Fotobuch

Heldinnen des Alltags

Hannah Starkey: Photographs 1997–2017

Ausschliesslich Frauen bevölkern die Bilder der in Belfast aufgewachsenen, seit 25 Jahren in London ansässigen Fotografin. Diese Wahl ist ein Statement.

Von Barbara Villiger Heilig, 11.03.2019

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Es geht um Frauen, einzig und allein. Um eine spezifische Sichtweise der Weiblichkeit: selbstbewusst, entspannt, empathisch, liebevoll. Schon auf den Bildern, die Hannah Starkey zum Abschluss ihrer Ausbildung am Londoner Royal College of Art ausstellte, tauchten nur Frauen auf. Vielleicht war es ein Zufall, jedenfalls aber wurde daraus bald eine erklärte Absicht.

Frauen standen normalerweise nicht hinter, sondern vor dem Objektiv, wohingegen Starkey beschloss, sich – als Fotografin und als Frau – dem zu widmen, was sie seither zu ihrem umfassenden Thema gemacht hat. Man könnte es la condition féminine nennen.

In den zwanzig Jahren von 1997 bis 2017 wuchs das Werk der nordirischen Fotografin (geboren 1971 in Belfast) zu einem konsistenten Korpus heran. Ein Buch dokumentiert diesen Weg. Man versinkt darin. Es erzählt Geschichten, die über den Moment der Aufnahmen hinausweisen, ihn erweitern zu Lebensläufen zwischen Mädchen­träumen und Erwachsenen­realität. Nichts Dramatisches. Alltägliche Situationen: unspektakulär und gerade deshalb vielsagend, egal ob sie soziale Interaktion zeigen oder Selbstvergessenheit ausdrücken. Wobei das eine das andere oft mit einschliesst.

Das Geheimnis von Starkeys Bildern liegt unter ihrer Oberfläche – in der emotionalen Tiefenschärfe, die wie selbstverständlich alles durchdringt.

Dahinter stecken ein künstlerischer Wille und die entsprechende fotografische Technik. Starkeys Fotos sind keine Schnappschüsse, sondern sorgfältig komponierte Szenen. Oft werden sie mit Malerei verglichen. Insbesondere die Ähnlichkeit mit Edward Hopper ist frappant, sowohl was die Sujets als auch was die Atmosphäre betrifft. Nur wirken die Figuren bei Starkey weniger isoliert. Ihre Frauen mögen in sich hineinblicken, doch dort drinnen herrscht keine Leere. Und sind sie zu zweit, scheinen sie zu kommunizieren, auch ohne Worte, sogar ohne Berührung. Frauen unter sich.

Ihre eigene Mutter, sagt Hannah Starkey, habe sie als stark erlebt. Mittlerweile hat die Fotografin selbst zwei Teenager-Töchter, deren Aufwachsen nicht ohne Einfluss auf ihren Blick blieb. Ein Blick, der Solidarität und Komplizenschaft mit dem weiblichen Wesen vermittelt. Er kürt die Frau auf völlig unpathetische Art zur Heldin ihrer Welt. Selbst beim Women’s March in London, der die Bilderserie chronologisch abschliesst, fehlen auftrumpfend-revanchistische Nuancen. Stattdessen Fürsorglichkeit: Eine junge Mutter kümmert sich darum, dass ihre kleinen Mädchen die extra für den Anlass gebastelten Transparente gebührlich zur Geltung bringen können. «Inspire Sisterhood» – das Motto gilt auch für Starkeys Kunst.

Untitled, May 1997.
Untitled, June 2003.
Untitled, October 1998.
The dentist, 2004.
Untitled, October 1998.
Drama school, 2006.
Untitled, March 2004.
Untitled, September 2006
Untitled, February 2013.
«Inspire Sisterhood», Women’s March, London 2017.
Untitled, Paris, September 2016.
Untitled, May 1997.

Zur Fotografin

Hannah Starkey wurde 1971 in Belfast, Nordirland, geboren. Sie studierte Fotografie und Film an der Napier University in Edinburgh und Fotografie am Royal College of Art in London. Starkey erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Vogue Condé Nast Award (1997) und 2002 den Fotografiepreis der St. James Group.

Self portrait with fans, 2015.

Infos zum Buch

Hannah Starkey: «Photographs 1997–2017», Mack 2018. 184 S., ca. 45 Euro.

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