Ich arbeite bei der Schweizer Allianz Gentechfrei SAG, höre einiges über verschiedenste Studien und bin erstaunt, wie viele «Wissenschaftler» fundierte Informationen, wie sie auf unserer Webseite zu finden sind, negieren und alles andere als wissenschaftlich argumentieren. Nachfolgend meine persönlichen Ansichten:
Der Artikel wiederholt unkritisch die Argumente der Befürworter, nach welchen die neuen Gentechmethoden natürlich wie Züchtung seien, da nicht unterscheidbar von herkömmlich gezüchteten Organismen, und die Eingriffe als ungefährlich, da auf kleinster Ebene und an präzisen Stellen.
Dabei wird ausser Acht gelassen, dass die natürliche Rekombination von Genen nicht wahllos und zufällig geschieht; es gibt Stellen in den Genen, die sind «anfälliger» für Mutationen als andere. Wie und weshalb wird noch nicht verstanden. Die neuen Laborverfahren tragen diesem Umstand keine Rechnung und sind somit alles andere als natürlich.
Ebenso stimmt es nicht, dass geneditierte Organismen nicht von natürlichen unterschieden werden können. Es ist einfach aufwändiger als bisher (Y. Bertheau).
Die proklamierte Genauigkeit stimmt nur in einem ganz engen Bereich, da die gleichen Gensequenzen auf einem Chromosom meist mehrfach vorhanden sind und somit (ungewollt) an mehreren Stellen gleichzeitig geschnitten wird. «Genscheren» wie Cas9 schneiden aber auch, wenn keine absolute Übereinstimmung vorliegt, und so kommt es häufig zu mehreren Schnitten – somit wäre Kettensäge wohl der treffendere Ausdruck. Es gibt aber noch andere solche off-Target Effekte, deren Auswirkungen noch weitgehendst unerforscht sind.
Ebenso steht die Forschung über die Mechanismen der Epigenetik und die komplexen Interaktionen zwischen den Genen erst am Anfang, und man weiss unterdessen, dass auch kleinste Eingriffe grosse Effekte zeitigen können. Erst kürzlich berichtet eine Studie, dass GV-Gen-Insertionen mittels Agrobakterien, wie es u.a. oft auch bei den neuen Verfahren angewendet wird, bei der Ackerschmalwand zu zahlreichen grossen Umlagerungen des Pflanzengenoms führten und auch epigenetische Veränderungen verursachte. Auch hier wäre weitere Forschung von Nöten. Denn immerhin geht es um die Gene, den Grundbaustein des Lebens. Einmal ausgesetzt sind sie unkontrollierbar.
Was im Artikel und in der ganzen Diskussion ausgeblendet wird, ist der Umstand, dass mit der EU-Regulierung der neuen Verfahren als Gentech, wie auch bei unserem Anbau-Moratorium der alten Verfahren, die Forschung nicht verboten wird. Aber sie beinhaltet aufgrund des gesetzlich verankerten Vorsorgeprinzips u.a. eine Risikofolgenabschätzung, welche die Unschädlichkeit für Umwelt und Mensch nachweisen muss. Somit wird mehr und nicht keine Forschung in diesem Bereich verlangt. Die Herabwürdigung als Forschungsverhinderer fällt zum Ursprung zurück.
Zur Risikofolgenabschätzung und Grundlagenforschung gehören auch Freisetzungsversuche. Neue bei uns starten bald mit Mais und Gerste. Raten Sie, wer Patent-Mitinhaber ist: der leitende Wissenschaftler ebendieser Freisetzungsversuche im Namen der Uni Zürich.