Serie Blutige Trophäen – Teil 4

Von britischen Behörden beschlagnahmte Stosszähne. Britta Jaschinski/Photographers Against Wildlife Crime

Und ewig lockt das Elfenbein

Seit Anfang Jahr ist der Handel mit Elfenbein in China verboten. Doch der der Schweizer Tierschützer Karl Ammann deckt auf: Das Geschäft blüht wie noch nie. Teil 4 der Serie «Blutige Trophäen».

Von Mona Fahmy, 10.10.2018

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Elfenbein, Rhinozeros-Horn, Tigerknochen: Vor der Konsumwut der Chinesen ist keine gefährdete Art sicher. Das Land ist weltweit der grösste Nachfrager nach illegalen Wildtierprodukten. Dementsprechend gross war die Freude der Tierschützer, als die Regierung 2016 ankündigte, den Elfen­bein­handel im Inland zu verbieten, und das Verbot Ende 2017 tatsächlich in Kraft trat. Über 200 lizenzierte Händler und elfenbeinverarbeitende Betriebe mussten schliessen. Als eine Meldung die andere jagte, wie grossartig das chinesische Handelsverbot für die Elefanten sei, hofften auch Skeptiker wie Karl Ammann auf ein Einbrechen der Nachfrage nach Elfenbein.

Ammann recherchiert seit über dreissig Jahren über Wildtierkriminalität. Undercover, denn anders sind bestimmte Informationen nicht zu bekommen. Den illegalen Handel mit Elfenbein hat er ausführlich dokumentiert.

Die jüngste Preisentwicklung für unbehandeltes Elfenbein liess tatsächlich hoffen, dass das Handelsverbot in China wirkte. Laut einer Erhebung von Save the Elephants war der Preis für Rohelfenbein in China im Jahr 2016 um 60 Prozent gesunken. Bald, so hofften die Tierschützer, würde auch die Anzahl gewilderter Elefanten sinken.

Doch die Preisentwicklung bei unbehandeltem Elfenbein war ein trüge­ri­sches Signal. Der Preis für verarbeitetes Elfenbein, wie Armbänder, Hals­ketten und Figuren, war bei zwei bis vier US-Dollar pro Gramm unverändert geblieben. Gut möglich, dass Händler und Mittelsleute mit dem günstiger eingekauften Elfenbein einfach eine grössere Marge erwirtschafteten. Karl Ammann beschloss, die Wirksamkeit des Elfenbeinhandelsverbots einem Fakten­check zu unterziehen.

Serie Blutige Trophäen

In der Serie von Mona Fahny geht es um den illegalen Handel mit Wildtierprodukten (etwa Elfenbein). Klingt exotisch, ist es aber nicht: Denn dieser Markt gehört zu den Tob Five der illegalen Märkte weltweit.

Teil 3

Der Kampf des Schweizers

Sie lesen: Teil 4

Und ewig lockt das Elfenbein

Teil 5

Das Geschäft mit dem Töten

Einmal mehr packte er in seinem Haus in Nanyuki, Kenia, seine Tasche. Foto- und Videokameras sowie Knopflochkameras für die versteckten Auf­nahmen. Wie so oft, wenn er in abgelegene Gegenden Afrikas und Asiens reiste, um Wildtierkriminalität zu dokumentieren. Diesmal reiste er nach China, Laos, Burma und Vietnam. Sein Ziel: herausfinden, wie sich der Markt für Elfenbein entwickelt hatte.

Die Ergebnisse der Recherchen sind ernüchternd. Elfenbein wird nach wie vor in grossen Mengen gehandelt, einfach auf anderen Kanälen. Kontrollen sind praktisch inexistent. Schlupflöcher gibt es viele. Ein Umdenken findet nicht statt. Dazu hat Elfenbein als Statussymbol für Chinesen einen zu hohen Wert.

Das Business im Nachbarsland

Die Händler, die ihre Läden in China schliessen mussten, haben einfach Läden in den Nachbarländern Laos, Burma und Vietnam eröffnet. In den von Chinesen kontrollierten Grenzenklaven in Laos und Burma boomt das Geschäft mit illegalen Wildtierprodukten. Ende 2017 kamen Händler aus China mit ihren Beständen an Elfenbein und ihrer Verarbeitungsausrüstung in Scharen über die Grenze. Auch in den Touristenhochburgen Luang Prabang in Laos und Mong Lah in Burma liessen sich Händler aus China nieder. Sie kauften oder mieteten Läden, die ohnehin schon Elfenbein, Rhinozeros-Horn und Schmuck aus Tigerknochen im Angebot hatten, und führten dort ihr Geschäft weiter. Ihren Kunden aus China macht es wenig aus, zum Einkaufen der begehrten Ware jetzt einen weiteren Weg in Kauf zu nehmen.

Chinesen verkaufen ihre Elfenbeinbestände im nahen Ausland, etwa in Luang Prabang in Laos. Karl Ammann

Am Eingang dieser Läden ist meistens ein Zeichen mit dem Symbol von Wechat angebracht, dem chinesischen Pendant zu Whatsapp, und ein Hinweis auf Gratis-WLAN. Die Idee dahinter: Die Kunden können die ver­botene Ware ihren Freunden zu Hause zeigen, und die können dann gleich ihre Bestellung aufgeben. Und wenn sie die Ware schliesslich über die Grenze nach Hause bringen, gehen Käufer trotz Import- und Handelsverbot praktisch kein Risiko ein.

Wie lasch die Kontrollen sind, sah Ammann am Flughafen von Hanoi. Als er mit seinem Team von der vietnamesischen Hauptstadt nach Guangzhou flog, filmte er am Flughafen heimlich ein Paar. Die Frau hatte Schmuckstücke aus Elfenbein gekauft und bewunderte sie am Abfluggate. Alle Passagiere und das Bodenpersonal konnten klar sehen, was sie in der Hand hielt. Die Ware war illegal. Niemand reagierte. In Guangzhou angekommen, folgte Ammanns Team dem Paar durch den Zoll. Niemand kontrollierte sie. Man sah auch nirgends Hunde, wie sie seit einiger Zeit an afrikanischen Flughäfen, zum Beispiel in Nairobi oder Entebbe, im Einsatz sind.

Solange der Besitzer nicht in flagranti beim Handel erwischt wird, hat er sowieso wenig zu befürchten. Die Behörden müssen beweisen, dass ein Stück illegal erworben wurde, was unmöglich ist, da die Stücke in der Vergangenheit – als der Besitz legal war – nicht registriert wurden.

«Wäre es China ernst mit dem seit Anfang 2018 geltenden Handelsverbot, würde bei der Einreise besser kontrolliert», sagt Ammann. «Vor allem bei Flügen aus den Nachbarländern.»

Zum Vergleich: Die Frau eines Bekannten Ammanns war in Nairobi am Flughafen wegen eines Armbands aus Elfenbein festgehalten worden. Das Armband hatte sie vor vierzig Jahren geschenkt bekommen. Den Behörden war das egal, sie musste 10’000 US-Dollar Busse zahlen. Wo Kenia offen­sicht­lich überreagiert, tut China das Gegenteil. Man schaut weg.

Boomender Internethandel

Auch das Geschäft im Internet blüht. Allein in Laos stellte Ammanns Team eine Liste von 42 Chinesen zusammen, die Elfenbein und weitere illegale Wildtierprodukte online nach China verkaufen. Mit Konsequenzen müssen die wenigsten rechnen.

Es hat sich kaum etwas geändert, seit der International Fund for Animal Welfare (IFAW) vor sieben Jahren recherchierte, wie viele illegale Wildtierprodukte in China im Internet angeboten werden.

Der IFAW durchsuchte eine Woche lang die Seiten von 13 Internethändlern und fand über 17’000 Elfenbeinprodukte im Angebot. Natürlich haben die grössten chinesischen Internethändler Taobao.com und Alibaba.com Filter eingerichtet, um Elfenbeinhändler zu entdecken. Die Suche nach «Elfenbein» führt dementsprechend nirgends hin. Doch illegale Händler benutzen einfach andere Begriffe und umgehen sämtliche Filter.

Auf seiner letzten Reise nach Guangzhou testete Amman erneut den Online­markt. «Unsere lokalen Mitarbeiter in Hongkong brachten Begriffe in Erfahrung, unter denen Onlinehändler Elfenbein verkaufen, beispielsweise ‹Jelly› oder ‹Yellow Plastic›», sagt Ammann. Kaufwillige Wechat-User hätten spezielle Ausdrücke und Emojis für so ziemlich jedes illegale Wild­tier­pro­dukt. Ein Onlinehändler verkaufte nebst Hunderten Elfenbeinprodukten Schuppentier Waagen, Anhänger aus Rhinozeros-Horn, Schmuckstücke aus Nashornvögeln und Schildpatt, Stücke aus Tigerknochen und sehr viel Schmuck aus Elefantenhaut. Ammann wollte wissen, ob die illegale Ware tatsächlich geliefert würde und ob sie echt sei. «Wir bestellten ein paar Pro­dukte und warteten.»

Und tatsächlich: Die bestellten Artikel kamen innert kurzer Zeit mit einem «wohlbekannten Kurierdienst» im Hotel in Guangzhou an. «Der Concierge erhielt das Paket und übergab es uns, ohne Fragen zu stellen», sagt Ammann.

Viele Onlinehändler behaupten offiziell, sie würden Mammutelfenbein ver­kaufen. Im Gegensatz zum Handel mit Elefantenelfenbein wäre dies legal. Doch: Wer Elefantenelfenbein kaufen will, erhält es auch. Ein Händler erklärte Ammanns Mittelsmann in China, dass alle Produkte auf seiner Website, die als Mammutelfenbein deklariert seien, tatsächlich von Ele­fanten stammten.

In chinesischen Shops für legales Mammutelfenbein floriert auch der Handel mit illegaler Ware. Karl Ammann

Jeglicher legale Markt biete Schlupflöcher für illegale Ware, kritisiert die Organisation Future for Elephants. Laien können antikes Elfenbein von frischem kaum unterscheiden. Unter dem Deckmantel «legalen» Elfenbeins werde erfahrungsgemäss massenhaft illegales Elfenbein mit gefälschten Zertifikaten auf den Markt geschleust.

Illegal ist sexy

Eine weitere Entwicklung macht Ammann Sorgen. Früher habe man vor allem teure handgeschnitzte Elfenbeinartefakte gesehen. «Diese High-End-Produkte haben die Nachfrage nicht angeheizt», sagt Ammann. «Schlicht, weil nur wenige sie sich leisten konnten.» Doch heute sind durch die maschi­nelle Verarbeitung vergleichsweise billige Produkte auf dem Markt. Gleichzeitig können sich mit steigendem Wohlstand mehr Menschen Elfen­bein­produkte leisten. Für die Elefanten ist das fatal.

Das Handelsverbot in China könnte die Lage sogar verschlimmern, erfuhr Ammann von seinen Kontakten in China. «Sobald etwas illegal ist, wird es erst recht faszinierend», sagt Ammann. Illegal ist sexy. Wer ein illegales Produkt besitzt, hat noch mehr Status. Das heizt die Nachfrage an.

The Wildlife Trade Monitoring Network (TRAFFIC) und der WWF haben 2017 in China in fünfzehn Städten eine Umfrage zum Konsum von Elfenbein durchgeführt.

  • 43 Prozent der Befragten sagten, sie möchten in Zukunft Elfenbein kaufen. Der Prozentsatz sank auf 18 Prozent, als das Handelsverbot bekannt wurde.

  • 51 Prozent der Millennials haben vom Handelsverbot gehört, und 21 Prozent wollen auch nach dem Handelsverbot Elfenbein kaufen.

«Erstaunlich ist, dass ganze 18 Prozent sagen, sie würden trotz Handelsverbot Elfenbein kaufen», sagt Ammann. «Wer gibt schon offen zu, etwas Illegales zu planen?» Chinas Bevölkerung beträgt 1,4 Milliarden Menschen. Wenn es «nur» 18 Prozent sind, die nach dem Handelsverbot Elfenbein erwerben wollen, sind es immer noch 250 Millionen Menschen. «Unvorstellbar, was dieser Konsum für Elefanten bedeuten würde!»

Die Republik hat Karl Ammanns Recherchen zum illegalen Handel mit Rhinozeros-Hörnern finanziell unterstützt – erste Resultate folgen als Teil 5 der Serie «Blutige Trophäen».

Serie Blutige Trophäen

Teil 3

Der Kampf des Schweizers

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Und ewig lockt das Elfenbein

Teil 5

Das Geschäft mit dem Töten