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Grundeigentum schlägt Medienfreiheit

Von Dominique Strebel, 28.06.2019

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Am Gartenzaun ist Schluss für die Medien­freiheit. So lässt sich der Entscheid des Bezirks­gerichts Luzern zusammen­fassen. Einzel­richter Peter Studer verurteilt die Journalistin Jana Avanzini wegen Hausfriedens­bruchs, weil sie im April 2016 ein besetztes Grund­stück betreten hatte, um für das Online­magazin «Zentralplus» darüber zu berichten.

Zwar setzt der Richter die Strafe der Journalistin herab – er verzichtet auf die bedingte Geldstrafe, die der Staats­anwalt beantragt hatte, und spricht nur eine Busse aus –, doch in der Sache bleibt er hart:

  1. Nach Auffassung des Gerichts konnte die Journalistin nicht damit rechnen, dass die Eigentümerin ihren Aufenthalt duldet. Als sie das Grund­stück betreten habe, habe sie gewusst, dass die Gespräche zwischen den Besetzern und der Eigentümerin gescheitert waren und die Räumung angedroht war. Mit anderen Worten: In den Augen des Einzel­richters hat Avanzini vorsätzlich gehandelt, als sie das Grundstück betrat und damit Hausfriedens­bruch beging.

  2. Das öffentliche Interesse an Informationen rechtfertigt gemäss dem Luzerner Bezirks­gericht im konkreten Fall den Hausfriedens­bruch nicht. Das Interesse wiege zu wenig schwer. Zudem meint Einzel­richter Peter Studer in seiner schriftlichen Kurzbegründung zum Urteils­dispositiv: «Eine Bericht­erstattung über die Haus­besetzung war ohne das Betreten des Hauses nicht schlichtweg unmöglich.» Er verweist auf einen Entscheid des Bundes­gerichts aus dem Jahr 2001 (BGE 127 IV 166). Dieses höchst­richterliche Urteil ist allerdings schon damals von der Rechtslehre und von den Medien stark kritisiert worden.

  3. Jana Avanzini hat gemäss Bezirks­gericht nicht annehmen dürfen, dass sie als Journalistin das Grundstück betreten darf. «Bei entsprechender Sorgfalt hätte sie diesen Irrtum vermeiden können», schreibt Einzel­richter Studer. Ein Verbots­irrtum liege aber trotzdem vor. Deshalb spricht er nur eine Busse von 500 Franken aus.

Die Journalistin muss neben der Busse auch die Verfahrens­kosten von insgesamt 1796 Franken, eine Entschädigung für die Kosten des Anwalts des Gross­industriellen Jørgen Bodum von 3000 Franken sowie die Kosten der eigenen Anwältin tragen. Ob sie das Urteil weiterziehen wird, steht noch nicht fest.

Urteil des Bezirksgerichts Luzern 2Q1 19 13 vom 26. Juni 2019.

Zur Transparenz

Dominique Strebel ist Medienrechts­dozent (und Studienleiter) an der Schweizer Journalistenschule MAZ, Mitgründer des Schweizer Recherche­netzwerkes «investigativ.ch» und hat das Crowdfunding von Jana Avanzini unterstützt.

Jana Avanzini hat bereits einen Artikel für die Republik publiziert, der jedoch nichts mit dem vorliegenden Fall zu tun hat.

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