Was diese Woche wichtig war

Rechtsrutsch in Schweden, Klimaziele in Gefahr – und der Papst unter Druck

Woche 37/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 14.09.2018

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Rechtspopulisten etablieren sich in Schweden

Darum geht es: Bei den Wahlen in Schweden haben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten mit knapp 18 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt. Die traditionellen Blöcke Rot-Grün und Liberal-Konservativ erreichen beide keine Mehrheit im Parlament. Die Sozialdemokraten bleiben die stärkste Kraft.

Warum das wichtig ist: Für die Schweden ist der Erfolg der Populisten eine Premiere. Zwar blieben die Schwedendemokraten unter den erwarteten 20 Prozent Stimmenanteil, für die Regierungsbildung sind sie dennoch relevant. Sollte die regierende rot-grüne Allianz unter Führung der Sozialdemokraten keine Regierung über die Blockgrenzen zustande bringen, wird es am liberal-konservativen Block liegen, über den Graben hinweg eine Mehrheit zu finden. Eine Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten lehnten die etablierten Parteien bisher ab. Vor allem ein Gesicht prägt die Schwedendemokraten, jenes von Jimmie Åkesson, der mit seinem widersprüchlichen Programm und seiner einnehmenden Art durch das Land tourte. Die rechtspopulistische Partei hat eine nazistische Vergangenheit und polarisiert mit radikalen Vorstössen wie der Forderung nach einem Asylstopp für aussereuropäische Geflüchtete und einem EU-Austritt.

Rechtspopulist im Aufwind: Schwedendemokrat Jimmie Åkesson lässt sich am Wahlsonntag feiern. Michael Campanella/Getty Images

Was als Nächstes geschieht: Die traditionellen Parteien haben bereits signalisiert, über die Blockgrenzen hinweg koalieren zu wollen. Sie geben sich flexibel, um Åkesson keinen Raum zu geben. Mittelfristig wird seiner Bewegung aber ein fester Platz in der Parteienlandschaft und vielleicht sogar in der Regierung eingeräumt werden müssen. So zumindest schätzt der schwedische Politologe Anders Widfeldt im «Echo der Zeit» die Lage ein.

EU-Parlament stärkt Verlagsrechte trotz heftiger Kritik

Darum geht es: Das EU-Parlament hat am Mittwoch einer umstrittenen Reform des Urheberrechts zugestimmt. Mit dem sogenannten Leistungsschutz sollen die Interessen der Verlage vor grossen Internetkonzernen geschützt werden.

Warum das wichtig ist: Die Piratin Julia Reda, Abgeordnete in der Grünen-Fraktion, hatte sich mit einer breiten Koalition von Netzaktivisten, darunter der Erfinder von HTML und Mitbegründer des World Wide Web, Tim Berners-Lee, gegen das neue Regelwerk eingesetzt. Wikipedia Deutschland hatte am Tag vor der Abstimmung mit einer verdunkelten Website protestiert. Im Juli hatte das Parlament den Vorschlag des Rechtsausschusses noch zurückgewiesen. Konkret werden Plattformen wie Google News zukünftig verpflichtet, für die Veröffentlichung von Zeitungsausschnitten die Erlaubnis der jeweiligen Verlage einzuholen und dafür zu zahlen. Plattformen wie Youtube wären zudem verpflichtet, von Nutzerinnen hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Dies wird angesichts der zu bewältigenden Menge wohl zur Einführung von Upload-Filtern führen. Kritiker befürchten einen bürokratischen Apparat und die Unterdrückung von kreativen Werken, die gefiltert würden, obwohl sie legal wären.

Was als Nächstes geschieht: Nach der deutlichen Annahme der Reform verhandeln nun Vertreterinnen des EU-Parlaments mit der EU-Kommission und dem Rat der Mitgliedsländer über eine Umsetzung des neuen Gesetzestextes.

Klimatreffen in Bangkok ohne Resultat

Darum geht es: Nach dem Pariser Klimaabkommen trafen sich Vertretungen aus 190 Ländern in Bangkok, um ein Regelwerk für das abschliessende Treffen in drei Monaten zu formulieren. Das Ziel, in einem gemeinsamen Text verbindliche Massnahmen festzulegen, wurde dabei nicht erreicht.

Warum das wichtig ist: Nach dem Enthusiasmus am Klimagipfel 2015 in Paris ist die Stimmung drei Jahre später im Keller. Damals waren fast alle Staaten der Welt für Massnahmen zu gewinnen, um den globalen Temperaturanstieg bis 2100 auf unter 2 Grad Celsius zu limitieren. Als Vorbereitung auf ein abschliessendes Treffen im polnischen Kattowitz kommenden Dezember verhandelten die beteiligten Staaten in Bangkok über eine verbindliche Formulierung zu den finanziellen Bemühungen: 100 Milliarden US-Dollar sollten reiche Länder und private Firmen zugunsten von Entwicklungsländern aufbringen. Koordinierte Demonstrationen über den ganzen Globus mit Hunderttausenden Teilnehmenden begleiteten das Klimatreffen in der thailändischen Metropole. Doch die 6 Tage andauernden Verhandlungen blieben ohne konkrete Ergebnisse.
Von diversen Seiten wird dabei den Vereinigten Staaten vorgeworfen, die Verhandlungen torpediert zu haben. «Die USA spielen nicht länger mit, aber sie setzen noch immer die Regeln», sagte ein Delegierter anonym. Die USA nahmen am Gipfel teil, obwohl Donald Trump angekündigt hatte, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Bis 2020 ist Amerika offiziell noch der Roadmap des Abkommens verpflichtet. Europäischen Staaten wurde vorgeworfen, sich hinter den USA zu verstecken.

Was als Nächstes geschieht: Ohne verbindliche finanzielle Verpflichtungen der reichen Länder droht sich die Umsetzung des Abkommens zu verzögern. Schafft es der polnische Vorsitz im Dezember nicht, die Vertragsstaaten in letzter Minute zu Zugeständnissen zu bewegen, verkommt das Pariser Abkommen zur Farce.

Papst wegen Kindsmissbrauch in der Kirche unter Druck

Darum geht es: USA, Deutschland, Indien – derzeit brennt es an allen Fronten in der katholischen Kirche. Berichte über sexuelle Missbräuche, vor allem an Kindern, zwingen Papst Franziskus zu einer dezidierten Reaktion. Am Mittwoch kündigte er eine Bischofskonferenz zu Kindsmissbrauch im Februar an.

Warum das wichtig ist: Fast 900 Seiten stark war der Bericht, den eine Grand Jury im US-Bundesstaat Pennsylvania im August verabschiedete. Über dreihundert Priester waren darin aufgelistet und angeschuldigt, Übergriffe auf Kinder verübt zu haben. Der Bericht zu den Vergehen in der katholischen Kirche erschütterte die amerikanische Öffentlichkeit – und rüttelte auch am Heiligen Stuhl: In einem offenen Brief beschuldigte Erzbischof Carlo Maria Viganò Papst Franziskus, die Missbräuche vertuscht zu haben. Am Mittwoch bot der Erzbischof von Washington, Donald Wuerl, dem Papst seinen Rücktritt an.

Mitte September nun erschient auch der Bericht der deutschen Bischöfe zu den Missbräuchen in der Zeit zwischen 1946 und 2014. 3677 mutmassliche Opfer listet das Dokument auf und folgert nach konservativer Schätzung, dass sich 4,4 Prozent aller Kleriker in diesem Zeitraum strafbar gemacht haben sollen. In Zahlen macht das 1670 Täter – Priester, Ordensmänner und Diakone. Gestern Donnerstag und heute findet in Berlin ein Kongress von Betroffenen sexueller Gewalt statt.

Auch in Indien brodelt es: Nonnen in der Region Kerala protestierten im Namen einer Ordensschwester, die den Bischof von Jalandhar der Vergewaltigung beschuldigte. Polizei und Kirche sollen das Opfer zudem nach dem Übergriff eingeschüchtert haben.

Was als Nächstes geschieht: Innerhalb der katholischen Kirche tobt derzeit ein Kampf. Konservative Kreise wollen den aus ihrer Sicht in vielen Fragen zu liberalen Papst loswerden. Franziskus’ Strategie, die Angriffe und Berichte mit Schweigen zu quittieren, geht nicht mehr auf. Mit der Ankündigung der Konferenz hofft der Papst offenbar, die Diskussion wieder mitgestalten zu können.

Medienkrieg der Stürme (nur kurz)

Florence heisst er, und er steuert direkt auf die US-amerikanische Ostküste zu. Dort sind 1,7 Millionen Menschen dabei, ihre Wohngebiete zu verlassen – oder sie bleiben aus Trotz erst recht. Auf allen Kanälen erfährt man derzeit Details von den Vorbereitungen; die erwartete Zerstörung wird zum Medienereignis. Zeitgleich braut sich am anderen Ende der Welt etwas zusammen: Grösser als der Wirbel um Florence ist nicht nur die Schlagkraft von Super-Taifun Mangkhut. Unmittelbar betroffen sind mit etwa drei Millionen Menschen auf den Philippinen und danach der Metropole Hongkong auch massiv mehr Leute. In den hiesigen Medien richtet der asiatische Supersturm im Gegensatz zum amerikanischen aber höchstens Randbemerkungen an.

Das Auge des Taifuns von der ISS aus gesehen: Während sich Florence der US-Ostküste nähert, bewegt sich Mangkhut (Bild) auf die Philippinen und Hongkong zu. Alexander Gerst/Newscom/Eyestone/Keystone

Top-Storys: Was die Redaktion diese Woche bewegte

Sergei Skripal: Anfang Jahr wurde der ehemalige russische Spion in London vergiftet. Wer er war und was er mit Wladimir Putin zu tun hatte, lesen Sie im schönen Stück der «New York Times».

Berlin im Wandel: Ein halbes Leben hat die Erzieherin Marina König in Berlin-Kreuzberg gearbeitet. Und um sie herum veränderte sich alles. Ihr Protokoll dazu im «Tagesspiegel».

Rodrigo Duterte: Der philippinische Präsident scheut vor keinem Mittel zurück, seinen Drogenkrieg durchzuziehen. Wie er sich dabei auch Facebook zunutze machte, erklärt «BuzzFeed».

Content Management: «So wie Duterte die Philippinen vor Drogen und Kriminellen beschützt, mache ich dasselbe in meinem Job», sagt einer, der im Auftrag grosser Techkonzerne in Manila soziale Netzwerke von brutalen Inhalten säubert. Er ist einer von Zehntausenden. Noch bis morgen Samstag ist der sehenswerte Dok dazu auf Arte freigeschaltet.

Was diese Woche wichtig war

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