Aus der Arena

Eine humane Bestrafung für Verfassungsbruch

Von Michael Rüegg, 28.03.2019

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Der Nationalrat besitzt ein grosses Privileg. Die Rede ist nicht von seinen Mitgliedern, die wohl das eine oder andere Goodie geniessen. Nein, der Rat als Ganzes ist privilegiert.

Er kann nämlich gelegentlich wonnevoll einen völligen Mist beschliessen. Denn berät er eine Vorlage zuerst, geht sie danach an den Ständerat. Und der Ständerat gilt als die besonnenere der beiden Kammern, die gelegentlich die Kolleginnen im Nationalrats­saal zurückpfeift.

So hätte es auch bei der Motion von Fabio Regazzi geschehen sollen. Der Tessiner CVP-Nationalrat wollte, dass «Jihadisten» auch dann in ihre Heimat­länder abgeschoben werden können, wenn man sie nach Ankunft zum Beispiel foltern oder töten wird. Bislang war es nicht erlaubt, Menschen abzuschieben, wenn ihnen eine unmenschliche Bestrafung droht.

Doch dann geschah das Unvorher­gesehene: Der Ständerat stimmte wie schon der Nationalrat dem Vorstoss zu. Upslä, dachte nun die eine oder andere National­rätin. Hätte ich doch nachgeschaut, worums geht, bevor ich aufs Knöpflein drückte.

So weit die Fakten.

102 Nationalrats­mitglieder und 22 im Stöckli haben der Motion des Tessiner Christ­demokraten zugestimmt. Sie haben damit einen Vorschlag unterstützt, der nicht nur die Bundes­verfassung, sondern auch das Völker­recht verletzt. (Darunter die Europäische Menschen­rechts­konvention, die Uno-Antifolter­konvention und die Uno-Flüchtlingskonvention.)

Damit haben sich die 124 Volks­vertreterinnen nicht ganz legal verhalten. Denn mit dem von ihnen abgelegten Amtseid schwören sie, die Werte der Bundes­verfassung zu respektieren.

Haben sie aber nicht.

Nun kennt unser Gesetz keine Möglichkeiten der Sanktion gegenüber Parlamentariern für den Fall von nachgewiesenem eklatantem Verfassungs­bruch. Eine Möglichkeit für eine relativ humane Bestrafung würde allerdings das Schweizer Bürger­rechts­gesetz bieten. Zumindest für einen kleinen Teil der Ja-Stimmenden, nach letzter Zählung deren sechs.

Die sechs Volksvertretenden besitzen nämlich nicht nur die Schweizer, sondern auch eine ausländische Staats­bürgerschaft. Ihnen müsste das Staats­sekretariat für Migration nun den Schweizer Pass wegnehmen. Denn:

Art. 42 Bürgerrechtsgesetz
Das SEM kann mit Zustimmung der Behörde des Heimatkantons einer Doppelbürgerin oder einem Doppelbürger das Schweizer, Kantons- und Gemeindebürgerrecht entziehen, wenn ihr oder sein Verhalten den Interessen oder dem Ansehen der Schweiz erheblich nachteilig ist.

Zweifellos schaden die Zustimmung zum Bruch zwingender völkerrechtlicher Verpflichtungen und der ausdrückliche Wille, Menschen in die Folter oder den Tod zu schicken, dem Ansehen unseres Landes. Schliesslich berufen wir uns gerne und stolz auf unsere humanitäre Tradition.

Auch einer nachfolgenden Abschiebung der sechs Parlamentarier in ihr jeweils verbleibendes Heimat­land stünde nichts im Weg. Denn die Slowakei, Italien und Frankreich gelten als sichere Herkunfts­länder. Die Damen und Herren Politikerinnen dürften also keiner unmenschlichen Bestrafung ausgesetzt sein. Ganz im Gegenteil zu den Jihadisten, auf die sie es abgesehen haben.

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