Briefing aus Bern

Zickzackkurs der SVP, Millionensaläre – und zwei Initiativen für die Umwelt

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (50).

Von Andrea Arezina, Urs Bruderer und Simon Schmid, 28.03.2019

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Das Klima stand weit oben auf der politischen Agenda: Grüne und Freisinnige forderten eine dringliche Klima­debatte im Parlament. Die SP wollte sogar eine Sonder­session einberufen.

Anstoss dafür war der Klima­bericht der Uno, der besagte, dass die globale Durchschnitts­temperatur und der Meeres­spiegel steigen und Gletscher schneller schmelzen werden.

Eine ausserordentliche Debatte um den «dramatischen Klimawandel» fand schliesslich statt. Fünf Stunden dauerte sie und führte zu 23 überwiesenen Vorstössen, unter anderem für eine ökologische Steuer­reform, Steuer­vorteile für umweltfreundliche Autos und ein Forschungs­programm für die Geothermie.

Das war im Jahr 2007.

Zwölf Jahre später kommt es zu einem grünen Erdrutsch­sieg bei den Kantonsrats­wahlen in Zürich. Wie die Zeit vergeht.

Und damit zum Wichtigsten der Woche.

Saläre bei der UBS und der CS

Was bisher geschah: Die Salär­politik der Schweizer Gross­banken erhitzt die Gemüter. Der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder, Vater der Abzocker­initiative, ist frustriert: «Am Schluss erhalten doch alle ihr Geld.» Und Cédric Wermuth, SP-Nationalrat aus dem Aargau, droht in der Sonntagspresse mit einer Neuauflage der 1:12-Initiative. Sogar die NZZ schreibt: «Es ist Zeit, die Lohn­systeme der Credit Suisse und der UBS einer Revision zu unterziehen.»

Was Sie wissen müssen: Im März wird jeweils bekannt, wie viel Lohn die Chefs von grossen Unternehmen im vergangenen Jahr erhalten haben. Die diesjährige Aufstellung gibt zu reden. Weit oben auf der Rangliste landet Sergio Ermotti: Der UBS-Chef erhielt 14,1 Millionen Franken. Sein Pendant bei der Credit Suisse, Tidjane Thiam, bekam 12,7 Millionen – ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bei gleichzeitigem Einbruch des Kurses der CS-Aktie um fast 40 Prozent. Eine Auswertung der Beratungs­firma HCM zeigt: Seit der Annahme der Abzocker­initiative 2013 sind die Cheflöhne von Schweizer Firmen nur minimal gesunken. Von 2017 auf 2018 stiegen die Gehälter sogar an: um 2,3 Prozent im Schnitt von 44 Firmen.

Wie es weitergeht: Vermutlich passiert – wenig. Anleger werden zwar an General­versammlungen sporadisch ihren Unmut bekunden, und Politiker werden sich auch in Zukunft über Millionen­saläre empören. Dass die Unternehmen aber ihre komplexen Salär- und Bonus­systeme grundlegend überdenken, ist nicht in Sicht. Manager­löhne, deren Höhe in keinem nachvollziehbaren Zusammen­hang stehen, wird es auch in Zukunft geben.

Gesinnungswandel bei der SVP

Was bisher geschah: Die Krankenkassen-Franchise steigt nun doch nicht. Die SVP-Fraktion schwenkte um und lehnte die Vorlage in der Schluss­abstimmung ab.

Was Sie wissen müssen: Eigentlich waren sich National- und Ständerat einig. Wenn die Gesundheits­kosten wachsen, soll auch die Franchise automatisch ansteigen. Dieser Selbstbehalt der Patientinnen wäre demnach etwa alle vier Jahre um 50 Franken gestiegen. Doch in letzter Minute überlegte es sich die SVP anders. Dabei hatte die Partei die Vorlage stets unterstützt. Und 2016 reichte sogar ein Grossteil der SVP-Fraktion einen Vorstoss für die Erhöhung der Mindest­franchise auf 500 Franken ein. Weshalb dieser Gesinnungs­wandel? Es sei nicht richtig, die Krankenkasse auf Kosten der Kranken zu sanieren, sagte SVP-Präsident Albert Rösti. Das riecht nach einem Wahlkampf­manöver. Die SP hatte schon mit dem Referendum gedroht. Die benötigten 50’000 Unterschriften hätte die Linke gemeinsam mit dem Konsumenten­schutz zusammengebracht, und über die Erhöhung der Franchisen wäre noch im Wahl­jahr abgestimmt worden.

Wie es weitergeht: Die Vorlage ist vorerst vom Tisch. Im Sommer wird der Bundes­rat ein erstes Massnahmen­paket zur Dämpfung der Gesundheits­­­kosten präsentieren. Gut möglich, dass nach den Wahlen die Franchise wieder Thema wird.

Doppelinitiative der Umweltverbände

Was bisher geschah: Es soll ein Doppel­schlag werden für den Umwelt­schutz in der Schweiz. Vier Verbände haben diese Woche zwei Initiativen vorgestellt. Die Biodiversitäts­initiative will die Arten­vielfalt in der Schweiz sichern. Und die Landschafts­initiative will das Bauen ausserhalb der Bau­zone eindämmen.

Was Sie wissen müssen: Die Umwelt­verbände werben mit eindrücklichen Zahlen für ihre Anliegen. So sind in der Schweiz im internationalen Vergleich sehr viele Arten bedroht und nur gerade 6,2 Prozent der Fläche unter Schutz gestellt – weniger als in allen anderen Ländern der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammen­arbeit und Entwicklung). Zudem wird in der Schweiz sehr viel gebaut, wo eigentlich nicht gebaut werden sollte: Zwischen 1985 und 2009 sei ausserhalb der Bauzone mehr Fläche überbaut worden, als die Städte Zürich, Basel, Bern und Genf zusammen bedecken, so die Initianten. Sie fordern nun einerseits, mehr Flächen zu schützen und mehr Geld für Natur und Bio­diversität auszugeben. Andererseits soll das Bauen ausserhalb der Bau­zonen eingeschränkt werden.

Wie es weitergeht: Die vier Verbände (Pro Natura, Stiftung Landschafts­schutz Schweiz, Birdlife Schweiz, Schweizer Heimat­schutz) sammeln Unterschriften. Mit ihren Initiativen wollen sie auch Druck auf das Parlament ausüben, das derzeit das Gesetz über das Bauen ausserhalb von Bauzonen überarbeitet. Die Verbände befürchten, dass man sich im Bundes­haus zu sehr vielen Ausnahmen vom eigentlichen Bauverbot ermuntert sehen könnte, nachdem die schlecht geplante Zersiedelungsinitiative im Februar klar abgelehnt worden ist.

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