Auf lange Sicht

Wo die Gelder unserer beruflichen Vorsorge stecken

Immer mehr inländischer Beton, immer mehr ausländische Wertpapiere: die Anlagen der schweizerischen Pensions­kassen im Zeitvergleich.

Von Simon Schmid, 11.02.2019

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Dreizehn Jahre sind eine kurze Zeit. Doch in der beruflichen Vorsorge der Schweiz hat sich in dieser Zeit einiges getan. Die Gelder, die in der zweiten Säule angelegt sind, haben sich in diesen dreizehn Jahren nahezu verdoppelt: von 484 Milliarden Franken im Jahr 2004 auf 894 Milliarden im Jahr 2017.

Wohin floss all dieses Geld? Und wie viel Rendite warf es ab?

Das zeigen wir in diesem Beitrag anhand von Daten, die das Bundesamt für Statistik (mit Verzögerung) und die Grossbank UBS (zeitnäher) veröffentlicht haben.

Sparkapital

Kommen wir gleich zur Sache. Die erste Grafik zeigt das Vermögen von sämtlichen Schweizer Pensions­kassen, aufgeteilt nach Anlageklassen.

In Schwarz: flüssige Mittel. In Grüntönen: Obligationen in Franken und in Fremd­währungen. In Blautönen: Aktien im Inland und im Ausland. In Rot: Immobilien und Hypotheken. In Orange: alternative Anlagen wie etwa Hedgefonds (mehr dazu, was das ist, gleich). In Grau: Übriges.

Immer mehr Spargeld

Vermögen der Schweizer Pensionskassen, nach Anlageklasse, in Franken

Flüssige Mittel und kurzfristige Anlagen
Obligationen in Franken
Obligationen in Fremdwährungen
Aktien Inland
Aktien Ausland
Immobilien und Hypotheken
Alternative Anlagen
Übriges
20042008201220170400800 Mrd. Franken

Quelle: BFS. Übriges = Forderungen und Darlehen, Anlagen beim Arbeitgeber, Mischvermögen bei kollektiven Anlagen, aktive Rechnungsabgrenzung.

Was in der Grafik sofort auffällt: Das Anlage­vermögen ist gewachsen, und zwar über sämtliche Anlage­klassen. Verantwortlich dafür, dass über die berufliche Vorsorge immer mehr Geld angespart wird, ist erstens das Bevölkerungs­wachstum: In der Schweiz leben mehr Menschen.

Zweitens nehmen die angesparten Beträge pro Einwohner zu. Denn:

  • 2004 lebten knapp 7,4 Millionen Menschen in der Schweiz. Pro Kopf lagen damals also rund 66’000 Franken in der beruflichen Vorsorge.

  • 2017 lebten rund 8,4 Millionen Menschen in der Schweiz. Pro Kopf lagen zu diesem Zeitpunkt bereits 106’000 Franken in der beruflichen Vorsorge.

Drittens wirft das Sparkapital Erträge ab. Zwischen 2004 und 2017 erzielten die Pensions­kassen gemäss dem CS-Pensions­kassenindex eine Rendite von zusammengezählt 50 bis 60 Prozent. Der Anlageerfolg ist also der Hauptgrund, warum das Vermögen der Vorsorge­einrichtungen gestiegen ist.

Weitere Gründe sind der steigende Wohlstand und die demografische Alterung: Je älter die Arbeit­nehmer im Durchschnitt werden, desto mehr Geld haben sie pro Person bereits zur Seite gelegt. Die besonders zahlreiche Babyboomer-Generation wechselt aktuell in die Pensionierung – das ist die Phase, in der am meisten Kapital in der zweiten Säule liegt.

Anlageklassen

Die hiesigen Pensions­kassen verwalten im Auftrag ihrer Mitglieder also immer mehr Gelder. Wie sie dies über die Jahre hinweg gemacht haben, darüber geben die verschiedenen Farben in der Grafik Auskunft:

  • 274 Milliarden Franken (oder rund 30 Prozent der Vermögen) stecken aktuell in Obligationen, also in festverzinslichen Anleihen. Früher lauteten diese Papiere überwiegend auf Franken, inzwischen lautet fast die Hälfte davon auf Fremd­währungen. Diese Anlage­klasse ist relativ schwach gewachsen.

  • 276 Milliarden Franken (also ebenfalls rund 30 Prozent der Vermögen) stecken derzeit in Aktien. Die Aufteilung zwischen In- und Ausland hat sich auch hier zugunsten des Auslands verschoben: von gut der Hälfte auf inzwischen etwa zwei Drittel. Aktien haben relativ stark an Volumen zugelegt.

  • 185 Milliarden Franken (etwa 20 Prozent der Gelder) stecken in Immobilien. Überwiegend handelt es sich dabei um direkte Immobilien­anlagen in der Schweiz. Ein kleinerer Teil ist als Hypothek auf inländische Liegenschaften oder als direkte Immobilien­anlage im Ausland investiert. Der Anteil der Immobilien am Gesamt­vermögen hat über die Jahre leicht zugenommen.

  • 79 Milliarden Franken (rund 9 Prozent) stecken in sogenannten alternativen Anlagen. Dazu zählen etwa direkte Firmen­beteiligungen (private equity), Rohstoffe, Investments in Hedgefonds (also in Anlagefonds mit einer eher riskanten Anlagestrategie) und in Infrastruktur­anlagen. Auch Hypotheken auf Liegenschaften im Ausland werden zu dieser Kategorie gezählt. Alternative Anlagen waren vor dreizehn Jahren deutlich weniger stark verbreitet als heute.

  • Der Rest (rund 11 Prozent) sind flüssige Mittel, Anlagen beim Arbeitgeber und sonstige Buchhaltungs­positionen, die in der Bilanz der Pensions­kassen auftauchen. Die Beträge sind in diesem Bereich praktisch konstant.

Insgesamt zeigt sich also, dass Aktien gegenüber Obligationen und Anlagen im Ausland gegenüber Anlagen im Inland an Bedeutung gewonnen haben.

Zuwachs

Wir können dies nochmals verdeutlichen, indem wir eine Rangliste erstellen.

Zuoberst steht jene Anlageklasse, die in den Pensionskassen­vermögen den grössten Zuwachs erhalten hat – ausländische Aktien. Hier stehen heute 112 Milliarden Franken mehr in den Büchern als im Jahr 2004. Dicht dahinter folgen Immobilien mit einem Plus von 97 Milliarden Franken und Obligationen in Fremd­währungen mit einem Zuwachs von 74 Milliarden Franken.

Zuunterst steht die Anlageklasse mit dem geringsten Zuwachs, also die flüssigen Mittel. Das Anlage­volumen ist hier praktisch unverändert.

Geld fliesst ins Ausland

Zuwachs im Pensionskassenvermögen, in Franken

Aktien Ausland0112 Mrd. FrankenImmobilien097,0 Mrd. FrankenObligationen Fremdwährungen073,5 Mrd. FrankenAlternative Anlagen065,8 Mrd. FrankenAktien Inland033,1 Mrd. FrankenObligationen Franken025,1 Mrd. FrankenÜbriges02,99 Mrd. FrankenFlüssige Mittel0554 Mio. Franken0 50 100 150 Mrd. Franken

Quelle: BFS. Angegeben ist der Zuwachs von 2004 bis 2017.

Man sieht in dieser Darstellung nochmals deutlich: In ausländischen Anlagen und in Immobilien stecken heute viel mehr Spargelder als früher.

Und dann wäre da noch eine andere Anlage­klasse: alternative Anlagen.

Wie stark der Stellenwert dieser Anlagen gestiegen ist, wird deutlich, wenn man nicht die Veränderung der absoluten Beträge, sondern der relativen Anteile anschaut. Hier schwingen die alternativen Anlagen mit einem Plus von über 6 Prozent­punkten obenaus, noch vor ausländischen Aktien und Obligationen in Fremd­währungen. Den grössten Rückgang verzeichnen die Obligationen in Franken mit einem Minus von fast 9 Prozentpunkten.

Suche nach Alternativen

Veränderung im Anteil der Pensionskassenvermögen, in Prozentpunkten

Alternative Anlagen06,1 % FrankenAktien Ausland05,7 % FrankenObligationen Fremdwährungen03,2 % FrankenImmobilien02,5 % FrankenAktien Inland−1,9 % Franken0Übriges−2,6 % Franken0Flüssige Mittel−4,1 % Franken0Obligationen Franken−8,9 % Franken0−10 −5 0 5 10 % Franken

Quelle: BFS. Angegeben ist die Veränderung von 2004 bis 2017.

Wie kam es zu diesen Veränderungen? Und hat sich die Sache gelohnt?

Damit sind wir bereits beim letzten Stichwort: den Renditen.

Renditen

Hier stehen uns Daten der UBS zur Verfügung, die sie bei 70 bis 80 Pensions­kassen erfragt hat, welche die Bank über einen sehr ähnlichen Zeitraum wie in der ersten Auswertung (2006 bis 2018) betreut hat.

Angegeben ist jeweils die Jahresrendite im Schnitt über zwölf Jahre.

Immobilien schenken ein

Rendite nach Anlageklassen, in Prozent

Immobilien06,8 % ProzentAktien Inland05,7 % ProzentAktien Ausland03,9 % ProzentObligationen in Franken02,7 % ProzentObligationen in Fremdwährungen02,1 % ProzentHedgefonds00,6 % Prozent0 2 4 6 8 % Prozent

Quelle: UBS. Angegeben ist der Durchschnitt von 2006 bis 2018.

Die Aufstellung gibt Hinweise darauf, wie es zu den Umschichtungen im Anlage­vermögen der Schweizer Pensions­kassen gekommen ist.

  • Am einträglichsten waren Investments in Immobilien. Diese warfen im Schnitt fast 7 Prozent Rendite ab – typischerweise in Form von Mieten, die dann verwendet werden konnten, um Renten auszuzahlen oder in weitere Anlagen zu investieren. Die Zahl macht klar, warum der Immobilien­markt in den letzten Jahren so stark im Fokus der Debatten stand: Investments in Wohnhäuser und Überbauungen waren für Pensions­kassen ein äusserst konstanter Ertrags­bringer (inzwischen sind die Renditen allerdings nicht mehr so hoch).

  • Es folgen inländische und ausländische Aktien mit 5,7 respektive 3,9 Prozent Rendite. Dass Aktien im Schnitt besser abschneiden als Obligationen, ist kein Zufall: Dieser Zusammenhang ist theoretisch fundiert und historisch gut dokumentiert. Dass inländische Aktien von 2006 bis 2018 besser liefen als ausländische, dürfte mit dem Wechsel­kurs zu tun haben. Der Franken wurde stärker, das minderte den Wert ausländischer Aktien aus Schweizer Sicht. Interessant ist, dass der Stellenwert von Schweizer Aktien trotzdem abnahm, während jener von ausländischen Aktien zunahm. Eine Erklärung dafür ist, dass den Pensions­kassen je länger, je mehr die Anlage­möglichkeiten im Inland ausgehen und sie ihre Fühler deshalb immer weiter ins Ausland ausstrecken. Eine andere Erklärung ist, dass die Welt­wirtschaft insgesamt stark wächst – man denke etwa an die Schwellen­länder – und deshalb auch das Gewicht von ausländischen Aktien gegenüber Schweizer Titeln steigt.

  • Obligationen in Franken warfen von 2006 bis 2018 im Schnitt nur 2,7 Prozent, solche in Fremd­währungen nur 2,1 Prozent ab. Das Bild ist hier sehr ähnlich wie bei den Aktien: Wegen Währungs­effekten dürften die Papiere in Franken besser rentiert haben als jene in Fremd­währungen, und wegen des begrenzten inländischen Markts wurden viele Neu­investitionen in ausländische Anleihen getätigt. In der Schweiz gehen langsam, aber sicher die Anlage­möglichkeiten aus: Die Eidgenossenschaft nahm in den letzten Jahren nur wenig Schulden auf, zudem sind ihre Schuldtitel aus Investoren­sicht unattraktiv: Eidgenössische Anleihen werfen seit geraumer Zeit nur noch Null- oder Negativzinsen ab.

  • Am Schluss der UBS-Rangliste stehen Hedgefonds – die zu den alternativen Anlagen gezählt werden – mit einer mittleren Jahres­rendite von nur 0,6 Prozent. Hauptgrund für diese schlechte Performance ist die Finanzkrise, die viele dieser Fonds auf dem falschen Fuss erwischte. Allerdings sieht die Rendite von Hedgefonds für die Zeit danach auch nicht viel besser aus. Mit Verallgemeinerungen muss man hier vorsichtig sein, denn es gibt noch andere Typen von alternativen Anlagen. Doch die Vermutung liegt nahe: Diese Anlagen haben nicht an Bedeutung gewonnen, weil sie so lukrativ sind. Sondern vor allem deshalb, weil die Pensions­kassen immer verzweifelter nach Möglichkeiten suchen, das viele Spargeld überhaupt irgendwo anzulegen.

Das Muster ist somit ziemlich eindeutig. Der Schweizer Markt wäre zwar lukrativ (zumindest was Aktien und Immobilien betrifft), doch er ist klein. Andererseits sind die Zinsen bei null oder sogar negativ: Gelder in Franken-Obligationen zu stecken, kommt deshalb für die Pensions­kassen nur dann infrage, wenn sie es aus Sicherheits­gründen unbedingt tun müssen.

Aber auch Obligationen in Fremd­währungen sind oft nicht sehr attraktiv. Die Absicherung des Währungs­risikos kostet – und frisst die höheren Zinsen, die Schuldner in anderen Ländern bezahlen, vielfach gleich wieder auf. Ergo sucht man nach Alternativen – im Ausland oder in exotischen Anlagen, deren Kurse sich typischerweise anders verhalten als jene am restlichen Finanz­markt (ein Beispiel dafür wären sogenannte insurance-linked securities, also Versicherungs­verbriefungen, etwa gegen Naturkatastrophen).

Ob sich an dieser Ausgangslage so bald etwas ändert, ist unklar. Mit höheren Zinsen ist erst zu rechnen, wenn sich die Geldpolitik normalisiert – was noch einige Jahre dauern kann. Und zu einer Abnahme des Anlage­drucks kommt es erst, wenn die Baby­boomer in grosser Zahl in Rente gehen – was ebenfalls erst nach und nach der Fall sein wird. Oder – und hier liegt Zündstoff – wenn die Sollrenditen, welche die Kassen zur Deckung ihrer Leistungs­versprechen erwirtschaften müssen, in Anbetracht der niedrigen Zinsen gesenkt werden.

Bis dahin werden die bisherigen Trends wohl andauern. Das heisst: Eher mehr Geld wird erstens in Aktien fliessen (die gesetzliche Maximal­quote liegt bei 50 Prozent), zweitens in alternative Anlagen (15 Prozent gesetzlich zugelassen) und drittens ins Ausland (hier besagen die Vorschriften bloss, dass die Kassen öfter das Wechselkurs­risiko versichern müssen).

Es würde nicht überraschen, wenn die Verteilung der Anlage­gelder aus der zweiten Säule in dreizehn Jahren nochmals etwas anders aussähe als heute.

Die Daten

Sie stammen aus der Pensionskassenstatistik des Bundes. Dabei handelt es sich um eine Vollerhebung unter den beruflichen Vorsorge­instituten. Die Zahlen erscheinen jeweils im Dezember des Folgejahres. Die Angaben zu den Renditen sind von der UBS. Sie publiziert monatlich einen Bericht zur Performance der Pensions­kassen und hat kürzlich eine Auswertung über mehrere Jahre erstellt.

Was verändert sich auf die lange Sicht?

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