Was diese Woche wichtig war

Regierungs­affäre in Kanada, Ebola-Krise im Kongo – und eine ausgebremste Frau

Woche 10/2019 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli und Isabelle Schwab, 08.03.2019

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Korruptions­skandal wirft Schatten auf Premier Trudeau

Darum geht es: Kanadas Regierung steht wegen einer Justizaffäre unter Druck, die zum Rücktritt einer Ministerin geführt hatte. Am Mittwoch sagte Gerald Butts, ein ehemaliger Berater und enger Freund von Premier­minister Justin Trudeau, vor dem Justizausschuss zu der Affäre aus. Butts verteidigte den Premierminister.

Einst wurde er euphorisch gefeiert, jetzt verblasst der Glanz um Kanadas Premierminister Justin Trudeau mehr und mehr. Cole Burston/Bloomberg/Getty Images

Warum das wichtig ist: Der linksliberale Trudeau konnte sich seit seinem Amtsantritt 2015 ein beinahe makelloses Image bewahren. Die Hälfte seines Kabinetts ist mit Frauen besetzt. Den first nations, Kanadas indigenen Völkern, versprach er eine respektvolle Partnerschaft. Das Land verfolgt in den Augen vieler eine vorbildliche Migrations­politik. Doch nun bekommt dieses Image Risse. Im Februar war die Ministerin Jody Wilson-Raybould aus Protest zurückgetreten. Nach ihrer Darstellung hat die Regierung – insbesondere Gerald Butts – Druck auf sie ausgeübt. Sie sei als Justiz­ministerin dazu gedrängt worden, mit der Baufirma SNC-Lavalin eine aussergerichtliche Einigung zu erzielen. Der Firma war vorgeworfen worden, libysche Beamte unter Diktator Muammar al-Ghadhafi bestochen zu haben. Butts trat kurz nach Wilson-Rayboulds Rücktritt ebenfalls zurück. Vor dem Ausschuss stritt er diese Woche jegliche unethische Einflussnahme auf das Verfahren und Wilson-Raybould ab.

Was als Nächstes geschieht: Die Versionen von Butts und Wilson-Raybould widersprechen sich diametral. In der öffentlichen Wahrnehmung geniesst Wilson-Raybould derzeit viel Sympathie. Gemäss einer Umfrage glauben fast drei Viertel der Befragten ihre Version der Ereignisse. Zieht die Affäre weitere Kreise, könnte dies Trudeaus politische Karriere bedrohen.

Liberale gewinnen in Estland – Rechts­populisten legen zu

Darum geht es: In Estland gewann die liberale Oppositionspartei die Parlaments­wahlen. Mit fast 18 Prozent konnte zudem die rechtspopulistische Ekre ihre Sitze mehr als verdoppeln und ist damit zur drittstärksten Partei aufgestiegen.

Warum das wichtig ist: Kaja Kallas wird voraussichtlich die erste Minister­präsidentin Estlands werden. Sie versprach den Wählern unter anderem Steuersenkungen. Ihre Reformpartei wechselte sich seit der Unabhängigkeit von Russland 1991 immer wieder mit der linksliberalen Zentrumspartei ab. Beide Parteien fahren einen klar proeuropäischen Kurs und sehen die Nato-Mitgliedschaft des Landes als Bollwerk gegen den Nachbarn Russland. Die Rechts­populisten fanden unter anderem wegen eines Bankenskandals Zulauf. Die Partei fordert auch einen «Estxit», den EU-Austritt Estlands, welcher in der europafreundlichen Bevölkerung aber wenig Anklang findet. Während in westeuropäischen Ländern kritisch über E-Voting diskutiert wird, können Estinnen ihre Stimme bereits seit 2005 elektronisch abgeben. Ein Viertel der Stimmberechtigten tat dies auch bei den aktuellen Wahlen. Das kleine baltische Land ist eines der politisch und wirtschaftlich stabilsten Länder des ehemaligen Ostblocks. Nach einer wirtschaftsfreundlichen Politik nach der Wende strebte die Regierung in den letzten Jahren eine Stärkung des Sozialstaats nach skandinavischem Vorbild an.

Was als Nächstes geschieht: Kallas wird eine Koalition bilden müssen. Eine Zusammenarbeit mit Ekre schloss die Reformpartei aber schon vor der Wahl aus. Möglich ist eine Koalition mit der Nummer zwei, der Zentrums­partei, die seit 2016 die Regierung stellt.

Attacken auf Ebola-Hilfszentren im Kongo

Darum geht es: In der Demokratischen Republik Kongo wurden zwei von Médecins sans Frontières (MSF) geführte Zentren zur Behandlung von Ebola von Unbekannten angegriffen und stark beschädigt. Mehrere positiv getestete Ebola-Patienten werden vermisst.

Warum das wichtig ist: Seit dem Ausbruch des Virus im Land im vergangenen August starben laut der Weltgesundheits­organisation (WHO) 569 Menschen an den Folgen der Krankheit. Die Ärzte von Médecins sans Frontières verabreichten in den über das Land verteilten Zentren über 80’000 experimentelle Impfungen, die offenbar eine grossflächige Verbreitung des Virus verhinderten. Die Attacken auf die Zentren zeigen auf, dass das eigentliche Problem in der Region die Sicherheit ist. Verfeindete Rebellen­gruppen verunmöglichen die Behandlung in vielen Regionen des Landes. Lokale Experten rufen die WHO und die Uno dazu auf, im Konflikt zu reagieren, um die Gegend sicherer zu machen. Nach den Attacken hat MSF ihr Personal aus mehreren Regionen zurückgezogen. In Butembo, wo einer der Angriffe stattfand, wurde das Ebola-Zentrum wiedereröffnet, jedoch ohne das internationale Personal von MSF.

Was als Nächstes geschieht: Bleibt die Region politisch instabil, besteht die Gefahr, dass sich das Ebola-Virus in die benachbarten Länder Uganda, Ruanda und Südsudan ausbreitet.

Brexit-Star der Woche: «Failing Grayling»

Harte Konkurrenz für «Bad Luck Brian»: Der britische Minister Chris Grayling gerät immer wieder wegen spektakulärer mishaps in die Schlagzeilen. Diese Woche musste der Verkehrs­minister im Parlament Rücktritts­forderungen und Spott über sich ergehen lassen. Der Grund: Grayling war beauftragt, im Falle eines No-Deal-Brexit sicherzustellen, dass Fähren über eine alternative Wasserroute wichtige Waren, zum Beispiel Medikamente und Lebens­mittel, nach Gross­britannien liefern können. Es hat sich herausgestellt, dass die Firma, die er damit beauftragt hat, ein eher dubioses Start-up ist, das keine Fähren besitzt und allem Anschein nach die AGB auf ihrer Website von einem Fast-Food-Lieferservice kopiert hat. Es ist nur eine von vielen Pannen in seiner politischen Karriere. Die Opposition hat vorgerechnet, dass Chris Graylings diverse Fehltritte den britischen Steuerzahler bereits 2,7 Milliarden Pfund gekostet haben sollen. Glück im Unglück hat Grayling dennoch: Zu so viel internationaler Bekanntheit hat es vor ihm noch kein Verkehrs­minister gebracht.

Zum Schluss: Frauen auf der Überholspur – und im Streik

Frauen werden in unserer Gesellschaft immer wieder ausgebremst. Auf sehr konkrete Art geschah dies vergangenen Samstag Nicole Hanselmann. Die Schweizer Radrennfahrerin wurde bei einem belgischen Strassenrennen für mehrere Minuten angehalten, da sie zu nah auf das Feld der Männer aufgerückt war. Frauen und Männer starten das Rennen getrennt mit acht Minuten Abstand. Offenbar hatte niemand damit gerechnet, dass eine Frau die Männer von hinten aufrollen würde. Hanselmann musste mehrere Minuten stehen, wurde danach von ihren Konkurrentinnen aufgeholt und beendete das Rennen schliesslich auf dem 74. Platz. Falls hingegen Ihre weiblichen Kolleginnen heute nicht zur Arbeit aufgetaucht sind, liegt das vermutlich nicht daran, dass sie jemand daran hinderte. Denn heute ist nicht nur der Tag der Frau, sondern auch Frauen­streiktag. Weltweit organisieren sich Frauen und die LGBT-Community zu Streiks und Protest­märschen im Namen der Gleichberechtigung.

Top-Storys: Journalistische Wunderwelten

WWFs Schergen: Der treuherzige Pandakopf steht für Arten­vielfalt und eine bessere Welt. Eine Investigativ-Reportage von «BuzzFeed News» deckt nun aber die Schattenseiten des World Wildlife Fund auf. Die NGO arbeitet offenbar zum Schutz der Tiere auch mit brutalen Milizen zusammen.

Urchiges Volk: Ethnografische Fotoreportagen kennt man aus eurozentristischer Sicht vor allem von weit entfernt lebenden indigenen Völkern. Die BBC wagte sich zur Fasnachts­zeit ins Lötschental vor und fing die schaurigen «Tschäggättä» ein.

Daten-Lobby: Vergangenes Jahr trat die Datenschutz­grundverordnung der EU in Kraft. Dokumente, die «heise online» vorliegen, zeigen nun, wie Facebook versuchte, die Gesetzgebung über politische Kanäle zu beeinflussen.

HIV-Heilung: Zwölf Jahre nach der ersten Heilung eines HIV-Patienten soll eine weitere erfolgreiche Heilung gelungen sein. Stimmen die Veröffentlichungen, über die die «New York Times» berichtete, ist dies ein Meilenstein in der Aidsforschung.

Harte neue Arbeitswelt: Flache Hierarchien, Fehlerkultur, Teamwork. Jede einigermassen moderne Firma kennt heute die Prämissen einer innovativen Führungs­kultur. Weshalb sie trotzdem so schwer umsetzbar ist, erklärt der Artikel in der «Harvard Business Review».

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