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Am Klavier

Abwesende Gefühle

Erika Radermacher: Depression (1993)

Von Tomas Bächli (Audio), 26.10.2019

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Abwesende Gefühle
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Das Barockzeitalter entwickelte die Lehre von den Affekten, damit wurde die Musik auch ein Träger von Gefühlen. Erst die Musik der Nachkriegs­avantgarde stellte die Gleichsetzung von Klängen und Emotionen infrage, nun empfand man dies als Klischee.

Ist Depression überhaupt ein Gefühl – oder nicht vielmehr die Abwesenheit von Gefühlen? In der Musiktradition gibt es unzählige Werke, die Trauer und Schmerz ausdrücken, aber kaum eines, das sich mit Depression beschäftigt, vielleicht mit Ausnahme einzelner Lieder aus Schuberts «Winterreise».

Erika Radermacher (* 1936), die als Konzertpianistin in den 70er-Jahren zu komponieren begann, betritt mit ihrem Klavierstück «Depression» also Neuland. Sie ist Gründungs­mitglied des Musik­ensembles Neue Horizonte Bern, einer Musiker­gruppe, die seit 1968 existiert und sich auf konzeptionelle Kompositionen spezialisiert hat. Kompositionen, die nicht als Partitur notiert sind, sondern aus Handlungs­anweisungen an den Interpreten bestehen.

Erika Radermacher ist vertraut mit dem gesamten musikalischen Entstehungs­prozess, von der kompositorischen Idee bis zum Notieren einer spiel­baren Vorlage und schliesslich der klanglichen Realisierung. Das spüre ich sofort, wenn ich ein Werk von ihr spiele.

«Depression» dauert mit knapp sechs Minuten etwas länger als die anderen Werke, die ich in diesem Podcast bisher vorgestellt habe. Da sich der Klang im Verlauf der Komposition ständig reduziert, rate ich Ihnen, sich diese Folge mit Kopfhörern anzuhören.

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