Briefing aus Bern

Frauenstreik, Expertenkrieg – und die Traumpaare für den Ständerat

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (53).

Von Andrea Arezina und Urs Bruderer, 18.04.2019

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Gummistiefel sind längst zum modischen Accessoire geworden. Es gibt sie in allen Farben, mit und ohne Absätze. Aber Vroni Peterhans denkt wohl an das klassische grüne Modell, wenn sie dem «SonntagsBlick» erzählt, dass sie in Stiefeln an den Frauenstreik gehe, um auf einen Sumpf aufmerksam zu machen.

Reisetag ist der 14. Juni, und der Sumpf ist einer von Ungleichheit. Vroni Peterhans, Vize­präsidentin des Katholischen Frauen­bundes, ist wütend. Sie geht gegen die männlich geprägten Strukturen und Skandale innerhalb der Kirche auf die Strasse.

Der letzte Frauenstreik fand vor 28 Jahren statt. Braucht es das Ganze im Jahr 2019 wirklich noch? Leider ja. Frauen verdienen je nach Erhebungs­methode immer noch zwischen 12 und 20 Prozent weniger als Männer. Und hartnäckiger noch als die Löhne halten sich die Strukturen in den Köpfen. In männlichen und weiblichen.

Die Universität Yale führte ein Experiment durch und schickte Professoren und Professorinnen die exakt gleichen Bewerbungen für einen zu besetzenden Chef­posten. Einziger Unterschied: In die Bewerbungen wurde mal ein männlicher, mal ein weiblicher Name eingefügt. Das Geschlecht war der einzige Unterschied in den Unterlagen.

Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Das Geschlecht hatte einen deutlichen Einfluss auf die Bewertung. Männer wurden häufiger ausgewählt als Frauen. Und ihnen wurde ein höherer Einstiegs­lohn angeboten. Eine Auswertung der Daten zeigte, dass Frauen als weniger kompetent wahrgenommen werden. Auch die Professorinnen schätzten Bewerberinnen schlechter ein als Bewerber.

Um den Sumpf der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern trockenzulegen, wird ein Tag nicht reichen. Aber am 14. Juni wird er nur schwer zu übersehen sein. Der Frauenstreik wird gross, darauf deuten die Vorbereitungen im ganzen Land hin.

Und damit zum Briefing aus Bern.

Krieg der Experten

Worum es geht: Um Kritik am Rahmen­abkommen mit der EU, diesmal von der Wirtschafts­kommission des National­rates. Der Vertrags­entwurf sei «nicht hinreichend» und werde an den Bundesrat zurückgewiesen mit der Auflage, «ein Verhandlungs­ergebnis zu präsentieren, das die ‹roten Linien› respektiert». So steht es in einer Stellungnahme der Kommission.

Was Sie wissen müssen: Das Rahmen­abkommen ist längst zum Prügel­knaben der Schweizer Politik geworden. Wer hat noch nicht kritisiert? Wer will noch mal? Auch Experten beteiligten sich im Auftrag der Nationalrats­kommission an der Aufgabe, am Verhandlungs­ergebnis kein gutes Haar zu lassen. Neu ist, dass die Experten der Bundes­verwaltung zurückschiessen. In einer detaillierten Stellung­nahme, die der NZZ vorliegt, von den National­räten aber nicht veröffentlicht wurde, widersprechen sie insbesondere dem ehemaligen Efta-Gerichts­präsidenten Carl Baudenbacher. Er kritisierte die vorgesehene Schieds­gerichts­lösung scharf. Die Verwaltung relativiert auch die von einem andern Experten erwähnte Gefahr weitreichender Folgen auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen. Vor allem aber sieht die Bundes­verwaltung kaum Chancen, dass das Abkommen nachverhandelt werden könne. Realistischer seien allenfalls Präzisierungen in der Form gemeinsamer Erklärungen, die am Abkommen selber nichts ändern.

Wie es weitergeht: Im Sommer entscheiden National- und Ständerat, ob der Bundesrat zu Nachverhandlungen aufgefordert werden soll oder auch nur dazu, geeignete Massnahmen zu ergreifen. Und dann ist der Bundesrat wieder am Zug. Sicher ist nur: In der Schweiz hat es niemand eilig. Im Herbst sind Wahlen. Frühestens nächstes Jahr wird über die Initiative der SVP zur Kündigung der Personen­freizügigkeit mit der EU abgestimmt. Bis dahin ist das Rahmen­abkommen innenpolitisch wohl zu heikel, als dass es ernsthaft angegangen werden könnte.


Spielend zum erfolgreichen Schulabschluss

Worum es geht: Alle sind für Chancen­gleichheit. Doch dafür getan wird nicht viel. Jetzt bewegt sich eine National­rats­kommission ein wenig. Sie will die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung fördern. Damit alle Kinder mit gleicheren Chancen ins Leben starten.

Was Sie wissen müssen: Es geht weder um Früh­chinesisch noch um Programmieren für Mädchen. Kinder haben einen natürlichen Bewegungs- und Lern­drang, und diesen gelte es zu unterstützen, sagt Heinz Altorfer von der Unesco-Bildungs­kommission. Die Wissenschaft ihrerseits kommt in zahlreichen Studien zum Schluss, dass frühes Lernen einen positiven Effekt auf spätere Erfolge in Schule und Berufs­bildung hat. Doch in der Schweiz fehlt ein flächen­deckendes Angebot an Spiel­gruppen und Kitas. Mit der Früh­förderung hat sich auch die nationalrätliche Bildungs­kommission einen Nachmittag lang befasst. Bis auf die SVP und Teile der FDP waren alle dafür. Bei der Frage, wie das zu finanzieren sei, gab es zwar ein Hin und Her. Doch am Schluss einigte man sich darauf, in zehn Jahren insgesamt zehn Millionen Franken in die Früh­förderung zu stecken, und fand auch das Kässeli dafür.

Wie es weitergeht: Das Geld steht ab 2022 bereit. Überdies befasst sich die Kommission mit einem Vorschlag von CVP-Nationalrat Philipp Kutter. Demnach soll der Bundesrat eine Strategie zur Früh­förderung erarbeiten und klären, ob der Bund sich stärker engagieren soll und ob Gesetzes­änderungen nötig sind.


Wer rockt den Ständerat?

Es wurde viel gelacht über den Vergleich, den Daniel Jositsch (SP) und Ruedi Noser (FDP) für sich selber ins Spiel brachten, am meisten lachten wohl sie selber. Einzeln seien sie zwar Durchschnitt, sagten die beiden Zürcher Stände­räte im Interview mit dem «Tages-Anzeiger», gemeinsam aber seien sie wie die Rolling Stones. Und die grösste Rock’n’Roll-Band der Welt wird natürlich wieder gewählt. Doch wenn etwas dran ist am Vergleich, dann trifft auch zu, dass Noser und Jositsch jetzt Konkurrenz erhalten – und zwar von Madonna. «Die beiden Herren haben es sich etwas gemütlich eingerichtet», sagte die GLP-National­rätin Tiana Angelina Moser, als sie in einem Interview mit der NZZ bekannt gab, dass auch sie ins Rennen um den Ständerat einsteige. Jositsch schaffte es vor vier Jahren im ersten Wahlgang in den Ständerat. Gut möglich, dass ihm das im Herbst wieder gelingt. Im zweiten Wahlgang könnte es dann Noser gegen Moser heissen – und knapp werden für den Mann. Bei den Zürcher Kantons­rats­wahlen im März machten auf allen Listen auffällig viele Frauen das Rennen. Und jüngere Frauen nehmen neu vermehrt an Wahlen teil. Und was wären Moser und Jositsch dann für ein Paar? Beyoncé und Eros Ramazotti?

Sammeldebatte geschlossen

Wir haben die Sammeldebatte für das Briefing aus Bern aufgehoben. Die alten Dialogbeiträge können Sie hier nachlesen.

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