Aus der Arena

Unser doppeltes Klimadilemma

Von Simon Schmid, 14.11.2018

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Erwärmt sich die Erde um x Grad Celsius, so steigen die lokalen Temperaturen in der Schweiz um fast das Doppelte an.

Also um 2-mal x Grad.

So lautet eine wissenschaftliche Faustregel zum Klimawandel, die sich über die vergangenen eineinhalb Jahrhunderte bewährt hat.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur im globalen Durchschnitt um 0,9 Grad Celsius gestiegen. Das besagen die Messungen, auf die sich unter anderem der Bundesrat bei der Formulierung seiner Klimapolitik abstützt. Im selben Zeitraum wurde in der Schweiz eine deutlich stärkere Erwärmung registriert: Die Temperatur ist um 2,0 Grad Celsius gestiegen – im globalen Vergleich also um das Doppelte.

Gestern wurden nun die neuen Klimaszenarien für die Schweiz veröffentlicht, die das National Centre for Climate Services (NCCS, ein Zusammenschluss von Meteo Schweiz, der ETH Zürich und weiteren Forschungspartnern) ausgearbeitet hat.

Und auch hier lässt sich die Faustregel wieder anwenden:

  • Optimistisch in der nahen Zukunft: Einigt sich die Welt gemäss dem Pariser Klimaabkommen auf einen rigorosen Klimaschutz, so bleibt der globale Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellen Zeiten auf knapp 2 Grad beschränkt. Jedoch dürften in der Schweiz die Temperaturen stärker ansteigen: Das NCCS rechnet mit 2 bis 4 Grad.

  • Pessimistisch in der ferneren Zukunft: Läuft der Klimawandel ungebremst weiter, so wird der Planet bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 4,8 Grad wärmer. In diesem Horrorszenario ergibt sich für die Schweiz ein dramatischer Anstieg: Im Sommer könnte die Temperatur dann etwa 7 Grad höher liegen als zu vorindustriellen Zeiten, im Winter um etwa 5,5 Grad.*

Diese Prognosen sind selbstredend Schätzungen; sie werden in den Dokumenten auch nicht als Punktberechnungen ausgewiesen, sondern mit einer Bandbreite. Das heisst, die Faustregel ist eine Vereinfachung.

Doch die Botschaft bleibt dieselbe, egal wie man es darstellt:

Wenn die Welt ein Treibhaus ist, dann wird die Schweiz zur Sauna.

Unsere Sommer werden künftig heisser und trockener, mit mehr Hitzetagen und längeren Phasen ohne Regen. Kommen die Niederschläge doch, vor allem im Winter, dann wird es öfter wie aus Kübeln giessen. Extreme Wetterereignisse nehmen zu, und zwar in allen Szenarien.

Mehr Regen heisst aber nicht mehr Schnee. Mit den Temperaturen steigt auch die Nullgradgrenze an: um einige hundert Meter gegenüber vorindustriellen Zeiten, wenn die Welt den Klimaschutz ernst nimmt, und um fast einen Kilometer, wenn nicht.

Klimawissenschaft heisst automatisch auch Klimapolitik.

Doch leider könne die kleine Schweiz auf diesem Feld nicht viel ausrichten, wird von Nicht-Wissenschaftlern (also von Politikern) gerne argumentiert: Den Klimawandel stoppen – das müssten die grossen Länder tun.

Dumm nur, dass die Schweiz stärker vom Klimawandel betroffen ist. Je nach Szenario fast anderthalb bis doppelt so stark wie der Rest der Welt.

* Das ergibt sich, wenn man die NCCS-Prognosen für die Sommer- und Wintertemperaturen zum bisherigen Anstieg von rund 1,5 Grad Celsius addiert, der sich bereits vom vorindustriellen Zeitalter bis zum «Normzeitraum» der Berechnungen von 1981 bis 2010 eingestellt hat.

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