Was diese Woche wichtig war

Kalifornien brennt, Seehofer geht fast – und Macron fordert EU-Armee

Woche 46/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 16.11.2018

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Kalifornien brennt

Darum geht es: An der US-Pazifikküste wüten die zerstörerischsten Feuer in der Geschichte Kaliforniens. Mindestens 50 Menschen verloren in den drei riesigen Feuern bisher ihr Leben. Mehr als 8000 Häuser wurden zerstört und mehrere zehntausend Menschen evakuiert.

An solche apokalyptischen Bilder werden sich die Kalifornier wohl gewöhnen müssen: Feuerschäden in der Stadt Paradise. Justin Sullivan/Getty Images

Warum das wichtig ist: Während er nationale Hilfsgelder sprach, kritisierte Präsident Donald Trump gleichzeitig die schlechte Pflege der Wälder durch die Forstverwaltung – dumm nur, dass fast die Hälfte davon unter die Verantwortung der Bundesregierung fallen, wie ihm prompt entgegengehalten wurde. Die Ursache der Feuer wird derzeit noch abgeklärt. Tausende Feuerwehrleute sind im Einsatz, um die Brände unter Kontrolle zu bringen. Eine langjährige Dürre trocknete die Vegetation derart aus, dass sich die Feuer sogar über einfache Wiesen und Highways ausbreiten konnten.
Dass es im amerikanischen Westen regelmässig zu solch verheerenden Buschfeuern kommt, lässt sich laut einer Reportage im «Harper’s Magazine» vor allem auf zwei Faktoren zurückführen: einerseits den Klimawandel – er beschert der Region immer trockenere Herbste und Winter. Andererseits die jahrzehntelange Praxis, jegliche wilden Feuer sofort zu unterdrücken. Die aktuellen Brände speisen sich deshalb vor allem aus dem jungen Unterholz, das sich normalerweise in kleineren Bränden abbaut. Ausserdem erhöht sich der Schaden, weil immer mehr in feuergefährdeten Gebieten gebaut wird.

Was als Nächstes geschieht: Die Feuer wüten voraussichtlich noch eine Weile weiter. Abhängig ist die Verbreitung auch stark vom Wetter, also von der Luftfeuchtigkeit und den Winden. Längerfristig wird sich Kalifornien auf solch verheerende Feuer einstellen müssen. Und die amerikanische Öffentlichkeit muss darüber sprechen, wie sie mit der Naturgewalt umgehen will.

Horst Seehofer tritt ein bisschen zurück

Darum geht es: Der deutsche Innenminister gibt sein Amt als CSU-Parteichef ab. Dies gab er am Montag bekannt. Seinen Posten in der Bundesregierung will er allerdings behalten.

Warum das wichtig ist: Es ist im Kleinen die Wiederholung dessen, was Angela Merkel neulich exerzierte: Auch sie hatte neben dem Kanzleramt bis vor kurzem die Parteispitze der grossen Schwesterpartei CDU inne. Auch sie gab sich wie Seehofer davon überzeugt, dass diese beiden Ämter zusammengehören. Die beiden Schwergewichte der deutschen Christdemokratie machen damit auf der grossen politischen Bühne einen Schritt zur Seite, ohne den Platz richtig zu räumen. Merkel zog damit unter anderem die Konsequenzen aus dem Wahldebakel in Hessen. Seehofer zögerte nach den verheerenden Wahlresultaten seiner Partei bei den Landtagswahlen in Bayern – obwohl die noch vor jenen in Hessen stattgefunden hatten. Zum Rücktritt sah er sich nun auf Druck seiner Partei gezwungen. Merkel und Seehofer scheinen trotz ihres noch kaum verdauten Konflikts in der Flüchtlingsdebatte immerhin am gleichen Strick zu ziehen. So bestätigte Merkel, dass Seehofer Innenminister bleiben soll. Eine andere Option steht ohne weitreichende Konsequenzen für das politische Programm der grossen Koalition auch gar nicht im Raum.

Was als Nächstes geschieht: Fast unbestritten ist, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Parteileitung der CSU übernehmen wird. Ob Seehofer tatsächlich Innenminister bleibt, ist indes noch nicht endgültig entschieden. Schliesslich entscheidet die Partei, wen sie in die Bundesregierung entsendet. Streitig macht ihm das Amt zurzeit aber noch niemand.

Macron bläht seine Brust zum Jubiläum des Kriegsendes

Darum geht es: Bei seiner Rede zum 100-Jahr-Jubiläum des Endes des Ersten Weltkriegs bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron den Nationalismus als Gegenteil des Patriotismus. Die deutsche Kanzlerin Merkel signalisierte vergangene Woche Zustimmung zu seinen Vorschlägen für eine europäische Armee.

Machte Werbung in eigener Sache: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an der Gedenkfeier zum Kriegsende beim Arc de Triomphe in Paris. Aurelien Morissard/Imago

Warum das wichtig ist: Jubiläen können gute Werbeplattformen sein. So machte sich Macron letzte und vorletzte Woche auf, zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren Stimmung für seine Vorstellungen der internationalen Zusammenarbeit zu machen. In einem Interview mit dem Radiosender Europe 1 schlug er die Schaffung einer europäischen Armee vor, die den Kontinent vor fremden Mächten wie Russland, China, aber auch den USA verteidigen könnte. US-Präsident Trump kritisierte den Vorschlag per Twitter, indem er darauf hinwies, dass sich Frankreich historisch gesehen mehr vor Deutschland denn vor den USA fürchten müsste.

Vergangenen Sonntag spielte Macron den Ball dann zurück: In Anwesenheit von mehreren Staatsoberhäuptern, darunter Donald Trump, Angela Merkel und Wladimir Putin, stellte der französische Präsident den Patriotismus dem Nationalismus entgegen und kritisierte damit nicht nur die Ultrarechte im eigenen Land, sondern indirekt auch die Abschottungstendenzen der USA. Seine Idee einer EU-Armee erfuhr einen Aufschwung, als Kanzlerin Merkel sich anlässlich einer Rede vor dem EU-Parlament ebenfalls dafür aussprach.

Was als Nächstes geschieht: Bis sich die EU auf eine gemeinsame Verteidigungsstrategie einigen kann, wird noch viel Zeit verstreichen. Währenddessen sind die europäischen Staaten nach wie vor von der Nato abhängig. Was die Woche deutlich zeigte, ist: Macron ist bereit, Frankreichs Führungsrolle auf dem Kontinent wieder zu stärken.

Wer regiert Sri Lanka?

Darum geht es: In Europa kaum bemerkt, weil in dieser Geschichte Donald Trump nicht vorkommt, ist Sri Lanka in eine Verfassungskrise geschlittert. Präsident Maithripala Sirisena hatte Ende Oktober Premierminister Ranil Wickremesinghe überraschend abgesetzt und den bisherigen Oppositionsführer zum Regierungschef ernannt.

Warum das wichtig ist: Im Inselstaat im Indischen Ozean regiert zurzeit die Unsicherheit. Ausgelöst hatte die Krise Präsident Sirisena, der sein Vertrauen vom bisherigen Premier Wickremesinghe zum buddhistischen Hardliner Mahinda Rajapaksa transferierte. Dieser wird wegen seines schweren Schmucks auch «Herr der Ringe» genannt. Gleichzeitig löste der Präsident das Parlament auf. Das oberste Gericht des Landes erklärte Anfang Woche diese Entscheidung für unrechtmässig. Am Mittwoch sprach das doch nicht aufgelöste Parlament dem neuen Premierminister Rajapaksa das Misstrauen aus. Das Verhältnis zwischen Präsident Sirisena und dem von ihm abgesetzten Premier Wickremesinghe hatte sich seit mehr als einem Jahr verschlechtert. Der Präsident wollte durch die Umbesetzung der Regierung anscheinend seinen Posten sichern. Aufgrund seines Manövers ist derzeit unklar, wer in Sri Lanka die legitime Regierung stellt.

Regierungskrise in Sri Lanka: Unterstützer des abgesetzten Premierminister Ranil Wickremesinghe protestieren vor dem Parlament in Colombo. M.A.Pushpa Kumara/EPA/Keystone

Was als Nächstes geschieht: Im Zuge der Unsicherheit formierten sich Proteste beider Lager vor dem Parlamentsgebäude in Colombo. Sirisena wollte mit der Absetzung des Parlaments Neuwahlen provozieren. Ob der bisherige Premier Wickremesinghe seine Macht ohne einen Wahlgang halten kann, ist derzeit ungewiss.

Stellenabbau bei den Regionalmedien

Darum geht es: CH Media, das Joint Venture zwischen AZ Medien und NZZ-Mediengruppe, kündigte am Donnerstag den Abbau von 200 Vollzeitstellen an.

Warum das wichtig ist: Weniger als ein Jahr nach dem Zusammenschluss wird klar, was schon lange vermutet wurde. Vollmundig kommunizierte das neue Unternehmen vergangenen Dezember zwar noch, «langfristig in die Weiterentwicklung der Marken und Produkte zu investieren». Primär heisst es zu diesem Ziel «Synergien nutzen» aber erst einmal, dass zehn Prozent der Betriebskosten reduziert werden. Das Unternehmen spart damit 45 Millionen Franken Betriebskosten ein und beschäftigt nach zwei Jahren Sparprogramm noch 2000 Menschen. Abgebaut werden soll über den ganzen Betrieb hinweg. Zum Unternehmen gehören alle Titel der ehemaligen AZ Medien wie die «Schweiz am Wochenende», aber auch Radio- und Fernsehsender wie «Tele Bärn». Die NZZ-Mediengruppe brachte seine Regionaltitel, darunter das «St. Galler Tagblatt» und die «Luzerner Zeitung», in das Unternehmen ein. Zum Joint Venture gehören auch mehrere Druckereien.

Was als Nächstes geschieht: Der Druck auf die verbleibenden Mitarbeitenden, die Qualität der einzelnen Titel zu erhalten, wird steigen. Synergien nutzen wird hier auch heissen, dass die rund zwei Millionen Leserinnen und Leser der diversen Regionaltitel mehr Einheitsbrei erwartet. Fassbar wird diese Tendenz in unserer laufend aktualisierten «Chronologie der Schweizer Medienkonzentration».

Zum Schluss: Politische Kunstgriffe (nur kurz)

Glaubt man der Umfrage der SRG, hat die Selbstbestimmungsinitiative der SVP keine Chance. Die Partei könne beim Volksbegehren nicht über die eigene Stammklientel hinaus mobilisieren. Ein kultureller Erfolg ist die Initiative – unabhängig ihres Ausgangs – dennoch bereits jetzt. Nicht nur lassen sich die neuen Mainstream-Plakate der Ja-Kampagne offenbar besser ignorieren als die alten Schäfchen. Die Abstimmung beflügelt auch Kulturschaffende dazu, politische Kunst herzustellen. Sofern man das Video des Schweizer Rappers Sammy Frey aka Sam National als solche durchgehen lässt.

Top-Storys: Lesen Sie auswärts, kommen Sie wieder

Stan Lee: Der Superheld der Comic-Welt ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Die «New York Times» hat einen würdigen Nachruf geschrieben. Nuff said.

Weltkrieg: Chinesische Arbeiter in Schützengräben? Die «South China Morning Post» beleuchtet zum Jubiläum des Kriegsendes die vergessenen Dienste im Auftrag der Chinesischen Republik.

Sexmuffel: Noch nie fanden in den USA so viele junge Menschen, dass es kein Problem sei, wenn man ausserhalb von Beziehungen sexuelle Kontakte pflege. «The Atlantic» geht der Frage nach, weshalb sie es, also «es», trotzdem nicht tun.

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