Serie «Homestory» – Folge 13

When the Man Comes Around

Bei EDU-Präsidentin Lisa Leisi erfahren unsere Reporter, was passiert, wenn das Jüngste Gericht kommt. Oskar Freysinger, die Walliser SVP-Seele, erzählt von seinem persönlichen Erweckungs­erlebnis. Wahljahr-Serie «Homestory», Folge 13.

Von Daniel Ryser, Olivier Würgler (Text) und Goran Basic (Bilder), 29.08.2019

«Alles, was in der Bibel voraus­gesagt wurde, wird sich erfüllen. Ob die Menschen das glauben oder nicht»: Lisa Leisi.

«Lisa Leisi, als Wahl­kämpferin der EDU: Wenn Sie wählen müssten zwischen Calvin, Zwingli und Luther – welcher dieser drei Reformatoren ist Ihnen am sympathischsten?»

«Ich möchte nicht wählen. Die Reformation war wichtig. Gegen den Ablass­handel, gegen den Missbrauch der Kirche. Dass das Wort Gottes für uns alle lesbar wurde. Wir alle sollen uns ein Bild machen können von der Bibel. Da soll uns niemand vorschreiben, wie wir das zu verstehen haben.»

«Waren Sie mal in Jerusalem?»

«Ja.»

«Waren Sie in der Grabeskirche?»

«Ja.»

«Wie hat das auf Sie gewirkt?»

«Ein Riesen­geschäft. Tourismus. Nichts für mich.»

«Pilgern ist eher etwas Katholisches und Orthodoxes, oder?»

«Ja. Ich selbst habe auch nicht wirklich eine Pilger­reise gemacht, viel eher eine Erkundungs­reise in das Land, in dem Jesus gelebt hat. Ich habe eine spezielle Beziehung zum Land Israel. Zum Volk Israel. Zum auserwählten Volk. Es hat für Gott eine spezielle Bedeutung. Das Alte Testament. Jesus ist ein Jude. Das Christentum ist daraus entstanden. Ich bin überzeugt, dass Gott mit dem Volk Israel Geschichte schreibt.»

«Können Sie das erklären?»

«Lesen Sie die Bibel. Gott hat das Volk auserwählt und an ihm, seinem Volk, ein Exempel statuiert. Er hat es im Alten Testament wegen seiner Untreue und Gottlosigkeit bestraft, zerstreut, schwierige Wege gehen lassen, und doch hatte er immer wieder Erbarmen, zur Umkehr geworben und sich seiner angenommen. Und es wurde in der Bibel voraus­gesagt, dass das auserwählte Volk in das Land Israel zurück­kehren wird. Und das erleben wir jetzt. Es ist ein Wunder. Die Staaten­gründung ist ein Wunder. Dass wieder Hebräisch gesprochen wird, ist ein Wunder. Die Sprache war tot und ist auferstanden. Alles, was in der Bibel voraus­gesagt wurde, wird sich erfüllen. Ob die Menschen das glauben oder nicht.»

«Glauben Sie an die Offenbarung des Johannes?»

«Ja. Auch wenn ich nicht alles klar einordnen kann. Aber irgend­wann werden wir es alle sehen und verstehen.»

«Das Jüngste Gericht?»

«Es wird kommen. Es wird vorher eine grosse Schlacht geben. Jesus wird sein Friedens­reich aufbauen, und es wird eine neue Erde geben.»

Serie «Homestory»

Zwei seriöse Republik-Reporter touren kreuz und quer durch die Schweiz und suchen Politikerinnen heim. Sie wollen die Demokratie retten … obwohl, nein, eigentlich wollen sie sich vor allem betrinken und dass die Politiker sie nicht mit Floskeln langweilen. Das ist «Homestory» – die Wahljahr-Serie. Zur Übersicht.

Folge 3

Pro­te­stan­ti­sche Disziplin, ka­tho­li­scher Genuss

Folge 4

Lust for Life

Folge 5

Highway to the Danger Zone

Folge 6

Und täglich grüsst das Murmeltier

Folge 7

Like a Prayer

Folge 8

Black Hawk Down

Folge 9

Brokeback Olten

Folge 10

Kommando Leopard

Folge 11

In einem Land vor unserer Zeit

Folge 12

Straight White Male

Sie lesen: Folge 13

When the Man Comes Around

Folge 14

Die Posaune des linksten Gerichts

Folge 15

Guns N’ Roses

Folge 16

Wir Sonn­tags­schü­ler des Li­be­ra­lis­mus

Folge 17

Alles wird gut

Folge 18

Höhenluft

Folge 19

Im Osten nichts Neues

Folge 20

Here We Are Now, Entertain Us


Messe Luzern, Halle 2, am Stand der SVP. Der Urner Landrat Martin «Tini» Huser bedient das Glücksrad. Es hat mehrere Felder: die weissen SVP-Schafe, die das schwarze Schaf aus dem Land kicken. Bedrohliche schwarze Raben, die auf dem Grundriss der Schweiz herum­picken. Das SVP-Logo. Das Minarett-Logo. Das sind die Gewinner­felder. Die Verlierer­felder tragen das Nato- und das EU-Logo sowie das Zeichen der Euro-Währung. Besonders scharf sind wir auf den Hauptpreis: einen Tag mit der SVP im Bundeshaus. Endlich mal die Schwatz­bude von innen aufmischen. Zweiter Preis: SVP-Pasta. Leider landen wir beim ersten Mal auf dem Nato-Feld und das zweite Mal beim Euro und gewinnen gar nichts.

«Wir haben ja diese Energiekreise, diese Chakren»: Oskar Freysinger.

Nebenan signiert Oskar Freysinger, die Walliser SVP-Seele, Exemplare seines Jahrhundert­romans «Bergfried» sowie sein autobiografisches Werk «Die dunkle Seite des Lichts». Stolz teilt der Wahlkampf­leiter für die SVP-Romandie mit, dass von ihm bald ein Thriller erscheint: «Rote Asche». Eine Geschichte aus der Russischen Revolution. Wir Sonntags­schüler des Investigativ­journalismus haben für diesen Tag nur eine Frage vorbereitet: «Wie wird man zum Mystiker, Herr Freysinger, gab es da Schlüssel­momente in Ihrem Leben?»

Zwei Dinge, sagt Freysinger. Einerseits, als man ihm 2002 sein Haus angezündet habe. «Ein Drittel des Dachs ist weggebrannt. Wären die ältesten beiden Kinder in ihrem Zimmer gewesen, wären sie tot. 100’000 Franken Sachschaden. Ich war sechs Monate wie gelähmt.» Andererseits, sagt der SVP-Wahlkampf­leiter, eine Erfahrung, deren Folgen ihn stark beeinflusst hätten: «1997 hatte ich wie angeworfen eine schwere Depression. Der Ausweg aus dem Leiden hat mich für immer geprägt.»

Mit der Politik habe er damals noch nichts am Hut gehabt, sei bloss Lehrer gewesen, Vater von drei Kindern, habe sich gerade den Traum vom Eigenheim erfüllt gehabt, habe an der Kantons­schule Literatur unterrichtet, «was gar keine Arbeit war, sondern meine Leidenschaft». Doch vom einen auf den anderen Tag, sagt Freysinger, hätten die Farben nicht mehr geleuchtet, alles habe fad geschmeckt, und wenn es draussen heiss war, habe er trotzdem gefroren. Sein Leben sei von einem Grauschleier überzogen gewesen. «Hätte man mir damals gesagt, ich sei in zehn Minuten tot, hätte ich geantwortet: mir doch scheissegal.» Nach drei Monaten habe er sich seiner Frau anvertraut, und die habe ihn in eine Therapie geschickt. «Eine Magnetfeld­therapie», sagt Freysinger.

«Eine was?»

«Ich war bis dahin immer der intellektuelle Typ gewesen, glaubte nicht an Esoterik. Damals habe ich erkannt, dass es Dinge gibt, die ich nicht kontrollieren kann, die unser Bewusst­sein übersteigen.»

«Was bedeutet das?»

«Meine Herren, Sie glauben es nicht. Es ist mir jetzt noch unverständlich, was ich damals erlebt habe. Aber ich habe es erlebt. Es begann als einfache Massage. Dann musste ich mich auf den Rücken drehen. Langsam dämmerte ich weg. Die Therapeutin legte eine Hand auf das Zwerch­fell, die andere auf den Hals. Und dann, zack! Unter ihren Händen wurde es brennend heiss, aber es brannte nicht. Wie der Dornbusch in der Bibel, der nicht verglüht. Die Frau hob die Hände, und es bildete sich ein Energie­bogen, der durch meinen Körper ging. Es war, als würde man tausend Orgasmen subsumieren. Ein Glücks­gefühl, von dem ich wollte, dass es niemals aufhört. Wenn ein Paradies existiert: Ich war dort. Und dann, auf einen Schlag, war es vorbei. Ich stand auf, verliess das Haus, und die Farben erstrahlten wieder. Ich nahm wieder alle Gerüche in vollen Zügen wahr, das Grau war verschwunden.»

«Aber wie ist das möglich, Herr Freysinger?»

«Wir haben ja diese Energie­kreise, diese Chakren. Die Therapeutin hat mir erklärt, dass bei mir beide Chakren im Uhrzeiger­sinn gelaufen sind, im Sinne von Tod. Das ist der Unterschied zwischen der Swastika der Hindus und der Swastika der Nazis. Im Gegen­uhrzeiger­sinn, wie sie bei den Hindus verläuft, schenkt die Swastika Lebens­energie, weil sie sich dem Raum-Zeit-Kontinuum widersetzt.»

«Ergibt Sinn.»

«Wenn die Swastika im Uhrzeiger­sinn läuft wie bei den Nazis, dann gehst du mit der Zeit mit. Man nennt es das Todes­prinzip. Das Haken­kreuz ist die todbringende Sichel. Deswegen hatten die Nazis auch Toten­köpfe auf ihren Mützen. Man hat bei ihnen sofort gesehen, dass diese Typen den Tod bringen.»

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Pro­te­stan­ti­sche Disziplin, ka­tho­li­scher Genuss

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