Aus der Arena

Fall ETH: Finanz­kontrolle empfiehlt Transparenz – und eine unabhängige Ombudsstelle

Von Christof Moser, 11.07.2019, Update 20.00 Uhr

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Gravierende Führungs­mängel, Sexismus, Korruption – es waren harte Vorwürfe, die Physik­­professorin Ursula Keller im Interview mit der Republik gegen die ETH Zürich erhob. Auslöser für ihren Gang an die Öffentlichkeit war das Versagen der internen Prozesse bei der Untersuchung der Mobbing­vorwürfe gegen Astronomie­professorin Marcella Carollo.

Die Vorwürfe von Professorin Keller führten zu einer Administrativ­untersuchung – und zu einer ausserordentlichen Prüfung der Mittelvergabe an der ETH durch die Eidgenössische Finanz­kontrolle EFK. Jetzt sind die Resultate der EFK publik. Und sie geben Professorin Keller in wesentlichen Punkten recht. Ebenso benennen die Kontrolleure explizit ein Problem, das zur Feststellung der Republik führte, die ETH Zürich habe im «Fall Carollo» systemisch versagt.

Dossier «Fall ETH»

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Erste Erkenntnis: Die Kontrolleure des Bundes stellten «eine teilweise fehlende Transparenz» in der Mittel­zuteilung fest. Diese berge «das Risiko von tatsächlicher und wahrgenommener Benachteiligung», die sich «nachteilig» auf die ETH Zürich auswirke – und die behoben werden sollte.

Als problematisch beurteilt die Eidgenössische Finanzkontrolle, wenn über Budgets instituts­übergreifend keinerlei Transparenz bestehe. Dafür gebe es «keine nachvollziehbare Begründung», so die Kontrolleure. Von den beiden durch die Finanzkontrolle geprüften Departementen betrifft diese fehlende Transparenz den Bereich für Chemie und Angewandte Biowissenschaften.

Es ist einer der wesentlichen Punkte, die Professorin Keller auch im Physik­­departement bemängelte. Seit einer Änderung der Geschäfts­ordnung 2013 hätten «nicht mehr alle Professoren und Professorinnen Zugang zu Informationen über die Mittelvergabe im Departement, sondern nur noch die des jeweiligen Instituts», kritisierte sie im Interview.

Die Finanzkontrolle empfiehlt der ETH Zürich, über die Höhe der ordentlichen Budgets und Zusatz­finanzierungen Transparenz zu schaffen, «sodass Klarheit über die Verteilung der Mittel entsteht». Beim zweiten untersuchten Departement, jenem für Umwelt­wissenschaften sei diese instituts­übergreifende Transparenz gegeben.

Nicht festgestellt hat die EFK eine systematische Benachteiligung von Professorinnen bei der Mittelvergabe, wie von Professorin Keller kritisiert. Einzelfälle seien allerdings nicht überprüft worden. Die ETH Zürich erklärte in einer Medienmitteilung, man begrüsse den «Hinweis» der EFK und werde die Umsetzung von verbindlichen Transparenzregeln bei der Budget­zuteilung «systematischer als bisher berücksichtigen».

Zweite Erkenntnis: Brisant sind Ergebnisse der ausserordentlichen Prüfung, welche die EFK unter «weitere Erkenntnisse» zusammenfasst. Sie betreffen ein Kernproblem der ETH im Umgang mit dem «Fall Carollo», das einer der zentralen Punkte war in den Recherchen der Republik: die Befangenheit oder fehlende Unabhängigkeit der Ombuds­personen.

«Aktuell setzt sich die Ombudsstelle aus drei Personen zusammen, die allesamt langjährige, ehemalige oder aktuelle Mitarbeitende der ETH Zürich sind», schreibt die EFK. «Im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit einer solchen Anlaufstelle scheint die Besetzung aus internen Personen oder solchen, die während langer Zeit in anderer Funktion an der ETH tätig waren, nicht zielführend.»

Die Empfehlung der Kontrolleure: eine unabhängige, externe Anlauf- oder Ombudsstelle, «die über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt».

Wie die anderen Empfehlungen hat die EFK auch diese mit der höchsten Prioritätsstufe (Stufe 1 von 3) versehen.

Das Aufsichtsorgan der mit allen PR-Wassern gewaschenen ETH Zürich verschickte unmittelbar nach der Publikation des Untersuchungs­berichts der EFK auch die Ergebnisse der Administrativ­untersuchung, die ebenfalls aufgrund der Vorwürfe von Professorin Ursula Keller eingeleitet worden war.

Die Untersuchung betrifft das Physik­departement, das im «Fall Carollo» in die Kritik geriet. Die entscheidenden Punkte sind in der Medienmitteilung sehr gut versteckt. Im Wesentlichen entlastet dieser Bericht die ETH jedoch.

Die vom ETH-Rat beauftragte Treuhandfirma BDO, so teilt der ETH-Rat mit, sieht bei Mittelvergaben im Physik­departement «alle Regeln eingehalten». Die Mittel würden «rechtmässig, sachgerecht und hinreichend transparent» verteilt. Untergeschoben ist der Satz: Die ETH-Aufsicht unterstütze jedoch die von der Finanzkontrolle geforderte verstärkte Transparenz.

Weiter kam die BDO zum Schluss, dass Leitungsposten im Physik­departement transparent und nachvollziehbar vergeben würden. Jedoch sollten Wahlvorschläge künftig mit einem Anforderungs­profil versehen werden. Hinweise auf Korruption und Amts­missbrauch liegen laut der BDO keine vor.

Die Republik zweifelte in ihren Recherchen die von der ETH-Aufsicht selbst in Auftrag gegebenen Administrativ­untersuchungen grundsätzlich an. «Die ETH untersucht sich damit selbst», kritisierte auch Professorin Ursula Keller im Gespräch mit der Republik, nachdem die Untersuchung von der ETH eingeleitet worden war.

In einem internen Bericht, den die Republik veröffentlichte, wies auch der ETH-Rechtsdienst auf die Probleme und Schwierigkeiten solcher Administrativ­untersuchungen hin. Zum Beispiel den Umstand, dass die Suche nach geeigneten Fachpersonen schwierig sei, «die überhaupt im Stande» seien, diese Administrativ­untersuchungen durchzuführen.

Das Aufsichtsgremium ETH-Rat nimmt die Ergebnisse der Administrativ­untersuchung nichtsdestotrotz «mit Befriedigung» zur Kenntnis.

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