Briefing aus Bern

Besäufnis auf Spesen, Hacken für den Bund – und was fordert die Jugend?

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (33).

Von Elia Blülle, 15.11.2018

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Das Fassungsvermögen der Armeespitze ist beachtlich.

Im Juni 2014 haben 28 hohe Schweizer Militärs an einem Abend 7 Biere, 82 Gläser Spirituosen, 10 Flaschen Weisswein und 12 Flaschen Rotwein getankt – natürlich im Dienste des Vaterlandes. Deshalb gingen die Kosten von 1735.20 Franken auch auf Spesen.

Das geht aus einer Recherche des «Tages-Anzeigers» hervor. In einem Bericht wird entlarvt, wie es um die Sparsamkeit bei der Schweizer Armee wirklich steht. Die Erkenntnisse sind ernüchternd: Die Armee, die sich regelmässig über fehlende Mittel beklagt, pflegt einen äusserst lockeren Umgang mit Spesen. So liessen höhere Stabsoffiziere ihre Ehefrauen mit dem Helikopter für mehrere tausend Franken quer durchs Land fliegen; das Verteidigungsdepartement bezahlte für eine Veranstaltung der Logistikbasis mit 4000 Gästen eine halbe Million Franken, und Weihnachtsessen fielen exklusiv teuer aus.

Nun soll mit Besäufnissen auf Kosten der Steuerzahlerinnen Schluss sein. Das neue VBS-Spesenreglement verbietet solche Exzesse seit September auch offiziell. Politisch wird der verschwenderische Umgang mit Steuergeldern aber ein Nachspiel haben. Guy Parmelin musste am Dienstag vor der Sicherheitskommission Stellung beziehen. Und das nächste Mal, wenn sich die Armeespitze beim Parlament über fehlende Mittel beklagt, werden sich einige Politikerinnen an das Spesenbesäufnis vom 16. Juni 2014 erinnern. In diesem Sinne, Leserin, Leser: Achtung! Und weiterlesen!

Hier kommt das Briefing aus Bern.

Forderung nach Transparenz aus der rechten Ecke

Das müssen Sie wissen: Die meisten europäischen Länder kennen strenge Spendengesetze. Parteien und Politikerinnen müssen bei hohen Zuwendungen deklarieren, wer sie finanziert. Nicht so in der Schweiz. Hierzulande wird immer noch geheim gehalten, wer Parteien, Politikerinnen und Kampagnen unterstützt. Ein überraschender Vorschlag will nun für etwas mehr Transparenz sorgen.

Das ist passiert: Der parteiunabhängige, aber rechte Ständerat Thomas Minder will, dass börsenkotierte Unternehmen künftig ausweisen müssen, wie viel Geld sie gesamthaft in Kampagnen und Wahlen investieren. Bei Beträgen über 10’000 Franken müssten auch die Empfänger genannt werden. Die Rechtskommission des Ständerats hat Minders Vorschlag überraschenderweise angenommen. Bisher hatten vergleichbare Anliegen aus der linken Ecke keine Chance.

So geht es weiter: Minders Vorschlag hat erst die Kommission überstanden. Schwieriger dürfte es im Parlament werden, obwohl seine Idee verhältnismässig zahm ist. So dürften Privatpersonen weiterhin hohe Beträge spenden, ohne dass Parteien zur Offenlegung verpflichtet wären. Ändern will das die hängige Transparenzinitiative. Sie fordert ein Gesetz, das politische Akteure dazu zwingt, ihre Geldgeberinnen publik zu machen.

Mehr dazu: Der Bundesrat lehnt die Transparenzinitiative ab. Wieso das eine schlechte Idee ist, lesen Sie im Kommentar «Oligarchen, willkommen im Bundeshaus!».


Schweizer Bauern als ökologische Unternehmer

Das müssen Sie wissen: Alle vier Jahre legt der Bundesrat fest, wie viel Geld er in die Schweizer Landwirtschaft fliessen lässt und mit welchen Zielen. Es geht um 3,5 Milliarden Franken jährlich. Der Löwenanteil fliesst in Form von Direktzahlungen in die Taschen der Bäuerinnen. Direktzahlungen sind an Auflagen gebunden und machen über die Hälfte der bäuerlichen Einkommen aus.

Das ist passiert: Gestern hat der Bundesrat seinen Vorschlag präsentiert. Er will in Zukunft etwa gleich viel Geld für die Landwirtschaft ausgeben wie in den letzten Jahren. Doch er will Anreize schaffen, damit Bauern noch ein wenig unternehmerischer und marktgerechter und auch ein wenig ökologischer produzieren als heute. Er will den Export von Schweizer Landwirtschaftsprodukten stärker fördern – und im Gegenzug die Zölle für Importe senken. Und er will der Trinkwasserinitiative den Wind aus den Segeln nehmen und schlägt vor, den Einsatz problematischer Pestizide an heiklen Orten zu verbieten, zum Beispiel in Flussnähe. Über die Initiative wird erst in zwei Jahren abgestimmt. Sie ist radikaler und verlangt, dass nur noch Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide einsetzen.

So geht es weiter: Die Vorlage geht in die Vernehmlassung. Parteien und Verbände studieren und kritisieren den Vorschlag des Bundesrates, der wird ihn überarbeiten und daraus eine Gesetzesvorlage zimmern. Es dauert also noch Jahre, bis die Vorlage verabschiedet wird. Sie wird noch viele Diskussionen auslösen und viele Änderungen erfahren. Sicher ist nur, dass der jetzt noch dafür zuständige Bundesrat Johann Schneider-Ammann sie nicht mehr prägen wird. Er tritt Ende Jahr zurück.


Bund will Hacker bezahlen

Das müssen Sie wissen: 4 Prozent der Schweizer Stimmbevölkerung dürfen bei der nächsten Abstimmung bereits per Internet ihre Stimme abgeben. In zehn Kantonen ist E-Voting versuchsweise zugelassen, und der Bundesrat will es bald im ganzen Land einführen. Dafür braucht es eine gesetzliche Grundlage und die Zustimmung des Parlaments. Da E-Voting höchst umstritten ist, dürfte das nicht einfach werden. Viele IT-Experten bemängeln, dass Abstimmungen übers Internet einfach manipuliert werden könnten. Um das zu verhindern, schreibt der Bund nun einen staatlichen Härtetest aus.

So funktioniert das: Der Bund will Hacker belohnen, die es schaffen, die Schweizer E-Voting-Systeme zu manipulieren. Sie bekommen für einmal einen Freipass. Mit diesem Wettbewerb will der Bund Sicherheitslücken finden. Angeblich sollen der Bundeskanzlei für den Härtetest 250’000 Franken zur Verfügung stehen.

So geht es weiter: Der Bund treibt die Einführung eines elektronischen Abstimmungsverfahrens voran. Bis 2020 soll ein entsprechendes Gesetz stehen. Das könnte aber schwierig werden, denn im Parlament sitzen viele E-Voting-Gegner, die sogar schon eine Volksinitiative lanciert haben. Sie wollen E-Voting vorübergehend ganz verbieten.

Mehr dazu: Was ist E-Voting? Und wieso hat das Verfahren so viele Gegner? Die Antworten finden Sie im Text «E-Voting – der Schweizer Sonderfall».


Was fordert das Schweizer Jugendparlament?

Das müssen Sie wissen: Seit 1991 treffen sich einmal pro Jahr zweihundert Jugendliche im Bundeshaus, spielen Politik und arbeiten Vorlagen aus, die später den Kommissionen unterbreitet werden.

Das sind die Forderungen: Die Jugendsession sprach sich mit 181 zu 3 Stimmen für eine Petition aus, die die hohe Suizidrate bei LGTBQ-Jugendlichen bekämpfen will. Erfolgreich war auch eine Petition, die Detailhandelsunternehmen mit mehr als 1000 Angestellten dazu verpflichten will, den Verpackungsanteil ihrer Produkte um 15 Prozent zu reduzieren. Abgelehnt hat die Jugendsession den Vorschlag, das Geschlecht aus den Zivilstandsregistern zu entfernen.

So geht es weiter: Die Bundeskanzlei leitet die erfolgreichen Forderungen an die parlamentarischen Kommissionen weiter, die die Vorlagen diskutieren werden. Die meisten Anliegen werden abgelehnt und nicht weiterverfolgt.


Zahl der Woche: Bauern verdienen so gut wie noch nie

Eine Bauernfamilie verdiente im Jahr 2017 im Schnitt 96’200 Franken, das sind 4,4 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Die Daten aus dem neusten Agrarbericht des Bundesamtes für Landwirtschaft zeigen, dass Bauern in den letzten zwanzig Jahren noch nie so gut verdient haben. Das hängt vor allem damit zusammen, dass viele Landwirtinnen vermehrt Geld verdienen mit einem Nebenerwerb ausserhalb ihres Betriebes. Bemerkenswert ist auch die Einkommensdivergenz nach Höhenmetern: Landwirte in Talregionen verdienen im Mittel 30’000 Franken mehr als Bergbäuerinnen.

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