Was diese Woche wichtig war

Weitere Proteste in Frankreich, Pause im Handelskrieg – und eine neue alte Männerdomäne

Woche 49/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 07.12.2018

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G-20-Gipfel: China und USA pausieren im Handelskrieg

Darum geht es: Am Gipfel der 19 grössten Industriestaaten und der EU bekräftigten die Teilnehmer die Absicht, eine Reform der internationalen Handelsbeziehungen anzugehen. Wie diese aussehen soll, bleibt jedoch vage. Bei einem Treffen am Rande des Gipfels einigten sich Donald Trump und Xi Jinping auf eine temporäre Entspannung des Handelskriegs zwischen den USA und China.

Im Mittelpunkt des Interesses: Chinas Präsident Xi Jinping ist schon bereit für das Gruppenfoto mit den anderen Regierungschefs am G-20-Gipfel. The Yomiuri Shimbun/AP Images/Pool/Keystone

Warum das wichtig ist: Diplomatische Dokumente sind per Definition schwammig formuliert. Schliesslich will in der Kunst des gemeinsamen Nenners keine Seite die andere vor den Kopf stossen. So sah es auch beim Schlusscommuniqué des diesjährigen G-20-Gipfels in Buenos Aires, Argentinien, aus. Als Erfolg wurde bereits gewertet, dass überhaupt ein gemeinsames Statement verfasst werden konnte, das alle Staatsoberhäupter unterschreiben konnten. Trump weigerte sich zwar wie erwartet erneut, eine Bekräftigung des Pariser Klimaabkommens zu unterschreiben. Anders als am letzten G-7-Gipfel in Kanada verzichtete er aber auf den Skandal, seine Unterschrift nicht unter die allgemeine Schlusserklärung zu setzen. Wichtiger erschien ihm wohl das Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping. Nach Monaten des Handelskonflikts, der sich weltweit auszuwirken beginnt, einigten sich die Staaten auf eine vorübergehende Pause. China sagte unter anderem zu, in nicht tarifgebundenen Bereichen wie den Urheberrechten internationalen Standards nachzukommen. Ausserdem versprach Xi, «substanzielle» Mengen an amerikanischen Handelswaren einzukaufen, um das Handelsdefizit auszugleichen, das Trump bemängelt. Die USA verzichten im Gegenzug auf eine weitere Erhöhung der Zölle für Importe aus China.

Was als Nächstes geschieht: Trumps vorübergehende Einigung mit Xi sorgt für temporäre Entspannung auf den Weltmärkten. Während der Verschnaufpause werden die beiden Grossmächte aber erst recht über die nächsten Schritte streiten. Aus dem Handelskonflikt könnte nach wie vor ein veritabler Krieg werden.

Gilets jaunes: Die Proteste weiten sich aus

Darum geht es: Die Grossdemonstrationen der gilets jaunes in Frankreich gehen weiter. Vergangenen Samstag demonstrierten über 130’000 Menschen in Paris. Es kam zu Ausschreitungen und Zerstörungen, die Polizei verhaftete über 100 Demonstrierende. Präsident Emmanuel Macrons bisheriges Entgegenkommen bewirkte keine Milderung der Protestwelle.

«Mehr Kohle für die Schulen, damit weniger Leute Polizisten werden»: Solidarität in Toulouse mit den «gilets jaunes». Alain Pitton/NurPhoto/Getty Images

Warum das wichtig ist: Die Proteste greifen von den gilets nun auch auf die Gymnasien und Universitäten über. In Marseille, Paris und weiteren Städten protestierten am Montag an über 200 Gymnasien Schülerinnen und Schüler gegen eine Bildungsreform. In Marseille kritisierten minderprivilegierte Schülerinnen den schlechteren Zugang zum Arbeitsmarkt oder zur höheren Bildung. Auch die Linke weiss auf die aktuelle Protestwelle aufzuspringen und fordert, die Vermögensbesteuerung, die unter Macron abgeschafft wurde, wieder einzuführen. Die Proteste weiten sich also auf neue Gebiete aus, die Solidarisierung mit den «Gelbwesten» ist gross, und der Katalog der Forderungen wird immer breiter. Macron sagte mehrere Treffen ab und beauftragte Premierminister Edouard Philippe damit, eine passende Reaktion auf die breiten Proteste zu finden. Doch die Wut der Masse konzentriert sich auf den Kopf Macrons. Das erstaunt wenig angesichts des auf seine Person ausgelegten Wahlkampfs, den er bei der Präsidentschaftswahl geführt hatte.

Was als Nächstes geschieht: Morgen Samstag steht der vierte grosse Protesttag der gilets jaunes an – zeitgleich mit einer längst geplanten Demonstration zum Klimawandel. Auch die Umweltaktivistinnen solidarisierten sich mit den gilets und forderten diese dazu auf, gemeinsam zu marschieren. Bald hat Macron das ganze politische Spektrum von links bis rechts gegen sich aufgebracht. Wie er überhaupt noch befriedigend auf diese Situation antworten kann, weiss er selbst offenbar noch nicht.

Andalusien rückt nach rechts, Vox triumphiert

Darum geht es: Bei den vorgezogenen Wahlen im südspanischen Andalusien erlitten die Sozialisten Schiffbruch, nachdem sie 36 Jahre ununterbrochen an der Macht waren. Erstmals verbuchte zudem die rechtsextreme Partei Vox einen grösseren Erfolg und ergatterte aus dem Nichts mehr als 10 Prozent der Wählerstimmen.

Warum das wichtig ist: Immer wenn eine politische Hochburg fällt, analysieren Expertinnen und Journalisten, welche Konsequenzen das Wahlergebnis für das ganze Land hat. So auch in Andalusien, wo der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) fast 10 Prozentpunkte an Wählerstimmen einbüsste. Dafür zieht neu die rechtspopulistische Vox mit 12 Sitzen im Regionalparlament ein. Lange blieb die 2013 gegründete Partei im einstelligen Prozentbereich und konnte mit ihren extremen Positionen kaum punkten. Nun scheint auch in Spanien ein Populismus rechts der Volksparteien angekommen zu sein. In Andalusien bleibt der PSOE zwar stärkste Partei, unklar bleibt jedoch, wie er eine Regierung bilden könnte. Er müsste dazu neben dem linken Bündnis Adelante Andalucía auch die Ciudadanos, die eher im Mitte-rechts-Spektrum politisieren, miteinbeziehen. Die Regionalwahl strahlt jedoch vor allem auf die nationale Bühne aus. Premierminister Pedro Sánchez muss zum Beispiel demnächst das Budget für das kommende Jahr durch das Parlament bringen. Die Wahl in Andalusien hat einige Abgeordnete, die Sánchez’ junge Minderheitsregierung bislang stützten, zweifeln lassen.

Nur Spanien zählt: Eine Demonstration der rechtspopulistischen Partei Vox in Madrid gegen katalanische Separatisten. Oscar del Pozo/AFP/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: In Spanien wird nächstes Jahr gewählt – und zwar gleich dreimal. Im Mai stehen neben den Europawahlen die Regionalwahlen der restlichen Gebiete an. Daneben kündigte Sánchez an, auch das nationale Parlament neu zu bestellen. Wann genau, ist noch nicht klar. Welchen Einfluss das Resultat in Andalusien auf die nationalen Wahlen haben wird, darüber wird noch diskutiert. Laut einer aktuellen Umfrage würden die Sozialisten heute noch immer 13 Prozentpunkte vor der konservativen Volkspartei PP zu liegen kommen. Doch Prognosen sind Prognosen, und bis zu den Wahlen dauert es noch einige Zeit.

Zum Schluss: Männer (und ein Kind) unter sich

Nachdem Neil Armstrong auf dem Mond gelandet war, wollte eine ganze Generation amerikanischer Kinder Astronaut werden. Das fand man wahrscheinlich ganz süss und ambitioniert; patriotischen Vätern kamen die Tränen. Fragt man sich durch heutige Klassenzimmer, ist der Lieblingsberuf einiges realistischer. Trotzdem dürften die Eltern enttäuscht sein, wenn sie erfahren, dass ihre Kinder – auch in der Schweiz – am liebsten erfolgreiche Youtuber wären. Dabei zeigt die aktuelle Top 10 von «Forbes» auf: Wenn man es richtig macht, winken Millionen im Videobusiness. Einmal mehr ist den Eltern jedoch leider auch anzuraten, ihre Töchter auf etwaige geschlechtsspezifische Steine auf dem Karriereweg aufmerksam zu machen. Unter den zehn Bestbezahlten finden sich nämlich nur Vertreter des männlichen Geschlechts. Angeführt wird die Truppe notabene vom 7-jährigen Ryan, der dieses Jahr mit seinem Spielzeug-Review-Channel 22 Millionen Dollar verdiente.

Top-Storys: Tagesausflüge für den Kopf

Neue Seidenstrasse: Chinesische Frachtzüge fahren seit vergangenem Jahr bis nach London. Wie das Reich der Mitte mit der Belt-and-Road-Initiative wirtschaftlich seine Fühler ausstreckt, erklärt die Multimedia-Geschichte der «South China Morning Post».

Oñates Fuss: Ein Conquistador – beziehungsweise sein Fuss – wird zum Zankapfel der Identität. Wie sich die Gräuel- und Heldentaten der Vergangenheit eines Mannes in der Gegenwart spiegeln, hören Sie im Podcast von «99% Invisible».

George H. W. Bush: Der amerikanische Präsident, der das Ende des Kalten Kriegs begleitete und sein Land in den Zweiten Golfkrieg führte, ist gestorben. Ob man dem Verschiedenen trotz seiner Unzulänglichkeiten die letzte Ehre erweisen kann, darüber scheiden sich die Geister der amerikanischen Öffentlichkeit. Frank Brunis Kommentar für die «New York Times» diagnostiziert die Abwesenheit von Graustufen in Zeiten der Stammeszugehörigkeiten.

Krypto-Cruise: Laurie Penny verbrachte vier Tage auf einem Schiff mit neureichen Kryptoinvestoren. Ihre Reportage für das «Breaker Magazine» ist ein Feuerwerk.

Jordan Peterson: Er denkt schnell, er denkt radikal. Die Linke hasst ihn, doch der Psychologe hat eine Fangemeinde, die ihn wie einen Messias verehrt. Das Porträt des kanadischen Bestseller-Autors finden Sie im «Spiegel» (Abo).

Was diese Woche wichtig war

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