Briefing aus Bern

Das liebe Geld: der Kantone, der Parteien und für die Armen

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (56).

Von Andrea Arezina, Urs Bruderer und Dennis Bühler, 09.05.2019

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Die Schweiz sei eine Willensnation, heisst es am 1. August jeweils landauf, landab. Weniger betont wird, dass dem Willen zum Zusammen­halt nachgeholfen wird. Und zwar mit Geld.

Über den nationalen Finanzausgleich wird Geld von den reichen zu den armen Kantonen verschoben. Damit die reichen nicht ohne Ende die Steuern senken, noch mehr reiche Leute anziehen, noch reicher werden und die Steuern noch mehr senken. Und damit in den armen Kantonen nicht die gleiche Spirale dreht, nur in umgekehrter Richtung.

Damit man auf der Fahrt von Zug nach Delsberg nicht den Eindruck gewinnt, von einem Eldorado in ein Entwicklungs­gebiet zu geraten.

Etwa 5 Milliarden Franken werden so jedes Jahr umverteilt. Wie genau, ist furchtbar kompliziert. Und hat sich soeben ein wenig verändert. Die Geber zahlen ein bisschen weniger, der Bund ein bisschen mehr, die Nehmer können damit leben. Die pflicht­bewusstesten Medien haben die Sache einigermassen aufgedröselt (die NZZ und das «Echo der Zeit»).

Man kann sich aber auch in Unkenntnis der Details einfach darüber freuen, dass der Nationalrat den neuen Finanz­ausgleich mit nur drei Gegen­stimmen angenommen hat. Es ist in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit, dass der Wille zum Zusammen­halt auch etwas kostet.

Und damit zu kleineren, umstrittenen Geldbeträgen, zum Briefing aus Bern.

Parteispenden: Ständeräte wollen ein wenig Transparenz

Worum es geht: Kaum ein Land leistet sich bei der Parteien­finanzierung so viel Intransparenz wie die Schweiz – ein Zustand, der inzwischen nicht einmal mehr im als Dunkel­kammer verschrienen Ständerat goutiert wird. Dessen Staats­politische Kommission (SPK) hat am Dienstag einen indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative vorgestellt, für die SP, Grüne, BDP, EVP, Piratenpartei und Transparency International Schweiz im Jahr 2017 rund 110’000 Unterschriften gesammelt hatten.

Wie ernst meint es der Ständerat? Dass er Handlungs­bedarf sieht, überrascht. Bisher hat das Parlament sämtliche Vorstösse für mehr Transparenz in der Parteien­finanzierung abgelehnt. Doch der ständerätliche Gegen­vorschlag setzt die Schwellen­werte höher an als die Volksinitiative. Im Parlament vertretene Parteien sollen nur Zuwendungen über 25’000 Franken ausweisen müssen. Die Initiantinnen fordern eine Offenlegungs­pflicht ab 10’000 Franken. Auch bei Wahl- und Abstimmungs­komitees hält sich die SPK zurück: Erst wenn sie mehr als 250’000 Franken ausgeben, sollen sie Spenden transparent machen müssen. Und das auch nur bei Spendern, die mehr als 25’000 Franken beitragen. Die Volks­initiative sieht entsprechende Schwellen von 100’000 respektive 10’000 Franken vor.

Wie es weitergeht: Die Vernehmlassung zum SPK-Vorschlag dauert bis Ende August. Klar ist schon jetzt: Die Initiative wird nicht zurückgezogen. Die von der SPK gesetzten Schwellen­werte seien inakzeptabel, heisst es in einer Medien­mitteilung des Initiativ­komitees. Laut Umfragen wünschen rund drei Viertel der Stimmbürger mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. Zur Abstimmung kommt die Initiative nächstes oder übernächstes Jahr. In den Kantonen Schwyz und Freiburg angenommene Volks­begehren deuten darauf hin, dass ihre Chancen nicht schlecht stehen.

Gehobener Mahnfinger bei der Entwicklungshilfe

Worum es geht: Die Entwicklungs­zusammenarbeit soll neu ausgerichtet werden. Der zuständige Bundesrat Ignazio Cassis möchte einen anderen Fokus setzen und die Entwicklungs­zusammenarbeit stärker mit der Migrations­politik verknüpfen. Das löst im Inland wie im Ausland Skepsis aus.

Was Sie wissen müssen: Die Schweiz will sich auf fünf Schwerpunkt­regionen konzentrieren: Nordafrika, den Mittleren Osten, Subsahara-Afrika, Asien und Osteuropa. In 12 Ländern soll das Engagement bis 2024 zurückgefahren werden. Neu würde sie Entwicklungs­hilfe in 34 Ländern statt heute 46 leisten. Von der Bündelung erhofft sich der Bundesrat eine grössere Wirkung. Dagegen hat auch niemand etwas einzuwenden. Die Verknüpfung der Entwicklungs­zusammenarbeit mit der Migrations­politik stösst jedoch auf Kritik. Der Bundesrat stellt in seinem Bericht die Bekämpfung der Ursachen irregulärer Migration ins Zentrum. Alliance Sud, die Organisation der grössten Schweizer Entwicklungs­organisationen, findet das falsch: Kurzfristig gedachte Projekte, welche die Migration vor allem verhindern wollten, seien nicht sinnvoll, sagt die Fachverantwortliche. Kritik kommt auch aus dem Ausland. Die OECD fordert die Schweiz auf, viel eher mit langfristigen Projekten die Armut zu bekämpfen und Jobs zu schaffen. Bundesrat Cassis versichert, dem werde auch Rechnung getragen. Die Schaffung von Arbeits­plätzen vor Ort stehe für die Schweiz auch im Zentrum.

Wie es weitergeht: Die Eckwerte der Entwicklungs­zusammenarbeit für die nächsten vier Jahre sind ausformuliert. Jetzt gehen die 51 Seiten in die Vernehmlassung. Bis im Sommer haben Parteien und Organisationen Zeit, sich zu äussern.

So viele Kandidatinnen wie nie

Worum es geht: Dass im Ständerat nach den Wahlen 45 Männer sitzen würden und nur eine Frau – dieses Szenario schien vor ein paar Monaten möglich. Heute sieht alles ganz anders aus. Denn es kandidieren so viele Frauen für den Ständerat wie wohl noch nie.

Was Sie wissen müssen: Derzeit gibt es 6 Ständerätinnen. 2003 waren es noch 11. Der Frauenanteil geht seither zurück. Warum? «Der Rückgang hat mit dem Einbruch des Frauen­anteils bei der FDP zu tun. In den Neunziger­jahren waren die Freisinnigen die Treiberinnen des Vormarsches der Frauen im Stöckli», sagt Politologe Werner Seitz und fügt hinzu: «CVP und SVP haben es also nicht geschafft, auf bürgerlicher Seite die Verluste der FDP-Frauen zu kompensieren.» Aktuell stellt die CVP 11 Ständeräte und 2 Ständerätinnen. Für die SVP sass noch nie eine Frau im Stöckli. Als letzten Herbst alles darauf hindeutete, dass nur noch eine Frau im Ständerat sitzen könnte, schlug die bürgerliche Frauen­organisation Alliance F Alarm. Mit ihrer Kampagne «Helvetia ruft!» machte sie auf die fehlenden Frauen in der Politik aufmerksam. Auch der bevor­stehende Frauenstreik hat die Aufmerksamkeit auf die Unter­vertretung der Frauen in der Politik gelenkt und damit wohl geholfen, dass nun 36 Frauen für den Ständerat kandidieren werden.

Wie es weitergeht: Vielleicht wird es noch mehr Anwärterinnen für den Ständerat geben, noch haben nicht alle Parteien ihre Nominations­versammlungen abgehalten. Doch auf gleich viele Frauen wie Männer im Ständerat darf man dennoch nicht hoffen: Echte Wahlchancen haben derzeit wohl höchstens 11 Kandidatinnen. Damit wäre immerhin der Stand von 2003 wieder erreicht.


Und noch dies: Luzerner Staatsanwaltschaft entlastet

Das vorläufige Schlusskapitel im Fall Villiger ist verfasst. Wir erinnern uns: Der Zuger Regierungsrat Beat Villiger hatte der Mutter seines ausser­ehelichen Kindes sein Auto überlassen, obwohl er wusste, dass sie keinen Führer­ausweis hatte. Danach legte er einen angeblichen Kaufvertrag vor, der beweisen sollte, dass der Wagen gar nicht mehr ihm gehört hatte. Die Staatsanwaltschaft des Nachbarkantons Luzern stellte das Strafverfahren ein, weil sie kein zu ahndendes Fehlverhalten erkannte – im Gegensatz zu einer Privat­person, die Anzeige gegen die Staats­anwaltschaft Luzern eingereicht hatte. Der Vorwurf: Begünstigung und Amtsmissbrauch.

Gestern wurde publik: Der vom Kanton Luzern für die Untersuchung eingesetzte pensionierte Zürcher Strafverfolger Ulrich Weder hat die beiden angezeigten Luzerner nun entlastet – den fallführenden Staats­anwalt und dessen Chef. Der möglicherweise frisierte Kaufvertrag sei keine Urkunde, ergo könne auch nicht der Vorwurf der Falsch­beurkundung erhoben werden.

Der zweite ursprüngliche Verdacht betrifft das «mehrfache Überlassen eines Motor­fahrzeuges an eine Lenkerin ohne den erforderlichen Führer­ausweis». Hier sei der Ermessens­spielraum korrekt ausgenutzt worden. Will heissen: Es war in Ordnung, die Sache nicht weiterzuverfolgen, mögliche Schuld hin oder her. Das wird andere Beschuldigte freuen, gegen die wegen solcher Delikte künftig in Luzern ermittelt wird.

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