Das China-Dilemma

Syngenta, Pirelli, Daimler: China reisst sich Firmen und Infrastruktur in ganz Europa unter den Nagel. Allein in der Schweiz für 58 Milliarden Euro. Das schafft Wachstum – und Abhängigkeit.

Eine «Investigate Europe»-Recherche von Philipp Albrecht und Harald Schumann, 16.09.2019

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China setzt Zeichen in Europa: Warnschilder auf einer Autobahnbaustelle in Montenegro. CTK Photo/Imago Images

Die Verheissung aus Fernost erreicht das Herz Europas meist in der Nacht. Endlose Container-Züge mit chinesischen Schriftzeichen fahren nach 11’000 Kilometern Reise ihre Endstation am Duisburger Rheinufer im Ruhrgebiet an. LKWs und Schiffe stehen dort bereit, um vom neuesten Smartphone bis zur Badehose Waren aus China aller Art in die umliegenden Länder zu verteilen.

Rund 30-mal pro Woche wiederholt sich das Schauspiel – es beschert dem Duisburger Güterbahnhof den klingenden Titel «Ende der Seidenstrasse». Davon sprechen jedenfalls die Manager der Stadt und preisen die um drei Wochen kürzeren Lieferzeiten gegenüber dem Schiffstransport. Schon jetzt gibt es hier mehr als 100 chinesische Unternehmen, viele weitere sollen folgen. «China», sagt Erich Staake, der Chef des Duisburger Hafens, «ist ein bedeutender Bestandteil für unsere künftige Entwicklung.»

Das gilt auch für das 1300 Kilometer entfernte Kroatien. Dort erfüllt China den Bewohnerinnen einen lange gehegten Traum. In einer malerischen Adria-Bucht werden Stahlpfeiler mit gewaltigen Hammer­türmen 120 Meter tief in den Meeresgrund gerammt. Bald schon werden sie eine zweieinhalb Kilometer lange Brücke tragen, um das Festland und die Exklave Dubrovnik zu verbinden, die seit dem Jugoslawien­krieg getrennt sind.

Die gut 200 chinesischen Arbeiter arbeiten rund um die Uhr und «machen das sehr gut», sagt Nikola Dobroslavić, Chef der Bezirks­regierung. Vor allem sind sie billig, kein europäischer Wettbewerber konnte mithalten.

Aus China kommen auch die neuen Nutzer des ehrwürdigen Loreto-Palasts im Herzen der Altstadt von Lissabon. Hinter der Fassade aus dem 18. Jahrhundert residieren die Mitarbeiter des chinesischen Konzerns Fosun. Dessen Imperium reicht in Europa von der früher staatlichen portugiesischen Versicherung Fidelidade und der Bank BCP über den Reisekonzern Thomas Cook bis zur Modemarke Tom Tailor und zur deutschen Privatbank Hauck & Aufhäuser. Nicht weit entfernt sind die Büros von Chinas Staats­unternehmen State Grid und Three Gorges, die sich in die Stromversorgung des Landes eingekauft haben. Investitionen von insgesamt mehr als 9 Milliarden Euro machen Portugal jetzt zu einem «strategischen Partner», frohlockt Chinas dortiger Botschafter Cai Run.

Nicht nur in Duisburg, Dubrovnik und Lissabon, in ganz Europa wird rege chinesisches Kapital angelegt. Geld fliesst in Eisenbahn­linien und Autobahnen, Häfen und Stromnetze, Hightech- und Finanzfirmen. Seit 2006 haben chinesische Unternehmen weit mehr als 300 Milliarden Euro hier investiert. Und jedes Jahr werden es 10 bis 20 Milliarden mehr.

Drache auf Shoppingtour

Investitionen nach Ländern, in Dollar

Grossbritannien70 Mrd. Schweiz58 Mrd. Deutschland51 Mrd. Frankreich24 Mrd. Italien21 Mrd. Niederlande17 Mrd. Finnland14 Mrd. Übrige Länder65 Mrd.

Quelle: American Enterprise Institute

Das Kapital aus Fernost galt viele Jahre lang als willkommene Folge der Globalisierung, zumal europäische Unternehmen umgekehrt schon weit mehr in China investiert haben. Doch neuerdings melden führende EU-Politiker Zweifel an. Der Wettbewerb zwischen China und Europa «läuft nicht fair», klagte der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, weil die Regierung in Peking sich einseitig Vorteile verschaffe.

Die Zeit der europäischen Naivität müsse vorbei sein, fordert auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Erstmals konstatierten die EU-Regierungen im vergangenen März, China sei «gleichzeitig ein Partner und systemischer Rivale». Europa, das signalisiert das dazugehörige Strategie­papier, beginnt zu fürchten, von den Partei­diktatoren in Peking abhängig zu werden und letztlich seine Wirtschaftskraft zu verkaufen.

Aber ist die chinesische Investitions­offensive tatsächlich eine Gefahr für die Prosperität der europäischen Länder? Birgt die Verflechtung das Risiko, mit dem autoritären Regime in Peking gemeinsame Sache zu machen?

Diesen Fragen ist die Republik in Zusammenarbeit mit Journalisten von Investigate Europe nachgegangen und auf folgende Antworten gestossen:

  1. Chinas wirtschaftlicher Vorstoss hat Unternehmen in Europa Wachstum und Jobs gebracht und ist zumeist auch bei Arbeitnehmerinnen willkommen. Bisher gibt es keine Belege für einen wirtschaftlichen Schaden, auch wenn sich die Investoren teils finanziell übernommen haben.

  2. Nachdem sie dies in den Krisenländern vorher selbst erzwungen haben, wollen mehrere Staaten nun den Verkauf kritischer Infrastruktur an Chinas Staats­konzerne verhindern. Wegen dieser widersprüchlichen Haltung kann sich die EU auf keine gemeinsame Linie einigen.

  3. Europa ist abhängig vom chinesischen Markt. Chinas Regenten nutzen dies, um Kritik zu unterdrücken. Donald Trumps Wirtschafts­krieg gegen China bringt Europa in ein zusätzliches Dilemma. Eine Abschottung, wie sie die US-Regierung anstrebt, wäre aus Sicht von Europa unbezahlbar.

Zur Recherche-Kooperation

Investigate Europe ist ein Journalistenteam aus neun Ländern. Es recherchiert Themen und veröffentlicht die Ergebnisse europaweit. Das Projekt wird von diversen Stiftungen sowie von privaten Spenden und Leserbeiträgen unterstützt. Zu den Medienpartnern für die Recherche über die chinesischen Investitionen gehören unter anderem «Der Tagesspiegel», «Aftenbladet», «Diário de Notícias», «De Groene Amsterdammer», «Il Fatto Quotidiano», «Trends» und «Gazeta Wyborcza». An den Recherchen zu diesem Beitrag waren neben Philipp Albrecht und Harald Schumann, dem Initiator von Investigate Europe, folgende Personen beteiligt: Wojciech Ciesla, Ingeborg Eliassen, Juliet Ferguson, Nikolas Leontopoulos, Maria Maggiore, Leila Minano, Paulo Pena, Jordan Pouille, Jef Portmans, Nico Schmidt und Elisa Simantke.

1. China bringt Wachstum und Jobs

Welche Ängste Chinas wirtschaftliches Engagement in Europa auslöst, zeigte sich im Mai 2016, als der chinesische Haushaltsgeräte­konzern Midea für 4,6 Milliarden Euro den deutschen Robotik-Hersteller Kuka kaufte. Es sei zu «befürchten, dass solche Unternehmen nur als Werkzeuge benutzt und weggeworfen werden, wenn sie genügend Technologie übertragen haben», warnte Michael Clauss, der damalige deutsche Botschafter in Peking.

In den meisten Fällen – das bestätigten Managerinnen und Arbeitnehmer von Norwegen bis Italien – geht es den gekauften Unternehmen heute jedoch besser als vorher. «Chinesische Investoren halten sich in aller Regel an die Gesetze und Tarifverträge», konstatiert Rüdiger Luz, als Leiter der Abteilung Betriebspolitik bei der IG Metall ein Kenner der europäischen Industrie.

Dafür steht exemplarisch der chinesische Staatskonzern ChemChina, der «dynamischste Globalisierer unter Chinas Staatsunternehmen», wie der «Economist» schrieb. Ihm gehören heute unter anderen der Reifen­konzern Pirelli aus Italien, der Enzymspezialist Adisseo aus Frankreich, der Silikon­produzent Elkem aus Norwegen, der Schweizer Agrochemie­hersteller Syngenta und der deutsche Maschinen­hersteller KraussMaffei.

Chef von ChemChina ist der Selfmade-Millionär Ren Jianxin, dem die Regierung die Sanierung vieler maroder Betriebe übertrug. Seine Manager lassen den Tochter­firmen in Europa weitgehend freie Hand. Das fördert deren Entfaltung: Für die rund 6200 Mitarbeiter bei Elkem sei der Verkauf nach China «nur positiv», versichert etwa Marianne Færøyvik, Vertreterin der Gewerkschaften im dortigen Verwaltungsrat. Die norwegische Firma sei seit der Übernahme vor acht Jahren durch Zukäufe gut gewachsen.

Die gleiche Erfahrung machen auch die Mitarbeitenden bei Pirelli, dem «Prada der Reifenindustrie», wie Ren die Firma nannte. Nach der Übernahme für mehr als 7 Milliarden Euro im Jahr 2015 bot er den Italienern einen erstaunlichen Vertrag: Obwohl die erworbenen 45 Prozent der Aktien ChemChina die volle Kontrolle verschaffen, kann die Konzern­zentrale nur ins Ausland verlegt werden, wenn auch die übrigen Eigentümer zustimmen. Damit bleibt Pirelli italienisch, und CEO Tronchetti Provera ist überzeugt, der Deal sei das Beste für Pirelli gewesen. «Andernfalls wären wir in die Hände von Konkurrenten gefallen, und das wäre das Ende von Pirelli gewesen.»

Auch Frank Stiehler, Chef des Münchner Maschinen­bauers KraussMaffei, sieht sein Unternehmen bei ChemChina gut aufgehoben. «Wir investieren heute doppelt so viel wie in den Jahren unter Führung durch angelsächsische Finanz­investoren.» Gleich vier neue Werke seien in Planung und Bau, drei davon in Deutschland. 800 neue Jobs wurden geschaffen. Vor einem Jahr brachten die neuen Eigentümer ihre deutsche Tochter an die Börse in Shanghai. Aber «der Firmensitz bleibt in München», versichert Stiehler. Das Listing in China biete nur Möglichkeiten, das Wachstum voranzutreiben.

Teure Einkäufe

Zehn grösste chinesische Investments in Europa

FirmaKäufer Preis ($)
Syngenta (CH)ChemChina43 Mrd.
Logicor (UK)CIC12,3 Mrd.
HSBC (UK, 7%)Ping An11,9 Mrd.
Supercell (FI, 84%)Tencent8,6 Mrd.
Daimler (DE, 10%)Geely Auto8,4 Mrd.
Pirelli (IT, 46%)ChemChina, SAFE7,9 Mrd.
JL Goslar (DE, 51%)China Western Power7,6 Mrd.
Avolon (IR)Bohai Leasing7,6 Mrd.
Addax Petroleum (CH)Sinopec7,2 Mrd.
Piraeus Port Authority (GR)Cosco6,1 Mrd.
Quelle: American Enterprise Institute

Den grössten Coup landete ChemChina in der Schweiz. Dort lieferten sich die Chemie­konzerne vor vier Jahren einen Bieterkampf zur Übernahme des Agrochemie­herstellers Syngenta. «Das war ein Filetstück der Branche, und alle wollten es haben», erinnert sich ein deutscher Manager, der beteiligt war. Zunächst offerierte Monsanto 35 Milliarden Dollar; Mitbewerber von BASF bis Dow loteten Gebote bis zu 38 Milliarden aus. Aber dann bot ChemChina den Syngenta-Aktionären noch einmal 5 Milliarden mehr. «Da konnte kein anderer mithalten», erzählt der deutsche Chemiemanager.

Was vielen Beobachtern das Blut in den Adern gefrieren liess: ChemChina bezahlte die 43 Milliarden Dollar cash per Überweisung. Dies war zuvor nie bei einer Übernahme in dieser Höhe der Fall gewesen. Es gab zwar in der Wirtschafts­geschichte schon teurere Übernahmen, aber da wurde der Preis in Aktien beglichen.

Kritiker wurden auch beim Vollzug der Übernahme im Jahr 2017 hellhörig. Der Architekt der Übernahme, Syngenta-Präsident Michel Demaré, gab seinen Posten ab, angeblich weil er sich mit ChemChina-Gründer Ren Jianxin überworfen hatte. Dieser übernahm den Präsidenten­posten, wurde allerdings schon nach einem Jahr von Frank Ning abgelöst. Ning präsidiert den staatlichen Chemiekonzern Sinochem und gilt als regimetreue Figur. Auf Geheiss von Peking wird er Sinochem nun mit ChemChina fusionieren. Der Zusammen­schluss wurde nötig, weil sich ChemChina unter anderem mit dem Syngenta-Deal übernommen und hohe Schulden aufgetürmt hat.

Das Personal bekam die Übernahme drastisch zu spüren: Ren Jianxin (links) wird im Juli 2017 Präsident von Syngenta. Neben ihm sitzt sein Vorgänger Michel Demaré. Laurent Gillieron/Keystone

Im Management blieb derweil kein Stein auf dem anderen. Knapp zwei Jahre nach der Übernahme ist fast das ganze Team erneuert. Dies, obwohl die Chinesen versprochen hatten, an Standort und Führungs­crew festzuhalten. Die Zweifel an den Versprechen sind gewachsen, auch weil die Anzahl Stellen am Hauptsitz in Basel von 3300 auf 2800 reduziert wurde. Ganze Abteilungen wurden aus Kostengründen in andere europäische Länder verschoben.

Experten sehen in den Vorgängen allerdings keinen Vertrauensbruch. «Es war der richtige Deal unter den damaligen Umständen», sagt China-Kenner und Übernahme­spezialist Markus Braun von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Es sei ein grosser Gewinn, dass die Chinesen den Hauptsitz mit der Forschungs­abteilung in Basel belassen wollten – zumindest für die nächsten fünf Jahre. Hätte der Käufer nicht ChemChina geheissen, sondern Monsanto, wäre es anders gekommen, ist er überzeugt.

Mehrere China-Experten in der Schweiz teilen die Meinung, dass Gross­investoren aus dem Reich der Mitte standort­technisch vorsichtig agieren. Das hat vor allem mit den Forschungs­abteilungen zu tun, die man nicht einfach so von Europa nach China verschieben könne. «Man hat realisiert, dass das Management am Headoffice einen angemessenen Entscheidungs­spielraum benötigt, damit Forschung und Entwicklung funktionieren», sagt Felix Sutter, Präsident der Wirtschafts­kammer Schweiz-China. Die Chinesen seien sich bewusst, «dass sie sehr gut sind in evolutionärer Entwicklung, aber eher weniger in revolutionärer Innovation».

In der Schweiz hebt sich der Syngenta-Deal nicht nur finanziell, sondern auch thematisch ab. Denn in der wichtigen Pharma- und Chemiebranche lassen sich die Einkäufe seit 2009 an einer Hand abzählen. Das Interesse galt bislang eher den Branchen Luxus, Rohstoffe und Tourismus.

Sanieren und vergolden

Die grössten Übernahmen und Beteiligungen chinesischer Konzerne an Schweizer Unternehmen in den letzten zehn Jahren.

Anleitung: Wenn Sie die Punkte berühren, erhalten Sie die detaillierten Angaben zu den einzelnen Unternehmen. Quelle: Schweizerisches Handelsregister / CRIF.

Die Akzent­verschiebung ist kein Zufall. Seit der Publikation des chinesischen Strategie­plans «Made in China 2025» vor vier Jahren stellen Beobachter eine Fokussierung in Richtung Industrie und Technologie fest – und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa. «Der Strategie­plan ist ein enorm wichtiger Wendepunkt», erklärt ZHAW-Experte Markus Braun. Weil die Staats­verschuldung immer grösser werde und der Verteilkuchen gleich bleibe, müssten die knapperen Mittel zielgerichteter ausgegeben werden.

Auffällig sind die Übernahmen von HNA, einem Konglomerat mit Sitz in der südchinesischen Provinz Hainan. Gleich fünfmal schlug der Tourismus- und Luftverkehrs­konzern zwischen 2015 und 2017 in der Schweiz zu. Aber weil HNA inzwischen ebenfalls überverschuldet ist, soll das meiste wieder veräussert werden. Beteiligungen an der Duty-Free-Kette Dufry und am Board­verpfleger Gategroup ist HNA bereits losgeworden, für die ehemaligen Swissair-Töchter Swissport und SR Technics sucht der Konzern noch Käufer.

Die Situation ist unübersichtlich. HNA wollte Gategroup und Swissport an die Börse bringen, sagte aber beide Versuche wieder ab, kurz bevor es Ernst wurde. Das Interesse war offensichtlich zu klein, und die Tatsache, dass HNA Anker­aktionär bleiben wollte, erschreckte potenzielle Anleger. Auch den 51-Prozent-Anteil an der früheren Erdöllager- und Logistik­sparte des Schweizer Rohstoff­riesen Glencore will der Konzern laut Berichten wieder abstossen.

Im Sommer machte Syngenta erneut Schlagzeilen. Einerseits scheint sich bei den Chinesen die Absicht zu festigen, dass der Agrokonzern mittelfristig wieder an eine europäische Börse gebracht werden soll. Auf der anderen Seite gaben die Aussagen des chinesischen Botschafters in Bern zu reden.

In einem skurrilen Interview sagte Geng Wenbing – ohne einen konkreten Grund anzugeben –, dass die Syngenta-Übernahme kein gutes Geschäft für die chinesische Seite gewesen sei. «Wenn die Schweiz Syngenta zurückhaben will, werde ich ChemChina überzeugen, die Firma wieder zu verkaufen.»

Kenner der Materie zeigen sich hinter vorgehaltener Hand bestürzt über die Unkenntnisse des Botschafters. Dies, weil ja nicht die Schweiz Syngenta verkauft hat, sondern deren internationale Aktionäre. «Es ist höchst peinlich für China, dass ein Botschafter, der keine Ahnung hat, als Staats­vertreter solche Sätze sagen kann», sagt ein Involvierter. Der Konzern beschwichtigte sogleich, es handle sich um die private Meinung des Botschafters.

Die Episode zeigt dennoch: Das Verhältnis zwischen China und den Empfängern seiner Investitions­milliarden ist zunehmend spannungsgeladen.

2. Der Widerstand gegen China wächst

Unmut herrscht über das Schweizer Parlament. Dieses behandelt gerade einen Vorstoss, der es dem Staat erlauben soll, Übernahmen von Schweizer Firmen durch ausländische Gesellschaften aus strategischen Gründen zu verhindern – eine Art Gegenmassnahme zur einseitigen Wirtschafts­politik Pekings, die grosse Firmen­übernahmen in China unmöglich macht.

Dieser Argwohn, so Botschafter Geng, würde der Schweiz schaden: «Seit die hiesigen Medien unsere Investitionen kritisieren, sind weniger chinesische Investoren in die Schweiz gekommen. Sie gehen nach Deutschland.»

Besagter Vorstoss, die sogenannte «Lex China», wurde im Juni im Ständerat angenommen und braucht nun noch die Zustimmung des Nationalrats. Zwar hat sich der Bundesrat dagegen ausgesprochen, da der China-Anteil an den Auslands­investitionen in der Schweiz sehr klein und sensible Infrastrukturen ohnehin in staatlicher Hand seien. Vielen Parlamentariern reicht das nicht als Argument. Einige protestieren mit dem Vorstoss auch gegen den aus ihrer Sicht allzu unkritischen Umgang mit China.

Dieser kommt etwa in einem Freihandels­abkommen zum Ausdruck, das 2014 in Kraft trat und – mit Ausnahme der Bauern – von kaum jemandem infrage gestellt wurde. Das Abkommen gilt als wichtigstes Erbe des ehemaligen Wirtschafts­ministers Johann Schneider-Ammann und führte hauptsächlich zum Abbau von Zoll­schranken. Auch die Absichtserklärung, China beim Ausbau der Neuen Seiden­strasse zu unterstützen, wird zunehmend kritisiert. Der Bundesrat erhofft sich davon Aufträge für Bau­unternehmen und einen erleichterten Marktzugang für die Export­wirtschaft. Konkrete Deals sind noch in weiter Ferne – doch den Prestige­gewinn hat China eingefahren.

Nicht nur in der Schweiz schlägt China ein rauerer Wind entgegen. Sondern auch in anderen, vor allem westeuropäischen Ländern. Hinter den Käufern von Unternehmen in Europa stünde oft der chinesische Staat, heisst es etwa in einem Strategiepapier des deutschen Bundeswirtschafts­ministeriums von 2017. Demnach sei «der Käufer in der Lage, mehr Geld für das Unternehmen zu zahlen und sich so einen Vorteil zu verschaffen». Darum müssten die «europäischen Staaten mehr Möglichkeiten haben, Übernahmen zu prüfen und gegebenenfalls zu unterbinden».

Auch auf EU-Ebene regt sich Widerstand. «Die chinesischen Staatskonzerne verfügen mit der Staatskasse im Rücken über eine unbegrenzte Finanzkraft, das ist kein fairer Wettbewerb», beklagt ein führender EU-Industrielobbyist.

Was konkret geschehen soll, ist jedoch völlig unklar. Das geltende Recht erlaubt es nicht, «gegen den Erwerb eines europäischen Unternehmens vorzugehen, nur weil der Käufer von ausländischen Subventionen profitiert hat», räumt die EU-Kommission ein. Zudem beruht die Furcht vor dem Subventionsdoping auf blossen Annahmen. «Einzelfallbezogene Erkenntnisse zum Einfluss staatlicher Subventionen auf die Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmen im Ausland liegen der Bundesregierung nicht vor», lässt das Deutsche Wirtschafts­ministerium auf Nachfrage verlauten. Mit anderen Worten: Genaues weiss man nicht.

Wang Weidong, Chinas höchster Wirtschafts­diplomat in Berlin, nennt den Subventions­vorwurf darum ein Missverständnis. Der chinesische Staat habe «gar nicht das Geld, um Übernahmen der Staatsunternehmen im Ausland zu bezahlen», sagt er im Gespräch. Auch ChemChina habe seine Einkäufe in Europa nicht nur mit Krediten der staatlichen Banken, sondern auch vom internationalen Kapitalmarkt zu kommerziellen Konditionen finanziert.

Tatsächlich hat ChemChina mit Schulden zu kämpfen. Und auch das Beispiel von HNA zeigt: Chinesische Investoren haben keine unbegrenzte Finanzkraft.

Den Reklamationen haftet deshalb etwas Widersprüchliches an. Nirgendwo wird dies deutlicher als bei der Politik gegenüber den Krisenstaaten Portugal und Griechenland. Deren Regierungen wurden ab 2011 durch die anderen Eurostaaten genötigt, ihren Staatsbesitz zu verkaufen – völlig egal, an wen. Die Privatisierungen sollten Geld in die klammen Staatskassen spülen.

Europäische Investoren waren allerdings kaum interessiert. Chinas Regenten dagegen erkannten die Chance. Und so gelangten Häfen, Strom­gesellschaften und grosse Teile von Portugals Finanz­sektor unter chinesische Kontrolle. «Wir wurden gezwungen, nach markt­wirtschaftlicher Logik zu privatisieren, und verkauften schliesslich an Unter­nehmen des Staats­kapitalismus», sagt Raquel Vaz-Pinto, Politik­wissenschaftlerin an der Universität Lissabon.

Ein Schiff der chinesischen Cosco-Gruppe kehrt heim nach Piräus: Von der EU wurde Griechenland zum Verkauf des Hafens an China gezwungen. Xinhua/Imago Images

Das Ergebnis ist insbesondere in Griechenland brisant, weithin sichtbar im grössten Hafen des Landes in Piräus. Der Küstenstrich auf der Westseite von Athen ist seit mehr als 2500 Jahren Griechenlands Tor zur Welt. Jetzt ist Europa hier, zwischen Fähranlegern, Tanklagern, alten Fabriken und Container­kränen, ausgeprägt chinesisch. Als Griechenlands Reeder anfingen, ihre Schiffe von China bauen und finanzieren zu lassen, holten sie schon 2008 den staatlichen chinesischen Schifffahrts- und Hafen­giganten Cosco nach Piräus. Für 650 Millionen Euro kaufte Cosco die Konzession für zwei Containerpiers. Acht Jahre später erzwangen die Euro-Finanzminister dann die Übergabe des gesamten Hafens an China – ein bizarres Geschäft.

Theodoris Dritsas, damals Schifffahrts­minister, erinnert sich: «Obwohl wir wussten, dass die Chinesen davon profitieren, bestanden vor allem die Deutschen darauf. Ich habe das bis heute nicht verstanden.» In der Folge fand der Zwangs­verkauf ohne Wettbewerber statt und brachte Cosco für nur 280 Millionen Euro die volle Kontrolle. Sogar die Hafen­behörde ist nun in chinesischer Hand und verwandelt die Anlage in eine Art exterritoriales Gebiet. Was rein- und rauskommt, entscheiden allein die Manager aus China.

Gestützt auf Coscos Container­flotte, die drittgrösste der Welt, stieg Piräus vom herunter­gekommen Provinzhafen zum zweit­grössten Umschlag­platz im Mittelmeer auf. Nach eigenen Angaben steuerte die Hafen­firma letztes Jahr 337 Millionen Dollar zur griechischen Wirtschaft bei und schuf 3100 Jobs.

Piräus ist jedoch nur der Anfang. Cosco und die Schwester­firma China Merchant haben sich in weiteren 13 europäischen Häfen von Malta bis Rotterdam eigene Terminals und Anteile gekauft. Droht den Europäern damit ein Verlust der Kontrolle? «Ja, wir verlieren ein Stück Souveränität», meint der frühere französische Premier­minister und China-Experte Jean-Pierre Raffarin, der die Macron-Regierung berät. «Häfen haben strategische Bedeutung, und wir müssen in Europa klären, wie wir damit umgehen.»

Chinas Investitionen in europäische Infrastruktur und Energie

Halogaland-Brücke

Norwegen

Beltstadsund-Brücke

Norwegen

Zeebrugge

Belgien

Rotterdam

Niederlande

Dünkirchen

Frankreich

Antwerpen

Belgien

Le Havre

Frankreich

Encevo

Luxemburg

Budapest-Belgrad

Ungarn/Serbien

Saint-Nazaire

Frankreich

Bilbao

Spanien

Vado Ligure/Genoa

Italien

Pelješac-Brücke

Kroatien

Marseille

Frankreich

Thessaloniki

Griechenland

CDP Reti

Italien

EDP

Portugal

ADMIE

Griechenland

Valencia

Spanien

Piräus

Griechenland

EneMalta

Malta

Hafen

Brücken

Energieversorgung

Bahnstrecke

Chinas Investitionen in europäische Infrastruktur und Energie

Halogaland-Brücke

Norwegen

Zeebrugge

Belgien

Beltstadsund-Brücke

Norwegen

Dünkirchen

Frankreich

Rotterdam

Niederlande

Le Havre

Frankreich

Antwerpen

Belgien

Encevo

Luxemburg

Bilbao

Spanien

Budapest-Belgrad

Ungarn/Serbien

Saint-Nazaire

Frankreich

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Italien

Pelješac-Brücke

Kroatien

CDP Reti

Italien

Thessaloniki

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Valencia

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EDP

Portugal

ADMIE

Griechenland

Piräus

Griechenland

EneMalta

Malta

Hafen

Brücken

Bahnstrecke

Energieversorgung

Eine vertiefte Kooperation ist jedoch fast unmöglich. Europas Hafen­städte scheren sich nicht um Souveränität, sondern liefern sich einen erbitterten Wettbewerb um die Gunst der Investoren. Franck Dhersin, Hafen­manager im französischen Dünkirchen, spricht von «heftiger Rivalität». Alle Häfen würden Werbe­reisen nach China veranstalten, um dort Partner­schaften aufzubauen, sagt er: «Ich komme selbst gerade aus Shanghai.»

Parallel dazu wetteifern die Städte um Industrie­ansiedlungen. Marseille etwa legte in diesem Sommer 6,5 Millionen Euro an Subventionen auf den Tisch, um einen chinesischen Silikon­hersteller zum Bau seiner neuen Fabrik am Hafen zu bewegen und damit den Konkurrenz­standort in Rotterdam auszustechen. Für jeden der versprochenen Jobs ergibt dies 48’000 Euro. Die Holländer konterten mit dem Versand eines Videos vom letzten Streik im Marseiller Hafen, berichtet Philippe Maurizot, Vizechef der städtischen Wirtschafts­abteilung. «Der Wettbewerb ist wirklich hart», sagt er.

Und das nicht nur zwischen den Häfen. Das gleiche Spiel läuft europaweit auf allen Ebenen. Egal ob Kleinstadt oder Metropole, ob Provinz­regierung oder Staatschefs, alle kämpfen mit der gleichen Misere: EU-weit fehlt es seit zehn Jahren sowohl an privaten als auch öffentlichen Investitionen, weil die Politik anders als die USA nach der grossen Finanzkrise auf Sparkurs ging. Noch immer haben die Ausgaben für neue Fabriken und Infra­struktur nicht das Niveau von 2008 erreicht. Das aber macht die Milliarden aus China umso verlockender – und es bringt die Europäer gegeneinander in Stellung.

3. Europa ist abhängig von China

Das strategische Dilemma offenbart der inner­europäische Streit um Chinas Seidenstrassen-Programm. An die 1000 Milliarden Dollar pumpt die Regierung von Partei­chef Xi Jinping in den Bau von Transport­routen auf der ganzen Welt. Auf diese Gelder setzen vor allem die Länder in Ost- und Mittel­europa. Sie gründeten mit Peking die Gruppe «16 plus 1», jüngst mit Griechenland auf 17 erweitert, für die Chinas Regenten grosse Projekte ankündigten. Dabei handelt es sich um ein Sammel­surium von Kraft­werken, Auto­bahnen und Bahn­strecken, meist ausserhalb der Europäischen Union.

Innerhalb der EU hat bisher nur Ungarn ein nennens­wertes Seidenstrassen-Projekt an Land gezogen: eine mit chinesischen Krediten finanzierte Bahntrasse von Budapest nach Belgrad und von dort nach Piräus. Sie soll China einen weiteren Zugang nach Europa verschaffen. Auch der 357 Millionen Euro teure Brücken­bau in Kroatien firmiert als Teil der Seidenstrassen-Initiative. Dies, obwohl die EU-Steuerzahler mehr als vier Fünftel davon bezahlen, während China lediglich die Baufirma stellt.

Brückenbauer: Chinas Premierminister Li Keqiang (rechts) und sein kroatischer Amtskollege Andrej Plenkovic (2. v. r.) besuchen die Grossbaustelle auf der Halbinsel Peljesac. Liu Zhen/China News Service/Getty Images

Trotz der geringen praktischen Bedeutung stellen westliche EU-Politiker den Verbund als Bedrohung dar. Als Beleg führen die Warner stets Griechenland an. Nach der Piräus-Übernahme habe «dieses Mitglieds­land» im Juni 2017 nicht mit der übrigen Union einer Erklärung zu den Menschen­rechten in China zugestimmt, beschwerte sich etwa Handels­kommissarin Cecilia Malmström. «Das untergräbt die europäische Einheit.»

Doch so eindeutig sei dies keineswegs, sagt Nikos Kotzias, der damalige griechische Aussen­minister. Er habe lediglich gefordert, dass alle schweren Menschenrechts­verstösse genannt werden, auch die in Pakistan und Saudiarabien. Das sei aber 2017 nicht geschehen, «weil die grossen EU-Länder die Menschen­rechte für ihre Zwecke instrumentalisieren». Darum habe er sein Veto eingelegt. Ein Jahr später habe die EU-Kommission dann auch die Rechts­brüche in Pakistan angeprangert, «und wir haben zugestimmt».

Als auch Italien im März ein Memorandum of Understanding zur Seidenstrasse mit China unterzeichnete, weil es in Triest auf den gleichen Aufschwung wie in Piräus hofft, warnte wiederum der deutsche Aussen­minister Heiko Maas vor möglichen negativen Folgen: «Wenn einige Länder glauben, dass sie clevere Geschäfte mit China machen, werden sie eines Tages aufwachen und abhängig sein.»

Doch das klingt gerade aus deutschem Mund seltsam: Kein anderes EU-Land ist abhängiger von China. Der Wirtschafts­riese aus Fernost ist der Deutschen grösster Handels­partner. Im Schnitt verkaufen BMW, Daimler-Benz und VW dort ein Drittel ihrer Autos, mehr als in jedem anderen Land. Gleichzeitig sind sie mit chinesischen Unter­nehmen verflochten, allen voran Daimler-Benz, bei dem der private chinesische Auto­konzern Geely und sein staatlicher Wett­bewerber BAIC zwei der drei grössten Aktionäre stellen.

Die wachsende Abhängigkeit von Chinas Riesen­markt macht weit eher erpressbar als Chinas Investitionen in Europa. Selbst Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handels­kammer in China und für die BASF seit 22 Jahren im Geschäft mit dem Einparteien­staat, warnt: «Die Chinesen nutzen skrupellos ihre Wirtschafts­kraft, um politischen Einfluss zu nehmen.»

Das bekamen etwa die Manager von Daimler im Februar 2018 zu spüren. Da hatte es ein Marketing­mitarbeiter gewagt, eine Mercedes-Werbung auf Instagram mit einem Zitat des Dalai Lama zu schmücken. «Betrachte die Situation von allen Seiten, und du wirst offener», riet der Autor den Lesern. Doch aus Sicht der Pekinger Regierung ist schon die Erwähnung des «Separatisten» Dalai Lama ein Verbrechen. Binnen Stunden erhob sich ein Shitstorm, und die Volks­zeitung, das Sprachrohr der kommunistischen Partei, erklärte Daimler zum «Volksfeind». Umgehend nannte der Daimler-Vorstand den harmlosen Sinn­spruch «eine extrem falsche Botschaft», und Dieter Zetsche, bis vor kurzem Konzernchef, erklärte, er «bereue zutiefst das Leid, das der unsensible Fehler über das chinesische Volk gebracht hat».

Ähnlich erging es dem Kamera­hersteller Leica im vergangenen April. Ein im Auftrag der Firma erstellter PR-Film warb mit welt­berühmten Fotografien, darunter auch jenes Bild vom einsamen Demonstranten, der sich 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking den Panzern entgegen­stellt. Prompt erhob sich auch dagegen der national gesteuerte Protest, und die Firma sah sich gezwungen, sich von «den Inhalten distanzieren» zu müssen, und bedauerte «alle Missverständnisse oder falschen Schlussfolgerungen, die gezogen wurden».

VW-Chef Herbert Diess machte sich für das Wohl­gefallen der chinesischen Herren sogar vor laufender Kamera lächerlich. Als ein BBC-Reporter ihn im April fragte, wie er eine Fabrik in Xinjiang betreiben könne, wo China mehr als eine Million muslimischer Uiguren gefangen hält, behauptete er kurzerhand: «Davon weiss ich nichts.» Kurz darauf erklärte ein Konzern­sprecher, Diess wisse es natürlich besser. Aber der TV-Beitrag ist unmissverständlich.

Kein Wunder also, dass die gemeinsame China-Politik der Europäer nicht weit gediehen ist. Zwar haben sich alle Mitglieds­staaten im April verpflichtet, Direkt­investitionen aus Nicht-EU-Ländern der EU-Kommission zu melden. Aber auf klare Regeln für mögliche Verbote mochte sie sich nicht festlegen. Die Kommission darf nur beraten – doch sie darf nicht eingreifen.

Ginge es nach den Brüsseler Kommissaren, dann würde die EU auch hart dagegen vorgehen, dass europäische Investoren in China engeren Grenzen unterliegen als umgekehrt. Noch sperrt die chinesische Regierung dreizehn Wirtschafts­sektoren – von der Agrarproduktion über den Flugbetrieb bis zu den Medien – für ausländische Unternehmen. Europäer können auch nicht in die wichtigen chinesischen Staats­unternehmen einsteigen, während den chinesischen Staatsfirmen umgekehrt die privaten Firmen in Europa offenstehen. Seit fünf Jahren verhandelt die Kommission darum ein Investitions­abkommen mit China. Aber noch ist nicht viel passiert.

So folgt die EU in Schlangen­linien den Interessen ihrer Mitglieder. Doch das kann nicht mehr lange gut gehen. Denn jetzt eskaliert der Wirtschafts­krieg zwischen der alten Super­macht im Westen – den USA – und der neuen Macht im Osten – China. Und Europa droht dabei zum Schlachtfeld zu werden.

Exemplarisch ist der Streit um den Telecom­hersteller Huawei. Dieser ist das erste chinesische Unternehmen, das zum Weltmarkt­führer aufstieg. Aber das will die Trump-Regierung nicht zulassen: Sie fordert, alle Geschäfte mit dem begehrten Lieferanten einzustellen. Tschechien und Polen sind dem bereits gefolgt, in Frankreich und Deutschland dürfen Telecom­betreiber aber nach behördlicher Prüfung weiter mit Huawei arbeiten. Die US-Regierung drohte in einem nächsten Schritt europäischen Hightech­lieferanten von Huawei mit der Sperrung des US-Markts. Schon musste der britische Chip­designer ARM sein Milliarden­geschäft mit Huawei aufgeben.

Was würde geschehen, wenn die US-Regierung dieses Vorgehen auch auf andere Branchen ausdehnt? Wie wird Europa reagieren, wenn China umgekehrt Vertrags­treue und damit den Bruch mit den USA fordert?

Die Ökonomen Jean Pisani-Ferry, Berater von Präsident Macron, und Guntram Wolff, Chef der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, schrieben dazu eigens ein Memo für die künftige EU-Kommission. Eine Entkoppelung der EU-Wirtschaft sei nicht im Interesse Europas, mahnen sie: «Die zentrale Aufgabe der EU wird es daher, ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verteidigen und gleichzeitig mit beiden, den USA und China, stark verbunden zu bleiben.»

Das könnte jedoch nur gelingen, wenn die europäischen Staaten an einem Strang ziehen – inklusive der Schweiz, deren wichtigster Handelspartner mit grossem Abstand die EU bleibt. Doch die Zeit dafür wird langsam knapp.

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