie Ihre Jahres­mitgliedschaft!

Oder – wenn Sie nicht an Bord sind – kaufen Sie eine. Weiter hilft es uns, wenn Sie mit Ihren Freunden über uns reden.


Für den Überblick halten wir Sie im Cockpit auf dem aktuellen Stand des Irrtums. Und informieren Sie über alle Möglichkeiten, wie Sie mit uns für die Zukunft der Republik kämpfen können.

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