Debatte

Algorithmen in der Strafjustiz – Segen oder Albtraum?

Software soll potenzielle Täter erkennen und so Straftaten verhindern. Davor warnte eine Professorin in der Republik. Nun widersprechen ihr zwei Praktiker. Welche Argumente überzeugen Sie? Debattieren Sie mit.

10.10.2018

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Machen Computer psychologische Gutachten in der Strafjustiz bald über­flüssig? Sie kommen immer häufiger zum Einsatz, ihr Stellen­wert nimmt stetig zu. Das Rückfall­risiko, die Wahr­scheinlich­keit eines Gewalt­delikts, die Radikalisierungs­gefahr junger Extremisten: All das lässt sich theoretisch errechnen.

Strafrechtsprofessorin Nadja Capus warnte in der Republik vor zwei Wochen vor Technikfetisch. Die Gesellschaft zahle einen hohen Preis, wenn sie die Verantwortung an eine Maschine delegiere, die Folge sei eine menschlich entleerte, telematische Strafjustiz.

  1. Bei den Anwendern führe das zu einem Tunnel­blick. Wertungen, Erfahrung, Kontext: All das könne ein Algorithmus nicht ersetzen. Das Resultat: Man halte sich sklavisch an die Zahlen.

  2. Je mehr man sich auf die Maschine verlasse, desto weniger gedankliche Anstrengung sei nötig. Künftigen Generationen von Justiz­angestellten würde so Urteils­fähigkeit und kritisches Denken systematisch abtrainiert.

  3. Ohne Not würden Willensfreiheit und Menschenrechte untergraben.

Thomas Noll und Jérôme Endrass widersprechen heute in der Republik vehement. Nicht der Algorithmus, sondern die Glorifizierung menschlicher Erfahrung schade der Strafjustiz, den Opfern und den Tätern. Sich ausschliesslich auf Prognosen von Psychiatern abzustützen, sei eine Rückkehr in die forensische Steinzeit.

  1. Grade beim Errechnen der Rückfall­gefahr seien Algorithmen der menschlichen Intuition deutlich überlegen. Selbst erfahrene forensische Psychiater erzielten in Studien schlechtere Ergebnisse als Anfänger, die sich auf einfache Algorithmen stützten.

  2. Natürlich seien Algorithmen nicht überall geeignet. Wer aber bei weit verbreiteten Phänomenen wie häuslicher Gewalt Algorithmen dogmatisch ablehne, lasse unnötig viel Leid geschehen.

  3. Schliesslich seien Risiko­prognosen an vielen Stellen im Strafprozess gesetzlich vorgeschrieben. Die Frage sei nicht ob, sondern wie diese am besten erstellt würden.

Dies sind, stark verkürzt, die Argumente der beiden Seiten. Das Thema ist brisant und wir laden Sie ein, sich an der Debatte zu beteiligen.

Ihre Meinung ist gefragt: Sind Algorithmen objektiver und vorurteilsfreier als Menschen? Oder braucht es in jedem Fall die individuelle Beurteilung durch eine Expertin? Welche Argumente überzeugen Sie, wo sehen Sie Probleme?

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