Was diese Woche wichtig war

Rätsel um Epstein, Proteste in Hongkong, Krise in Italien, Atomunfall in Russland – und die Top-Storys

Woche 33/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Ronja Beck, 16.08.2019

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Jeffrey Epstein ist tot, viele Fragen bleiben

Darum geht es: Am Samstag­morgen wurde der US-Financier Jeffrey Epstein tot in seiner Zelle aufgefunden. Er soll sich im Gefängnis in Manhattan erhängt haben, meldeten die Behörden. Der vorbestrafte Sexual­straftäter Epstein befand sich seit dem 6. Juli in Haft und wartete auf seinen Prozess. Er soll zwischen 2002 und 2005 einen Sexhandelsring betrieben haben mit Dutzenden minder­jährigen Mädchen. Zudem soll er die Mädchen sexuell missbraucht haben. Epstein bekannte sich bereits 2008 teilweise schuldig in der Sache. Dank einem ausser­gerichtlichen Deal wurde er jedoch lediglich zu 18 Monaten Haft verurteilt, nach 13 Monaten war er wegen «guter Führung» wieder frei. Aufgrund weiterer Enthüllungen, unter anderem des «Miami Herald», nahm die New Yorker Staats­anwaltschaft den Fall wieder auf.

Warum das wichtig ist: Erst vor wenigen Wochen wurde Epstein bewusstlos und mit Verletzungen um den Hals in der Zelle aufgefunden. Kurz zuvor war sein Antrag auf Entlassung gegen Kaution abgelehnt worden. Gefängnis­beamte hatten den Vorfall als Suizid­versuch gewertet und Epstein unter besonders strenge Beobachtung gestellt, genannt suicide watch. Diese wurde am 29. Juli, nach sechs Tagen, wieder aufgehoben. Wieso die Anordnung nur für so kurze Zeit galt, ist unklar. Justiz­minister William Barr äusserte sein Entsetzen über den Suizid und hat den General­inspektor seines Ministeriums angeordnet, neben dem FBI die Umstände von Epsteins Tod zu untersuchen. Gemäss einem Bericht der «New York Times» sollen die beiden Wachpersonen am Samstag in der Abteilung von Epstein eingeschlafen sein. Epstein sei über drei Stunden unbewacht gewesen. Währenddessen soll sich Epstein mit dem Bettlaken erhängt haben, berichteten verschiedene US-Medien. Die Angestellten hätten versucht, ihre Untätigkeit in den Akten zu vertuschen. Sie gaben an, wie angeordnet jede halbe Stunde nach Epstein geschaut zu haben. Sie wurden in der Folge suspendiert. Zudem sei der Direktor des Gefängnisses versetzt worden, bis die Untersuchung von Epsteins Tod abgeschlossen sei, teilte das Justiz­ministerium mit. Der Tod von Jeffrey Epstein, der Freundschaften pflegte bis in die oberste Elite – wie zum Beispiel mit Bill Clinton, Prinz Andrew und Donald Trump –, löste die heftigsten Spekulationen aus. In einem Interview sagte Bill de Blasio, Bürger­meister von New York City, der Tod von Epstein komme «einfach zu gelegen», da seien zu viele seltsame Dinge zugleich passiert. Harvard-Professor Laurence Tribe sprach von einer Vertuschung zugunsten «vieler mächtiger Männer». Donald Trump befeuerte auf Twitter Verschwörungs­theorien, wonach Bill Clinton der Strippen­zieher hinter Epsteins Tod gewesen seien soll.

Was als Nächstes geschieht: Mit Epsteins Ableben stellt sich zunächst die Frage, ob dadurch die Ermittlungen zum Erliegen kommen. Die Staats­anwaltschaft bekräftigte noch am Samstag, die Untersuchung im Fall Epstein weiterzuführen. Es wird zudem erwartet, dass die Opfer nun auf ziviler Ebene klagen und Schaden­ersatz einfordern. Eine 32-jährige Frau hatte bereits am Mittwoch Klage gegen Epsteins Nachlassverwalter und mehrere Mitarbeiter von ihm eingereicht, darunter Ghislaine Maxwell, die massgeblich an dem Mädchenhandel beteiligt gewesen sein soll. Es ist zudem möglich, dass die Staats­anwaltschaft weitere mutmassliche Mittäter von Epstein identifiziert und ein Strafverfahren gegen sie eröffnet.

Hongkong: Protestierende besetzen Flughafen, Intervention von China befürchtet

Darum geht es: Protestierende haben den Flughafen­betrieb in Hongkong zeitweise zum Erliegen gebracht, Hunderte Flüge mussten gestrichen werden. Bereits am Freitag wurde im Flughafen protestiert. An den darauf­folgenden Tagen eskalierte die Situation auf den Strassen und im Flughafen, es kam zu gewalt­tätigen Zusammen­stössen mit der Polizei. Gleichzeitig kursierten in den sozialen und chinesischen Medien Videos von mehreren Dutzend chinesischen Militärfahrzeugen, die in Shenzhen einfuhren, einer Stadt, die an Hongkong grenzt.

Allein unter Protestierenden: Ein Fluggast sucht am Flughafen von Hongkong einen Ausweg. Kin Cheung/AP/Keystone

Warum das wichtig ist: Seit zehn Wochen und beinahe täglich kommt es in Hongkong zu Protesten und Kämpfen mit der Polizei. Auslöser der Proteste war ursprünglich ein umstrittener Gesetzes­entwurf, der die Auslieferung an Festlandchina ermöglichen soll. Doch die Bewegung richtet sich längst gegen die Polizei­gewalt und verlangt freie Wahlen. Am Mittwoch hatte der Flughafen eine einstweilige Verfügung gegen die Protestierenden erwirkt. Diese entschuldigten sich mit Flugblättern und Plakaten bei den Passagieren. Derweil sorgten die Bilder der einfahrenden chinesischen Paramilitärs in Shenzhen international für Besorgnis. Satelliten­bilder sollen Dutzende Fahrzeuge im Innern des Fussballstadions von Shenzhen zeigen. Donald Trump tweetete am Dienstag, die chinesische Regierung schicke laut dem Geheimdienst Truppen vor die Stadt. Das chinesische Staatsmedium «Global Times» berichtet hingegen lediglich von einer «gross angelegten Übung» der paramilitärischen bewaffneten Volkspolizei. China hatte erst kürzlich mit militärischer Intervention gedroht. Am Montag sagte Yang Guang, Sprecher des Büros für Hongkong, die Proteste offenbarten «Zeichen des Terrorismus», und sicherte der Hongkonger Polizei Unterstützung zu. Unterdessen hat China zwei Schiffen der US Navy die Einfahrt in den Hafen von Hongkong untersagt.

Was als Nächstes geschieht: Am kommenden Sonntag soll es zu einer Grosskundgebung für direkte Wahlen kommen, drei Millionen Menschen sollen sich angemeldet haben. An einer Pressekonferenz stellte sich Regierungs­chefin Carrie Lam hinter die Polizei. Fragen nach einem Rücktritt liess sie unbeantwortet. Inzwischen hat sich das UN-Menschenrechts­büro zu den Eskalationen geäussert und verurteilte das Vorgehen der Beamten. Es solle eine externe Untersuchungs­kommission eingesetzt werden.

Salvini stürzt Italien in Regierungskrise

Darum geht es: Der Senat in Italien hat es am Dienstag abgelehnt, in derselben Woche ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte abzuhalten. Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini hatte noch für diese Woche ein Votum verlangt. Die Fünf-Sterne-Bewegung, Bündnis­partner der rechten Lega, und der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) sowie kleinere Linksparteien hatten sich in dem Entscheid gegen Salvini zusammengetan.

Warum das wichtig ist: Die Regierungs­koalition der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega ist definitiv am Ende. Der Bruch war seit Monaten absehbar, und der Streit über ein Bahnprojekt hatte das Bündnis jüngst stark beschädigt. Vergangenen Donnerstag hat Salvini schliesslich Neuwahlen verlangt – faktisch also die Koalition aufgekündigt. Von einer schnellen Neuwahl würde vor allem Salvini profitieren, seine Lega hat sich seit den Wahlen 2018 in den Meinungs­umfragen von gut 17 Prozent auf 38 Prozent verbessert. Im Gegensatz zur Fünf-Sterne-Bewegung, ihre Werte haben sich halbiert. Für deren Chef Luigi di Maio würden Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt ein klares Verlust­geschäft bedeuten. Damit es jedoch überhaupt so weit kommen kann, muss zuerst Minister­präsident Giuseppe Conte zurücktreten. Ein Misstrauens­votum gegen Conte hätte die Sache für Salvini beschleunigen sollen. Dass sich nun der eigentlich opponierende Partito Democratico und die Fünf-Sterne-Bewegung zusammengetan haben, ist für den Innen­minister ein heftiger Rückschlag.

Ich sage, wo es langgeht: Lega-Chef Matteo Salvini fordert ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte. Simona Granati/Corbis/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Der Senat lehnte das Misstrauens­votum zwar ab, beschloss aber, dass Premier Conte am 20. August zur Krise Stellung nehmen muss. Ob es anschliessend zu einem Misstrauens­votum kommen wird, ist nicht garantiert, aber möglich. Sollte sich das Parlament im Fall eines Votums gegen Conte entscheiden, muss Staatspräsident Sergio Mattarella über das weitere Vorgehen entscheiden. Entweder findet sich ein neues Regierungs­bündnis, oder Mattarella löst die Kammern auf und lässt in frühestens zwei Monaten wählen. Salvini strebt ein neues Bündnis mit den rechtsextremen Fratelli d’Italia und mit Silvio Berlusconis Forza Italia an. Es ist jedoch fraglich, ob dieses Bündnis zustande kommt. Gleichzeitig wird spekuliert, ob sich die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten zusammenschliessen könnten. So rief der ehemalige Minister­präsident Matteo Renzi (PD) in einer Pressekonferenz zur Kooperation auf.

Tote und Verunsicherung nach Atomunfall in Russland

Darum geht es: Auf einem militärischen Testgelände nahe der Stadt Sewerodwinsk im Norden Russlands ist es am 8. August zu einer Explosion gekommen. Mindestens sieben Menschen wurden dabei getötet, drei weitere wurden verletzt. Bei den Verstorbenen handelt es sich um zwei Militär­angehörige und fünf Atom­spezialisten des nuklearen Staats­konzerns Rosatom. Der Konzern bestätigte am Samstag, dass es sich um einen atomaren Unfall handelte. Er ereignete sich auf einer Testplattform im Weissen Meer.

Warum das wichtig ist: Wurde Strahlung freigesetzt, und wenn ja, wie viel? Die Bevölkerung in den Orten nahe der Unfallstelle wartete eine Antwort nicht ab. Kurzerhand habe sie die Jodbestände in mehreren Apotheken aufgekauft, berichteten verschiedene Medien. Die Behörden widersprachen sich derweil. Das russische Verteidigungs­ministerium meldete noch am Tag des Unfalls normale Strahlenwerte. Im gut 30 Kilometer entfernten Sewerodwinsk jedoch habe man erhöhte Werte gemessen, meldete die Stadt. Die Mitteilung wurde kurze Zeit später aber vom Netz genommen. Zudem wurde am Donnerstag­abend das Fernseh­programm in Moskau während einer Stunde für eine Sturmwarnung unterbrochen – der Sturm blieb jedoch aus. Die löchrige und fragwürdige Kommunikation sorgte bei der Bevölkerung – mit wacher Erinnerung an Tschernobyl – für Unmut. Auch weshalb es zum Unfall kam, ist bis jetzt unklar. Laut US-Geheimdienst soll der atomare Marsch­flugkörper «Skyfall» involviert gewesen sein, berichtet die «New York Times». Der Kreml gibt sich in der Sache bisher bedeckt. Die «Burevestnik» oder «Skyfall» genannte Rakete wurde 2018 von Putin präsentiert und soll dank eines kleinen atomaren Reaktors eine unbegrenzte Reichweite haben.

Was als Nächstes passiert: Am Dienstag meldete die russische Wetter­behörde, die Strahlung in der Stadt Sewerodwinsk sei zeitweise um das 16-Fache angestiegen. Auch wurde eine kurzzeitige Evakuierung der nahe gelegenen Ortschaft Njonoksa angeordnet, dann jedoch wieder abgesagt. Was mit dem explodierten strahlenden Material geschehen ist, ist zurzeit offen. Atomexperte Alexander Nikitin vermutet, dass es in Anbetracht der nur kurzzeitigen Strahlenerhöhung ins Wasser gefallen ist.

Zum Schluss: Die Bomben, die zum Glück keine waren

Am Wochenende war in Zürich Street Parade – tanzen, feiern, Ekstase, wie jedes Jahr. Nur dieser einsame orangefarbene Rucksack am Utoquai, der war 2019 neu. Das fiel auch einem aufmerksamen Bürger auf, der kurz nach 20 Uhr die Polizei über die herrenlose Tasche informierte. Und die Beamten zögerten nicht: Das Gebiet um den Rucksack wurde grossräumig gesperrt, die Parade umgeleitet, der Entschärfungs­roboter zum Einsatz gebracht. Kabel, Metallteile, mit Flüssigkeit gefüllte Plastik­flaschen – auf den ersten Blick waren da tatsächlich mehrere Rohrbomben im Rucksack verstaut. Und doch fehlten wesentliche Komponenten wie ein Zünder oder Sprengstoff. Die potenziell tödlichen Sprengkörper entpuppten sich bei der forensischen Untersuchung als Attrappen. Bereits am Samstag nahm die Polizei einen 35-jährigen Mann fest, liess ihn jedoch wieder gehen. Am Sonntag wurde schliesslich ein 31-jähriger Mann aus dem Aargau verhaftet. Er habe die Tat gestanden, vermeldeten die Behörden. Sein Motiv ist unklar, gegen den Mann wird wegen Schreckung der Bevölkerung ermittelt. Tief sass dieser Schrecken bei den Teilnehmern der Parade nicht: 850’000 Menschen feierten, grösstenteils friedlich, den Tag und die Nacht hindurch.

Top-Storys: Wandernde Gedanken und der übliche Hass im Internet

K Man nennt sie the savant, die Gelehrte. Ihren Namen darf man nicht lesen, es würde sie wohl ihr Leben kosten, sagt K. Zuerst marine, dann Polizistin, stürzt sie sich heute in den Hass, der sich jeden Tag auf ihrem PC-Bildschirm ergiesst. Und enttarnt so potenzielle Attentäter im Netz, bevor sie zu wahrhaftigen werden. Das meisterlich geschriebene Porträt über eine Frau, die Sie nicht kennen dürfen, lesen Sie in der «Cosmopolitan».

Parteienschacher Wer in Österreich in der Politik das Sagen hat, hat es auch in der Wirtschaft. Die Anzahl parteinaher Manager in staatsnahen Betrieben ist eng an die jeweilige Regierung geknüpft. Was nach dem Zweiten Weltkrieg begann, hält bis heute an, zeigt das österreichische Medienprojekt «addendum» in anschaulichen Grafiken.

Alpträume Über das Wandern wird viel geschrieben, natürlich, wir sind ja hier in der Schweiz. Aber selten liest sich das so schön wie diese Woche auf KSB, dem unabhängigen Kultur­magazin von Bern.

Old Time Road So heisst das Lied, das uns alle seit Monaten verfolgt. Kein Song war bisher länger an der Spitze der US-Charts. Dabei hatte Lil Nas X, der in seiner Debütsingle gemeinsam mit Country-Mann Billy Ray Cyrus singt, vor einem Jahr noch bei seiner Schwester auf dem Boden geschlafen. Das «Time Magazine» hat dem 20-jährigen Shootingstar ein Porträt gewidmet. Und ihm gleich noch etwas Platz auf dem Cover gemacht.

Was diese Woche wichtig war

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