Warum ziehen junge Europäer in den Heiligen Krieg?

Wut, Frustration, Rachelust, Neid: Ein aktuelles Buch beleuchtet die Beweggründe von Jihadisten. Diese haben ebenso viel mit der westlichen Gesellschaft wie mit dem Islam zu tun.

Von Marc Zitzmann, 04.10.2019

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Organisation des Terrors: Die Übersetzung eines Bewerbungsformulars für den Beitritt zur Terror­miliz Islamischer Staat. Lorenzo Meloni/Magnum Photos/Keystone

Was ist Jihadismus?

Oder: Wie lässt sich erklären, dass Mitglieder unserer Gesellschaft gegen westliche Werte in den Krieg ziehen, es sich zum Ziel machen, Tod und Vernichtung zu säen, für andere und für sich selbst? Warum treten junge Männer – aber auch Mütter, junge Teenager, teilweise mit christlicher oder jüdischer Herkunft – zum «Glauben» selbst ernannter Gotteskrieger über? Warum verlassen sie ihre Verwandten und ihren Freundes­kreis in Europa und übersiedeln in ein «gelobtes Land», dessen Bewohnern sie mit Gewalt ein totalitäres Regelwerk aufzwingen? Was treibt Bürgerinnen aus unserer Mitte dazu an, die Versklavung, Verstümmelung und Vernichtung anderer Menschen bestenfalls passiv mitzutragen und schlimmsten­falls aktiv zu betreiben?

Der franko-iranische Soziologe Farhad Khosrokhavar macht den wohl bisher seriösesten Versuch, diese verstörenden Fragen aufzuklären. Trotzdem verzichtet seine Studie «Le nouveau jihad en Occident» auf eine griffige These. Im Gegenteil, gleich im ersten Kapitel warnt der Islam­spezialist, dass Analysen des Jihadismus, die lediglich auf einem Erklärungs­faktor gründen, die Vielschichtig­keit des Phänomens verfehlen.

Der Jihadismus müsse immer unter zahlreichen Blick­winkeln untersucht werden – im Bewusstsein, dass die Handlungs­logik der Akteure oft unvorhersehbar bleibt.

Zum Buch: «Le nouveau jihad en Occident» (Der neue Jihad im Westen)

Farhad Khosrokhavar lehrt an der École des hautes études en sciences sociales in Paris. Sein Buch zeichnet das bis anhin vollständigste Panorama der vielfältigen Formen, die das Phänomen des Jihadismus in der westlichen Welt annimmt. Seine Prämisse ist, dass Jihadismus ein «soziales Total­phänomen» bildet, das alle Schichten berührt und nur aus der Gesamt­struktur der Gesellschaft hergeleitet werden kann (definiert hat das in den 1920er-Jahren der französische Soziologe Marcel Mauss). Entsprechend beleuchtet Khosrokhavar den Jihadismus in seinen anthropologischen (Familie und Mitwelt), soziologischen (Jihadisten als gesellschaftliche Akteure), psycho­pathologischen (Geistes­gestörte als «Gotteskrieger»), generationellen, geschlechtlichen und geografischen Dimensionen. Dabei stützt er sich auf eine Stich­probe von 105 Fällen, deren Werdegang er zum Teil durch direkte Gespräche, zum Teil durch Medien­berichte oder wissenschaftliche Publikationen rekonstruieren konnte.

Farhad Khosrokhavar: «Le nouveau jihad en Occident». Robert Laffont, Paris 2018. 592 Seiten, ca. 37 Franken.

Was versteht Khosrokhavar unter Jihadismus? «Ein politisch-religiöses Phänomen, dessen Akteure eine extremistische Lesart des Islams, die den Jihad in den Mittelpunkt stellt, mit einem gewaltsamen Vorgehen verbinden.»

Die Ideologie des Todes

Zentral für seine Untersuchung ist der Aufstieg der Terror­organisation Islamischer Staat (IS), die zwischen 2012 und dem Frühjahr 2019 zeitweise riesige Gebiete im Irak und in Syrien beherrschte. Für den Jihadismus im Westen bedeutete die Ausrufung und anfängliche Ausbreitung dieses selbst ernannten «Kalifats» einen Quanten­sprung. Die Zahl der Ausreise­willigen, die bereit waren, als «Gottes­krieger» zu sterben, explodierte. Aus über hundert Staaten strömten Freiwillige herbei.

Die Anziehungskraft des IS hat diejenige von al-Qaida bei weitem überstiegen. Khosrokhavar untersucht in seiner Studie insbesondere die Auslands­propaganda der Terror­organisation, die bewusst auf die Sprache und Mentalität des jeweiligen Ziel­publikums zugeschnitten war. In seinen Botschaften setzte der IS massiv auf Nichtreligiöses. Er versprach Exotik und Romantik, sozialen Aufstieg und materiellen Überfluss. Er versuchte aber auch das Bedürfnis nach Heroismus und Idealismus sowie den Narzissmus, die Abenteuer- und Eroberungs­lust der jungen Adressaten zu bedienen. Im Gegensatz zu al-Qaida, die sich in einem hölzernen «theologischen» Idiom an den Westen wandte, hat der IS systematisch säkulare Botschaften und Bilder benutzt, um westliche Rekruten anzuwerben.

Doch so fortschrittlich die Form der IS-Propaganda auch anmuten mochte, so rückwärts­gewandt war ihr Inhalt. Die sunnitischen Stammes­führer und die ehemaligen Geheimdienst­offiziere des gestürzten Diktators Saddam Hussein, aus denen sich der Führungs­kreis des IS zusammensetzte, hatten nicht das Ziel, eine theologisch-fundamentalistische Revolution herbeizuführen. Sie versuchten, den Platz der schiitischen Regierung im Irak und des alawitischen Regimes in Syrien einzunehmen. Wirklich revolutionär (wenn man so sagen kann) war einzig die Gering­schätzung ihrer Truppen für das menschliche Leben – das eigene inbegriffen.

Die Selbst­aufopferung, ja die Bereit­schaft zur eigenen Auslöschung, ging sogar weit über den Kadaver­gehorsam von Hitlers und Stalins Banner­trägern hinaus. Aber es besteht ein Nachfolge­verhältnis zu diesen Ideologien. «Der opferwillige Neo-Islam», so Khosrokhavar, «ist ein aus den Totalitarismen des 20. Jahr­hunderts hervorgegangener Mutant, der einer ‹totalen Religion› dient, die es in der muslimischen Tradition bis zur Iranischen Revolution nie gegeben hat. Erst zu diesem Zeit­punkt, in den Jahren nach dem Sturz des Schahs 1979, wurde das Märtyrertum zum Ideal nicht einer Handvoll Auserwählter, sondern einer ganzen Gesellschaft.»

Im Gegensatz zum Nazismus und zum Kommunismus hat der Jihadismus so, wie er in Reinform durch den IS praktiziert wurde, jedoch keine «positive» Vision des menschlichen Lebens auf Erden. Er will weder eine Herren­rasse regenerieren noch eine neue egalitäre Gesellschaft aus dem Boden stampfen. Vielmehr stellt er den Tod in den Mittel­punkt seiner Lehre: als Belohnung für die im Jihad gefallenen Märtyrer, als Bestrafung für die Ungläubigen (kafir) und die falschen, heuchlerischen Muslime (munafiq). Die Gründung eines «islamischen Staats» hatte nicht zum Ziel, eine Basis für die Verbreitung der jihadistischen Ideologie zu schaffen, sondern sollte durch einen totalen Krieg gegen die ganze Welt das Ende der Zeiten herauf­beschwören. Nur so lässt sich die «Aussen­politik» des IS verstehen. Nach rationalen Kriterien ist sie nicht nachvollziehbar. Selbst potenzielle Verbündete wie die Golf­staaten (und namentlich Saudi­arabien) oder mögliche «Neutrale» wie die Türkei – der wichtigste Absatz­markt für das ausser Landes geschmuggelte Erdöl – griff der IS frontal an.

Zu einem aktuellen Fall in der Schweiz

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Wer wird zum Jihadi?

Wen spricht diese auf den Tod zentrierte Ideologie an? Die zentralen Kapitel von Khosrokhavars Buch entwickeln eine differenzierte Typologie der im Westen lebenden Muslime und der Konvertiten, die dafür empfänglich sind. Die Liste sieht in etwa folgender­massen aus:

  • Jugendliche, die sich ganz zuunterst auf der sozialen Leiter befinden, die als Immigranten(kinder) und als Arbeitslose oder Gering­verdiener gleich doppelt ausgegrenzt sind.

  • Junge Männer und Frauen, die aus einem als unbedeutend und perspektivlos empfundenen Leben ausbrechen wollen, indem sie gegen die Grundwerte der westlichen Gesellschaften auf die Barrikaden gehen und sich zu «schwarzen Rittern» stilisieren.

  • Aktivisten, die gegen die «Übermacht» des als imperialistisch betrachteten Westens kämpfen wollen und denen die radikale Linke als zu lax (in ihren Methoden) und zu säkular (in ihren Werten) erscheint.

  • Psychopathen, die im Jihadismus ihre Krankheit ausleben.

  • Jugendliche oder Post­adoleszenten, die ein Virilitäts­problem haben und endlich «zum Mann zu werden» glauben, wenn sie neben abgehackten Köpfen in die Kamera grinsen oder in einem mit Sprengstoff vollgestopften Gefährt auf eine feindliche Stellung zurasen.

  • Desorientierte Persönlich­keiten, die ihr Heil in drakonischen Lebens­regeln und in «hohe­priesterlicher Repression» suchen und das Gefühl der Leere zu überkommen versuchen, welches das hohe Mass an Freiheit unserer Gesell­schaften in ihnen hervorruft.

Diese Bestandsaufnahme zeigt zunächst zweierlei: einerseits die Bandbreite der psychologischen Profile, die der Jihadismus im Westen anzuziehen vermag; anderseits die Tatsache, dass der «heilige Krieg» niemals so attraktiv sein könnte, wenn unsere Gesellschaften gesund wären. Das heisst gerecht, sinnstiftend und zukunftsgewiss.

Ein IS-Nummernschild aus den besetzten Gebieten im Süden der syrischen Provinz Deir ez-Zor. Lorenzo Meloni/Magnum Photos/Keystone

Der Jihadismus ist laut Khosrokhavar das Symptom einer tiefen Krise, in der die «Verwilderung der Ökonomie» die Verwilderung der Politik nach sich zieht. «Mangels einer breit angelegten Protest­bewegung gegen die ungleiche Verteilung der Güter», schreibt der Autor, «gibt es keine Hoffnungs­botschaft mehr für die untersten Klassen […], aber auch nicht für die niedere Mittel­schicht, die zu einem guten Teil ihre wirtschaftlichen Vorteile und fast in Gänze die Aussicht auf gesellschaftlichen Aufstieg verloren hat. In der Politik florieren regressive und repressive Bewegungen wie die populistischen Wellen, die die Hilflosesten anprangern (in den USA die latein­amerikanischen Immigranten) und jene an die Macht tragen, welche die Wirtschafts­ordnung noch hemmungs­loser entfesseln wollen (Trump und Amerikas Plutokraten).»

Wie der Populismus beruht auch der Jihadismus weniger auf Fakten und Verstand. Er beruht vielmehr auf Gerüchten und Glaubens­sätzen und geht dabei noch viel weiter: Er verschiebt die Probleme von der politischen in die religiöse Sphäre und lässt sie dort wie in einem schwarzen Loch verschwinden. Dabei behält die «verwilderte Religion» der Jihadisten «vom traditionellen Islam nur die härtesten, unversöhnlichsten Züge und verwirft all das, was Ausdruck einer ‹islamischen Zivilisation› war. Einer Zivilisation, in der das Raffinement der Lebensart Hand in Hand ging mit der Verfeinerung der Künste, der Poesie, der Musik, der Malerei (namentlich der Miniatur­malerei, trotz des Bilder­verbots), der Philosophie (griechischer Prägung) und insbesondere der Mystik (Stichwort Sufismus).»

Virus und Immunsystem

Je nach Interesse mag man die Aberdutzenden in die Untersuchung eingestreuten Jihadisten-Lebens­läufe als pedantische Kompilations­arbeit empfinden oder als den gelungenen Versuch einer differenzierten Bestands­aufnahme. Von der Material­fülle her übertrifft Khosrokhavars Buch jeden­falls alles, was auf Französisch zum Thema greifbar ist.

Und immer wieder blickt «Le nouveau jihad en Occident» auch über Frankreich hinaus.

Warum etwa ist der Anteil marokkanisch­stämmiger Jihadisten im Westen knapp fünfmal so hoch wie jener türkisch­stämmiger? Khosrokhavar geht davon aus, dass eine Gemein­schaft dem Gift des Radikalismus desto besser widersteht, je fester sie gefügt ist. Junge Westler türkischer Abstammung haben mit ihrem jeweiligen Gast- oder Heimat­land keine postkoloniale Rechnung zu begleichen und sind in religiöser Hinsicht meist solide sozialisiert.

Ganz anders Westler marokkanischer Herkunft. Überdies liegen die Familien­wurzeln der meisten marokkanischen Einwanderer im Rif-Gebirge: Dessen Bewohner werden wegen ihrer Sprache und eines 1958 brutal nieder­geschlagenen Aufstands bis heute ausgegrenzt in Marokko und haben aufgrund von Diskriminierung und Armut «dissidente Kompetenzen» entwickelt (subversive Umtriebe, Haschisch­anbau, Schmuggel …). Die entsprechende Mentalität und das dazugehörige «Know-how» lassen sich leicht auch in den Dienst des Jihadismus stellen.

Auf die zentrale Frage «Warum werden Westler zu Jihadisten?» gibt Khosrokhavar keine abschliessende Antwort. Notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung ist jedoch eine tiefe Unzufriedenheit mit dem eigenen Dasein, ein existenzielles Manko. Menschen, deren Leben halbwegs erfüllt ist, wandern nicht in Kriegs­gebiete aus und planen keine Terror­anschläge vor der eigenen Haustür. Glücklicher­weise versuchen existenziell unerfüllte Zeit­genossen sich jedoch fast immer auf weniger radikale Art und Weise neu zu erfinden – etwa, indem sie den Beruf, den Wohnort oder den Lebens­partner wechseln. Damit jemand sein Heil im Jihadismus sucht, damit er (oder – seltener – sie) sich von einem derart auf den Tod fixierten Kult ein Ticket für eine bessere Welt verspricht, braucht es besondere Ingredienzien:

  • Wut (über gesellschaftliche Ausgrenzung)

  • Frustration (über ein perspektivloses Dasein)

  • Rachelust (hervorgerufen durch die reale oder eingebildete Misshandlung, die Ahnen als Immigranten oder als Opfer des Kolonialismus erlitten haben)

  • Neid (auf jene, die es besser haben, als man selbst es je haben wird)

Aber es gibt auch die bizarrsten Beweg­gründe, Jihadist zu werden. Samy Amimour, einer der Urheber des Blutbads im Pariser Bataclan-Konzertsaal 2015, wollte durch seine Wandlung zum «schwarzen Ritter» anscheinend mit seiner Familie abrechnen: mit dem säkularisierten, belesenen Vater, mit der feministischen Mutter, mit den beruflich erfolgreichen Schwestern. Ein junges Paar aus Orléans wanderte 2014 nach Syrien aus, weil es sich in den nicht gemischten «Schulen» von IS eine gott­gefälligere Erziehung für sein dreijähriges Söhnchen erhoffte. Ein Walliser aus gutem Hause tat Ende 2013 das Gleiche – um sich von seiner Homo­sexualität zu «heilen».

Immer wieder überrascht Khosrokhavar mit solchen Fakten. Wer weiss etwa, dass Göteborg die europäische Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Dichte an Jihadisten ist? Oder dass das Profil der «Gotteskrieger» je nach Herkunfts­land stark variiert: In den USA beispiels­weise hat man es überwiegend mit Einwanderern frischen Datums zu tun, die mehrheitlich der Mittel­schicht entstammen und fast immer als «lone wolves» zu Werke gehen.

In Europa sind die typischen Täter­profile ganz anders. Interessant ist auch, dass die sozial benachteiligten Nord­viertel von Marseille zwar viele Kriterien vereinen, um zur Brut­stätte für Jihadisten zu werden, dass dies aber ausgeblieben ist – aus nachvollziehbaren Gründen. So sucht die dort ansässige Gemein­schaft von Salafisten gewalt­bereite Radikalität im Keim zu ersticken; ebenso die organisierte Kriminalität, die kein Interesse daran hat, dass Antiterrorismus­behörden ihre Nase ins Revier stecken. Auch die algerischen Quartiers­bewohner, die in den 1990er-Jahren vor der Terror­organisation Groupe Islamique Armé übers Mittel­meer geflohen sind, hegen eine militante Abscheu gegen bewaffnete Islamisten. Und schliesslich ist Marseille seit je eine eher arme Stadt mit hoher Migranten­dichte und einem vibrierenden Lokal­patriotismus. Das erleichtert die Integration unbemittelter Einwanderer und verleiht ihnen ein starkes Identitätsgefühl.

Kräftige Wurzeln, im Sinne sowohl der Verankerung an einem Ort wie auch der Zugehörigkeit zu einer Gemein­schaft, immunisieren gegen das jihadistische Virus.

Ein wichtiges Buch, trotz Fehlern

Leider ist Khosrokhavars Buch nicht ganz so gut, wie es hätte sein können. So beherrscht der Autor weder die deutsche Sprache noch den Netzjargon. Das führt mitunter zu unfreiwilliger Komik. Deutsche Jugendliche apostrophieren einander nicht mit «Digger» – und «LOL» heisst nicht «lots of laughter». Auch die Quellen sind nicht immer die verlässlichsten: Breitbart, die österreichische «Krone» und sogar die parodistische Website «Le Journal de Mourréal». Schliesslich wirkt auch die Beweis­führung nicht immer stringent: Dass etliche Schüler, Studenten und Lehrer Jihadisten wurden, besagt wenig über die Schule beziehungsweise Universität als Stätte der Radikalisierung. Die meisten Jihadisten sind nun einmal junge Leute, und die meisten jungen Leute sind nun einmal Schüler oder Studenten.

Seine Grundbotschaft indes vermittelt der Autor mit bemerkens­werter Klarheit. «Es ist nicht möglich», schreibt er zum Abschluss, «einem sozialen Total­phänomen [wie dem Jihadismus] lediglich eine oder bloss ein paar wenige Ursachen zugrunde zu legen. Man kann ein möglichst erschöpfendes Bild davon zeichnen, das der Leser am Ende dann selbst vollendet. Die mitgelieferten sozio-anthropologischen Informationen ermöglichen es ihm, die richtigen Fragen zu stellen und falsche Ansichten zu vermeiden wie: ‹Schuld ist die Migration›, ‹schuld ist der Islam› […], ‹schuld sind Kriminelle›, ‹schuld sind junge Geistes­gestörte›. All diese Zutaten finden sich im Jihadismus, aber erst ihr Zusammen­spiel im Rahmen verschiedener Formen der Persönlichkeits­bildung, differenziert nach Alters­klassen und vor dem Hinter­grund der politisch-ökonomischen Krise Europas (und der westlichen Gesell­schaften ganz allgemein), macht das Phänomen verständlich.»

Zum Autor

Marc Zitzmann lebt in Paris, er ist als freier Journalist unter anderem für die «FAZ» und die «NZZ am Sonntag» tätig. Für die Republik hat er zuletzt darüber geschrieben, wie Frankreich mit dem Trauma des Attentats auf «Charlie Hebdo» umgegangen ist.

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