Herd und Hof

Dürfen wir Ihnen einen Wucheraufschlag berechnen?

Von Michael Rüegg, 31.05.2019

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Neulich ging eine Nachricht durch die Tages­presse. Sie handelte von einem Paar, dem in einem Restaurant im nordenglischen Manchester versehentlich ein 5600 Franken – je nach Quelle sogar 6000 Franken – teurer Bordeaux zum Preis von 330 Franken serviert worden war.

Eine schöne Geschichte. Zumal die Kellnerin des Steakhouses Hawksmoor, die am Malheur schuld war, gemäss Angaben des Restaurants nicht dafür entlassen wurde.

Als Durchschnitts­konsument mit einem Flair für nette Weine denkt man: Fünf Tausender­noten sind schon nicht wenig für eine Flasche. Zumal andere viel gelobte Jahrhundert­weine zwar immer noch sündhaft teuer, aber deutlich günstiger zu haben sind.

Was war das für ein Wein? Ein Château Le Pin 2001 aus der Appellation Pomerol, in der sogenannten Rive gauche des Bordelais. Also eine der berühmtesten Gegenden der Welt, aus der allerdings auch bezahlbare Tropfen stammen.

Schauen wir uns doch mal den Markt­wert für eine Flasche Château Le Pin an. Zuvor muss man allerdings wissen, dass Le Pin ein sehr kleiner Produzent ist. Von einem Château, wie man es sich vorstellt, mit Türmchen und Burg­graben, ist auf dem Gut keine Spur. Stattdessen würde man als Besucher einen neumodischen Klotz vorfinden, den man fälschlicherweise für das Ferien­haus eines exzentrischen Parisers halten könnte.

Der Betrieb produziert nur ein paar hundert Kisten pro Jahr, aber das in anhaltend hoher Qualität, gepriesen von den Wein­kritikern aus nah und fern. Und man weiss: Je weniger von etwas Gutem da ist, desto begehrter ist es. Dabei waren die Preise nicht immer astronomisch hoch. Den ersten Jahr­gang gabs in den Siebzigern für rund 100 Franken.

Aber spulen wir vor, zum Jahr 2001. Der Markt­wert einer Flasche Le Pin aus diesem Jahr­gang beläuft sich gemäss dem auf Wein­investitionen spezialisierten Portal «Cult Wines» derzeit auf umgerechnet 3870 Franken. Das Steakhouse hatte den Wein für 5730 Franken auf der Karte. Macht ein Zapfgeld von über 1800 Franken.

Bei Erscheinen im Jahr 2003 schlug eine Flasche Le Pin 2001 mit etwa 450 Franken zu Buche. Vorausgesetzt, man gehörte zu den Glücklichen, die ein Kistchen oder eine Flasche ergattern konnten. Nehmen wir an, der Einkäufer der Restaurant­gruppe (Hawksmoor hat mehrere Betriebe in Grossbritannien) erwarb den Le Pin erst etwas später, zum Beispiel im Jahr 2006. Damals kostete die Flasche um die 650 Franken. Der Preis stieg in der Folge an, vor drei Jahren betrug der Marktwert bereits um die 2000 Franken. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Hawksmoor-Leute den Le Pin erst so kürzlich angeschafft haben. Aber selbst in einem solchen Fall würde die Marge auf eine Flasche Le Pin 2001 beim heutigen Ausschank satte 3730 Franken betragen.

Die Restaurant­kette kann das Missgeschick ihrer Kellnerin also locker verschmerzen, sofern in den kommenden Jahren mindestens ein Tisch eine Flasche Le Pin bestellt.

Nicht beantwortet ist allerdings die Frage, wem solche exorbitanten Aufschläge etwas bringen. Dem Gast bestimmt nicht. Da können Wirte noch so jammern, sie würden nur mit teurem Wein Geld verdienen. Abzocke ist Abzocke.

Da trinken wir unseren Pomerol lieber zu Hause. Auch wenn wir ihn erst fünfzehn Jahre im Keller lagern müssen. Auch weniger teure Bordeaux aus vernünftigen Jahr­gängen legen an Wert zu. Aber keiner haut einem daheim ein Zapfgeld drauf.

Selbst wenn wir die Gläser von Hand abwaschen und die Flasche selber zum Altglas­container tragen müssen – kein Recycling­gang dieser Welt ist ein paar Tausend Franken wert.

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