Was diese Woche wichtig war

Tsunami verwüstet Indonesien, Aufstand gegen Kavanaugh – und Mazedonien will nicht anders heissen

Woche 40/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Adelina Gashi und Isabelle Schwab, 05.10.2018

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Naturkatastrophen in Indonesien

Darum geht es: Die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom vergangenen Freitag auf der indonesischen Insel Sulawesi forderte bislang über 1400 Tote. Am Dienstag brach auf der Insel zu allem Übel auch noch der Vulkan Soputan aus. Auf der Insel Sumba, im Osten des Landes, kam es wenige Tage später ebenfalls zu einem starken Erdbeben.

In Palu haben rund 60’000 Menschen ihre Häuser verloren. Ulet Ifansasti/Getty Images

Warum das wichtig ist: Besonders schlimm traf die Naturkatastrophe die Stadt Palu auf der Insel Sulawesi. Tausende Menschen wurden verletzt, Hunderte werden noch vermisst. Die Behörden rechnen damit, dass die Zahl der Toten weiter steigen wird. 60’000 Menschen haben ihre Häuser verloren. Der Strom ist ausgefallen, es fehlt an Wasser und Nahrung. Mittlerweile kommt es zu Plünderungen und Überfällen durch Banden. Mit Militär­flug­zeugen werden Verletzte ins nahe gelegene Makassar geflogen, wo sie versorgt werden. Der Flughafen in Palu wird von etlichen Menschen blockiert, die versuchen, aus Sulawesi wegzukommen, weshalb Flüge gestrichen werden mussten.

Indonesiens Regierung hat unterdessen um Unterstützung aus dem Ausland gebeten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 190’000 Menschen auf Hilfe angewiesen sind, davon sollen 50’000 Kinder sein. Der Vulkan Soputan spuckt zurzeit Asche. Er befindet sich mehrere hundert Kilometer von Palu entfernt. Wie gross der Schaden auf der Nebeninsel Sumba ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Unmittelbar nach der Katastrophe wurde Kritik am Tsunami-Frühwarnsystem laut. Ein solches wurde nach der verheerenden Welle im Jahr 2004 installiert. Es habe einwandfrei funktioniert, sagen daran beteiligte deutsche Experten. Die zuständige Behörde Indonesiens hatte demnach eine Warnung ausgegeben, sie nach einer halben Stunde aber wieder aufgehoben.

Indonesien wird immer wieder von Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis geplagt. Die Inselgruppe liegt auf dem Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für Experten und Wissenschaftlerinnen ist die Naturkatastrophe auf Sulawesi dennoch eher ungewöhnlich. Das Erbeben verlief seitwärts und nicht auf und ab. Das heisst, die tektonischen Platten haben sich horizontal und nicht vertikal gegeneinander verschoben, wie es üblicherweise der Fall ist, wenn Tsunamis auftreten.

Was nun geschieht: Die Helferinnen und Helfer vor Ort genauso wie das Militär bemühen sich nach Kräften, weitere Verletzte zu bergen und die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Verschiedene Hilfs­orga­ni­sa­tio­nen sammeln Geld, um den Menschen auf Sulawesi zu helfen. Heute, am 5. Okober, führt die Glückskette eine nationale Sammelaktion durch.

Hausarrest für italienische Integrations-Ikone

Darum geht es: Bekannt war er für seine Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten. Nun wurde der Bürgermeister der kalabrischen Stadt Riace, Domenico Lucano, verhaftet und steht unter Hausarrest. Ihm wird vorgeworfen, illegale Einwanderung begünstigt und einen Auftrag der öffentlichen Hand ohne Ausschreibung vergeben zu haben.

Warum das wichtig ist: Lucano erreichte internationale Bekanntheit, weil ihm in Riace gelang, wovon europäische Staaten noch träumen: Mithilfe von Asylsuchenden verhalf er der Kleinstadt an der kalabrischen Küste zu neuem Leben. Die Bewohner waren Ende der 90er-Jahre ihrerseits ausgewandert, um im Ausland Arbeit zu finden. Lucano sorgte zunächst als einfacher Bürger, später als Bürgermeister dafür, dass die Asylsuchenden arbeiten und lernen konnten. Heute gilt Riace als Musterbeispiel für gelungene Integration: Das Modell Riace ist die Antithese zu den Abschottungs­ten­den­zen Italiens. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, wie sie sonst für Mafiosi durchgeführt wird, wurde Domenico Lucano am Dienstag in aller Frühe verhaftet. Die Vorwürfe: Er soll Scheinehen mit italienischen Staats­angehö­rigen ermöglicht haben. Und: Er habe die Abfallentsorgung ohne öffentliche Ausschreibung an zwei Kooperativen vergeben, die mit Flüchtlingen arbeiten. Auch wurde er zunächst der Veruntreuung und Bestechung angeklagt. Letztere Anschuldigungen wurden mittlerweile fallengelassen.

In Rom protestieren Bürger gegen die Verhaftung von Domenico Lucano. Christian Minelli/Zuma/Imago

Seit dem Rechtsruck der italienischen Regierung im Sommer schlägt Lucano eine steife Brise aus Rom entgegen. Der Schriftsteller und Unterstützer Lucanos Roberto Saviano wirft Innenminister Matteo Salvini nun vor, die Ermittlungen politisch auszuschlachten. Auf Facebook schrieb er: «Die Regierung unternimmt damit den ersten Schritt hin zur definitiven Transformation Italiens von einer Demokratie zu einem autoritären Staat.» Salvini seinerseits kommentierte die Festnahme auf Twitter: «Wow, wer weiss, was Saviano und all die Gutmenschen, die Italien mit Einwanderern füllen wollen, jetzt sagen werden?»

Was als Nächstes geschieht: Die Verhaftung Lucanos spaltet die italienische Öffentlichkeit. Links und rechts beschuldigen sich gegenseitig, die Ermittlungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Lucano soll bis zu seiner Verhandlung unter Hausarrest bleiben.

Tesla: Ablasshandel für Klimasünder

Darum geht es: Tesla trat 2017 über hundert seiner Fahrzeuge an Schweizer Autoimporteure ab. Dank der Nullemissionsfahrzeuge senkten die Importeure mittels simpler Rechnung ihre durchschnittlichen CO2-Emissionswerte: Sauberes Auto plus dreckiges Auto geteilt durch zwei gleich zwei einigermassen saubere Autos. Auf diese Weise konnten Importeure weiterhin PS-Boliden mit hohen Emissionswerten ankaufen, ohne allzu hohe Bussen zu bezahlen.

Warum das wichtig ist: Nach Richtlinie des Bundes müssen Schweizer Autoimporteure den CO2-Ausstoss ihrer Flotten auf 130 Gramm pro Kilometer und Fahrzeug senken. Ein Ziel, das sie noch nicht erreicht haben. Aktuell liegen sie bei 134 Gramm. Die Branche muss darum alle Jahre wieder Bussen in Millionenhöhe zahlen. Zuletzt für das Jahr 2017 insgesamt 2,9 Millionen Franken. Gäbe es die Hintertüre mit Tesla nicht, wären die Durchschnittswerte und somit auch die Bussen erheblich höher. Die Abtretungen sind eine Spezialität des Schweizer Rechts – und ergo legal. Sie wurden vom Schweizer Parlament geschaffen, damit die Branche die Klimaziele des Bundes einfacher erreichen kann. Tesla hält sich diesbezüglich bedeckt. Noch 2014 war die Firma gesprächiger, als sie ankündigte, ihre Schweizer Flotte zu versteigern, gemeinsam mit Zertifikaten um 4000 Franken. Bei Bussen von über 10'000 Franken pro Dreckschleuder lohnen sich für die Schweizer Importeure die Kompensationsgeschäfte mit Teslas.

Was als Nächstes geschieht: Ab 2020 gelten strengere Grenzwerte für CO2-Emissionen. Der Grenzwert wird dann auf 95 Gramm pro Kilometer und Fahrzeug sinken. Tesla wird damit zu einem noch begehrteren Importpartner.

Namensänderung Mazedoniens abgelehnt

Darum geht es: Mazedonien will nicht anders heissen. Ein entsprechendes Referendum ist vergangenen Sonntag gescheitert, weil die Stimmbeteiligung zu gering war.

Warum das wichtig ist: Obwohl die befragten Bürger und Bürgerinnen das Referendum annahmen, reichte die Stimmbeteiligung von 37 Prozent nicht aus, das geforderte Quorum liegt bei 50 Prozent. Das Referendum zur Änderung des Staatsnamens von Mazedonien in «Nordmazedonien» wäre für die europäische Annäherung des Landes zentral gewesen. Seit 27 Jahren herrscht zwischen Mazedonien und Griechenland ein Konflikt, der eine Eingliederung Mazedoniens in die euro-atlantischen Strukturen blockiert. Die griechische Regierung wehrt sich seit Jahren gegen die Bezeichnung «Mazedonien», da sie Ansprüche auf die gleichnamige nordgriechische Provinz fürchtet. Den Kompromiss, Mazedonien mit dem Anhängsel «Nord-» zu versehen, hatte die Regierung um Ministerpräsident Zoran Zaev zusammen mit der EU-Kommission eingefädelt. Zaev warb bei der Bevölkerung damit, dass bei einer Annahme des Referendums die Beitritts­ver­handlungen mit der EU und der Nato beschleunigt würden. Die Opposition führte eine grosse Gegenkampagne, in der sie die Mazedonier dazu aufrief, die Abstimmung zu boykottieren.

Was als Nächstes geschieht: Der Volksentscheid ist nicht bindend. Darum lässt sich Regierungschef Zaev nicht beirren und legt den Antrag dem Parlament vor. Dieses entscheidet vermutlich nächste Woche, ob es zu einer Namensänderung kommt oder nicht. Zaev braucht dafür eine Zweidrittel­mehr­heit, doch das könnte knapp werden. Denn die Opposition wird sich nicht umstimmen lassen. Bei einer erneuten Absage an den neuen Namen hat Zaev Neuwahlen angekündigt.

Top-Juristen der USA warnen vor Brett Kavanaugh

Darum geht es: Nach der denkwürdigen Anhörung vor dem Senat, in der sich Brett Kavanaugh, Donald Trumps Kandidat für den obersten Gerichtshof, zu Vorwürfen sexueller Gewalt äussern musste, stimmte der Präsident einer Untersuchung durch das FBI zu. Jetzt protestieren hunderte Uni-Professorinnen und Professoren gegen die bevorstehende Bestätigung Kavanaughs durch den Senat.

Warum das wichtig ist: Das Oberste Gericht der USA kann über die Ver­fas­sungs­mässigkeit jedes Gesetzes und jedes Entscheids einer Behörde oder eines Unternehmens befinden. De facto macht das Gericht häufig dort selber Politik, wo die Politik zögert. Es ist also für beide politischen Kräfte des Landes entscheidend, wie das Gremium zusammengesetzt ist. Eine Bestätigung Brent Kavanaughs als Richter würde dem konservativen Flügel auf Jahre eine Mehrheit verschaffen. Die Konsequenzen könnten weitreichend sein. Unter anderem steht das Recht auf legale Abtreibung auf dem Spiel.

Nun haben zuerst 650 und später über 1000 Jura-Professorinnen und Professoren des ganzen Landes einen Aufruf gegen Kavanaugh unterzeichnet. Als Grund geben sie nicht die im Raum stehenden Anschuldigungen wegen einer mutmasslichen sexuellen Attacke auf Christine Blasey Ford an, die vor dem Senatskomitee aussagte. Sondern das «aggressive und aufrührerische» Verhalten des Kandidaten im Laufe des Hearings: Kavanaugh habe sich dadurch als Richter disqualifiziert, egal für welches Gericht.

Was als Nächstes geschieht: Die FBI-Ermittlungen sind gestern Donnerstag abgeschlossen und dem Senat übergeben worden. Die Republikaner sehen darin keine neuen Erkenntnisse und wollen Kavanaugh so schnell wie möglich wählen. Die Demokraten kritisieren die Untersuchung als unzureichend. Der Senat könnte Brett Kavanaugh bereits am Samstag bestätigen. Allerdings nur, wenn in den Reihen der 51 Republikaner im Senat niemand ausschwärmt. Die Demokraten wiederum hoffen darauf, die Bestätigung hinauszögern zu können – und bei den Halbzeitwahlen am 6. November die republikanische Mehrheit zu brechen.

Zum Schluss: Geld wird weiblicher (nur kurz)

Am Montag ernannte Christine Lagarde, die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Gita Gopinath zur neuen IWF-Chefökonomin. Erstmals sitzen nun zur gleichen Zeit drei Frauen auf den Chefökonomenposten von IWF, Weltbank (Pinelopi Koujianou Goldberg) und OECD (Laurence Boone). Auf den Banknoten dieser Welt sind jedoch noch immer mehrheitlich Herren abgebildet.

Ganz zum Schluss: Hazel Brugger in Dresden (auch kurz)

Das Departement des Äusseren (EDA) gab nach den Ereignissen in Chemnitz eine Reisewarnung für den Osten Deutschlands aus. Die Schweizer Satirikerin und Slam-Poetin Hazel Brugger ging hierauf in die sächsische Hauptstadt Dresden. Für das ZDF-Format «heute-show» hat sie Passanten gefragt, wie gefährlich es in ihrer Stadt sei.

Dies ist ein Youtube-Video. Wenn Sie das Video abspielen, kann Youtube Sie tracken.
Hazel Brugger in Dresden: Wie gefährlich ist es in Deutschland? | heute-show vom 28.09.2018

Top-Storys: Das Beste der anderen

Coming of Age in Ostdeutschland: Die Geschichte eines jungen Mannes, der in der DDR aufwächst und nach dem Mauerfall mit der Perspektiv­losigkeit ringt. Wut und Resignation paaren sich in diesem Text und zeichnen ein Bild von Ostdeutschland in den 90ern.

Ererbter Reichtum: Der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten hat sich stets als Selfmade-Man verkauft. Die «New York Times» zeigt in einer minutiösen Recherche auf, dass er Hunderte Millionen Dollar direkt von Papa Trump erhielt. Und das ist längst nicht alles. Ein Artikel, den zu lesen sich lohnt, auch wenn Trump drüber steht. (Und hier noch die Zusammen­fassung für Eilige.)

Die unsterbliche Nudel: Instant Noodles gelten als das erfolgreichste Exportgut Japans. Die BBC zeichnet die Erfolgsgeschichte des Fertiggerichts multimedial nach: von der Gefängniswährung zur Gourmetmahlzeit. Und wieder zurück.

Nobelpreis für Donna Strickland: Nach 55 Jahren bekommt erstmals wieder eine Frau den Nobelpreis in Physik. «The Atlantic» zeigt auf, wie ein Wikipedia-Moderator noch im Mai einen Eintrag zu Donna Strickland ablehnte, weil die angegebenen Referenzen nicht zeigten, dass sie sich für einen Eintrag qualifiziere. Seit Dienstag konnten Besucher nun der Entstehung des Wikipedia-Eintrags live beiwohnen.

Wenn ich doch jedes Mal einen Dollar erhielte, wenn Facebook «Data Leak» sagt: Wenige Tage nachdem Facebook bekannt gab, dass Hacker potenziell Zugriff auf 90 Millionen Accounts hatten, entdeckt der «Independent» die ersten Facebook-Datenpakete im Darkweb: 3 bis 12 US-Dollar soll ein Account kosten.

Was diese Woche wichtig war

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