Aus der Arena

Eine Schwalbe macht noch keinen Flügel

Von Bettina Hamilton-Irvine, 19.11.2019

Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – finanziert von seinen Leserinnen. Es ist komplett werbefrei und unabhängig. Lösen Sie jetzt ein Abo oder eine Mitgliedschaft!

Jetzt wird wieder eifrig diskutiert. Schon vor Christian Levrats kürzlicher Ankündigung, das SP-Präsidium abgeben zu wollen, war das Thema beliebt. Jetzt, wo klar ist, dass eine neue Präsidentin das SP-Schiff auch in eine andere Richtung steuern könnte, macht es noch mehr Spass, darüber zu werweissen, welcher Flügel denn nun mehr Gewicht bekommen könnte. Die jungen Wilden vom linken Juso-Flügel? Oder der sogenannte sozial­liberale Flügel der SP, gern auch «rechter Flügel» genannt?

Genau, da ist er wieder, dieser rechte Flügel. Und wenn der Begriff gefallen ist, muss so schnell wie möglich das Wort Richtungs­streit oder wahlweise auch Flügel­kampf folgen, worauf dann ausnahmslos immer als Exponent des rechten Flügels Daniel Jositsch erwähnt oder gerne auch zitiert wird.

Der Zürcher Ständerat fordert dann in der Regel, der sozial­liberale Flügel müsse gestärkt werden. Oder er sagt, dass der linke Flügel in der Aussen­wahrnehmung zu dominant sei, weshalb man sich nicht wundern müsse, wenn die Wähler zur GLP abwanderten. Oder er verlangt eine Vertretung des sozial­liberalen Flügels in der Partei­leitung. Kürzlich forderte er, ein «Bekenntnis zur sozialen Markt­wirtschaft und für öffentliche Sicherheit im Sinne von Law and Order» in den Partei­statuten festzuschreiben. Manchmal wird dann – wie kürzlich in der «NZZ am Sonntag» – gleich diagnostiziert, den Sozialdemokraten drohe «die Spaltung der Partei».

Klingt dramatisch.

Interessant ist, dass als Exponent dieses ominösen sozial­liberalen Flügels seit geraumer Zeit immer nur Jositsch zitiert wird. Womit sich die Frage stellt: Welche gewichtigen SP-Stimmen gehören denn noch zu diesem Flügel?

Klar ist: Pascale Bruderer und Claude Janiak, die man zum sozial­liberalen Flügel zählen durfte, haben sich aus dem Ständerat zurück­gezogen und der Politik den Rücken gekehrt. Ebenso, schon länger, Tim Guldimann, der heute höchstens noch gelegentlich als «Ex-Nationalrat» und «Ex-Botschafter» aus Berlin die Schweizer Politik kommentiert (und auch schon für die Republik geschrieben hat).

Chantal Galladé hat die Partei gewechselt und politisiert heute bei den Grünliberalen. Bundes­rätin Simonetta Sommaruga und die Berner Regierungs­rätin Evi Allemann machen in ihren Regierungs­ämtern keine Partei­politik mehr. Schon viel länger die nationale Bühne verlassen hat Rudolf Strahm (der zwar ebenfalls als Politkommentator aktiv bleibt). Bleibt noch National­rätin Yvonne Feri, die aber auch lieber in eine Exekutive möchte: Sie kämpft am 24. November im zweiten Wahlgang für einen Sitz im Aargauer Regierungsrat.

Doch noch viel eindeutiger fällt die Antwort auf die Frage aus, wer zum rechten Flügel gehört, wenn man sich dem Thema auf eine andere Art und Weise annähert. Visualisiert man nämlich die Positionen aller gewählten SP-National­rätinnen und -Ständeräte in einem Raster zwischen links und rechts sowie liberal und konservativ (so, wie dies Ex-SP-Kampagnen­leiter Marco Kistler kürzlich auf seinem Facebook-Profil tat), zeigt sich: Fast alle tummeln sich auf einer relativ kleinen Fläche, ziemlich weit links und ziemlich mittig zwischen liberal und konservativ. Einzig Daniel Jositsch steht etwas abseits, ist liberaler und rechter als die anderen.

Schwarm und Schwalbe

Gewählte SP-Parlamentarier auf der politischen Landkarte von Smartvote

Daniel JositschKonservativ LiberalLinks Rechts

Quelle: Smartvote

Womit sich mit einer einzigen Grafik die ganze Flügel­diskussion auch schon erübrigt hätte. Denn ein linker Flügel ist nicht zu sehen. Und auf der rechten Seite muss man festhalten: Eine Schwalbe macht noch keinen Flügel.

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!

seit 2018

Republik AG
Sihlhallenstrasse 1
8004 Zürich
Schweiz

kontakt@republik.ch
Medieninformationen

Der Republik Code ist Open Source