Hallo, Konservative: Klimaschutz ist imfall euer Kernthema. Get it?
Durch die Wahlwoche mit der Republik-Redaktion (III).
Ein Kommentar von Elia Blülle, 16.10.2019
Der Konservatismus steckt in einer Krise. Politiker wie Donald Trump und Boris Johnson haben ihn gekidnappt. Sie nennen sich konservativ, verletzen aber eigene Prinzipien notorisch: Offensichtliche Probleme werden komplett negiert oder ins Ausland abgeschoben, Fakten verzerrt und geleugnet. Kann ein Problem nicht mit dem Dreiklang aus Steuererleichterungen, Abschottung und Deregulierungen behoben werden, dann gibt es nur eine Lösung: keine Lösung.
Besonders sichtbar wird diese Haltung beim Klimaschutz: Obwohl sich die Konsequenzen der Klimaerwärmung gerade wuchtig entfalten, bekämpfen nationalkonservative Parteien und Politikerinnen rund um den Globus jede Massnahme, die eine rasche Reduktion von Treibhausgasen vorantreiben könnte. Sie spielen auf Zeit.
Der amerikanische Präsident Donald Trump steigt aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro wollte es ihm gleichtun. Und hierzulande droht die SVP mit einem Referendum, sollte das Parlament das neue – ausgewogene – CO2-Gesetz in seiner jetzigen Form verabschieden.
Klimaschutz wird als linksgrünes Hirngespinst diffamiert. Man arbeitet sich an einem minderjährigen Mädchen ab, fabuliert eine Klimahysterie herbei und prophezeit eine schreckliche Rezession, sollten die klimawirksamen Gesetze tatsächlich in Kraft treten.
Das irritiert. Denn wäre Klimaschutz nicht ein klassisches konservatives Anliegen?
Würden rechte Parteien ihr eigenes Programm, ihre eigenen Wurzeln ernst nehmen, müsste die Wahrung von Natur und Schöpfung von zentralem Interesse sein. Das Wort «konservativ» stammt vom lateinischen Verb conservare, zu Deutsch: erhalten, bewahren. Und was bitte ist mehr conservare als der Schutz vom Matterhorn, von Gletschern oder heimischen Wäldern?
Anstatt jeden Ton von Greta Thunberg wie ein geblendeter Bulle aufzuspiessen, würden sich konservative Eliten gescheiter auf ihre eigenen Vordenkerinnen besinnen. Zum Beispiel auf Margaret Thatcher.
Sie gilt als Mutter des modernen Konservatismus, hat den britischen Finanzmarkt dereguliert und staatliche Unternehmen privatisiert, wie es zuvor nie jemand gewagt hatte. Gemeinsam mit Ronald Reagan installierte sie eine neoliberale Wirtschaftsordnung, die ihr Leben überdauerte. Kapitalismuskritiker verachten Thatcher dafür bis heute; nach ihrem Tod im Jahr 2013 stürmte ein alter Musicalsong mit dem Titel «Ding-Dong! The Witch is Dead» die britischen Charts.
Umso mehr überraschte ihr denkwürdiger Auftritt im Jahr 1989 an der Uno-Generalversammlung. Die damalige britische Premierministerin und studierte Chemikerin warnte in ihrer Rede, dass die Gefahr durch die Klimaerwärmung real genug sei, um sofortige Veränderungen herbeizuführen und entsprechende Opfer zu bringen: «Die ökologische Herausforderung, vor der die ganze Welt steht, erfordert auch eine Antwort der ganzen Welt. Jedes Land wird betroffen sein, niemand kann sich verstecken. Und die Länder, die industrialisiert sind, müssen mehr tun und jenen helfen, die es nicht sind.»
Thatcher sollte nicht die einzige Konservative bleiben, die für mehr Klimaschutz warb. Auch Papst Franziskus – beileibe kein Progressiver – tourt gerade um die ganze Welt und schwört die Katholiken auf die Klimawende ein. Oder Prinz Charles: Er hält Reden, die ihm an Parteitagen der Grünen Standing Ovations bescheren würden. Und auch in der Schweiz hat die FDP-Basis mit ihrem plötzlichen Umschwung gezeigt, dass in wirtschaftsliberalen Kreisen die Forderung nach mehr Klimaschutz mittlerweile ohne Scham ausgesprochen werden darf. Ein bemerkenswerter Fortschritt.
Hierzulande sträubt sich einzig die SVP. Sie lehnt eine effektive Klimapolitik ab. Parteipräsident Rösti bezeichnet Massnahmen zum Schutz der Umwelt als kontraproduktiv und «teuflisch». Im «Manifest für eine intelligente bürgerliche Öko-Politik» missbilligt die SVP fast alle im neuen CO2-Gesetz verankerten Massnahmen; eigene Lösungsvorschläge präsentiert sie nicht.
Eigentlich schade. Denn der kluge Konservative ist mit seinen Impulsen als Ausgleich zu Progressiven für eine Demokratie unverzichtbar.
Er verhält sich wie ein Klassenstreber: stets brav, stets zurückhaltend, stets risikoscheu – und nicht wie ein Berserker, der alles zerhackt, was ihm gerade nicht ins Programm passt.
Der kluge Konservative meidet Ideologie. Er greift eine bestimmte Politik nicht per se an, nur weil ihr ein linker Touch anhaftet. Er kritisiert dann, wenn die Politik ihre Bodenhaftung verliert. Der rechte Theoretiker Michael Oakeshott schrieb, konservativ zu sein bedeute, das Bekannte dem Unbekannten vorzuziehen, das Mögliche dem Unmöglichen, das Limitierte dem Grenzenlosen, die Nähe der Ferne und die Fakten den Mythen.
Wenn in den nächsten Jahren unsere Emissionen nicht sinken, droht uns ein wirtschaftliches und ökologisches Desaster von unbeschreiblichem Ausmass. Menschen werden fliehen müssen, Tiere werden aussterben und Pflanzen vertrocknen. Das Matterhorn wird bröckeln; die Gletscher schmelzen.
Das sind die Fakten. Reicht das?