Briefing aus Bern

Der Kuhhandel lebt, dazu Waffen und die Umwelt

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (24).

Von Dennis Bühler, 13.09.2018

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Sobald der Kuhhandel gestern Abend unter Dach und Fach war, bedankte sich Nationalratspräsident Dominique de Buman bei seinen Kolleginnen und Kollegen. Die fast neunstündige Diskussion über die Steuervorlage 17 und ihre Verknüpfung mit der AHV habe erhöhte Konzentration verlangt, sagte der CVP-Politiker. «So viel Konzentration wie sonst selten.»

Und tatsächlich: Was die 200 Volksvertreter im Bundeshaus in Bern während des ganzen Tages debattierten, war wesentlich komplizierter als der Verkauf von Vieh: Es ging um Dividendenbesteuerung, zinsbereinigte Gewinnsteuern, Patentboxen und das Kapitaleinlageprinzip. Am Ende aber war es exakt wie beim im Vorfeld viel zitierten Kuhhandel, diesem Geschäft, bei dem nichts wichtiger ist als das Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer und bei dem jeder Deal per Handschlag geschlossen wird: Jede beteiligte Partei hielt Wort – das Zusammenspiel von SP, FDP, CVP und BDP funktionierte.

Der Grund für die Reform: Die Schweiz muss international verpönte Steuerprivilegien abschaffen. Um die Abwanderung von Firmen zu vermeiden, möchten die bürgerlichen Parteien eine ganze Palette von Gegenmassnahmen. Das aber geht nach dem Scheitern der Unternehmenssteuerreform III vor anderthalb Jahren nur mit dem Einverständnis der SP. Und die liess sich ihre Zustimmung mit zwei Zusatzmilliarden für die AHV versüssen.

Finanzminister Ueli Maurer bezeichnete die Verknüpfung der zwei Themen vor kurzem als «kleines Kunstwerk des politischen Kompromisses». Wenn man so will, befinden sich die Künstler seit gestern Abend auf der Zielgeraden: Die Differenzen zum Ständerat sind nur noch marginal, in zwei Wochen dürfte die Vorlage endgültig beschlossen werden.

Trotz klarer Mehrheit im Parlament: Der Kuhhandel wird vermutlich eine Volksabstimmung überstehen müssen – ein Referendum gilt als wahrscheinlich. Äussern wird sich die Stimmbevölkerung dereinst wohl auch zur Frage, ob Waffenexporte in Bürgerkriegsländer geliefert werden sollen. Genauso zur Übernahme der EU-Waffenrichtlinie.

Womit wir beim Briefing aus Bern wären und der Frage, was diese Woche ausser dem Handel mit Kühen auch noch wichtig war.


Initiative will Waffenexporte in Kriegsregionen verbieten

Das müssen Sie wissen: Eine überparteiliche Allianz will mit einer Volksinitiative Waffenexporte in Bürgerkriegsländer verhindern. Die Chancen stehen gut: In weniger als 48 Stunden haben 25’000 Personen zugesagt, dass sie je vier Unterschriften für die Volksinitiative sammeln wollen.

Deshalb ist das nötig: Der Bundesrat sowie die sicherheitspolitischen Kommissionen wollen, dass in Zukunft auch Waffenexporte in Bürgerkriegsländer möglich werden. Es wäre die zweite Lockerung der sogenannten Kriegsmaterialverordnung nach 2014. Damals entschied das Parlament, Waffenexporte auch in Länder zuzulassen, die die Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzen. Die Allianz will die beiden Änderungen nun mit einer Volksinitiative rückgängig machen.

So geht es weiter: In knapp zwei Wochen wird der Nationalrat eine aktuelle Debatte zum Export von Kriegsmaterial führen. Direkte Auswirkungen wird die Diskussion jedoch keine haben. Nur eine Volksinitiative kann den Entscheid des Bundesrates kippen. Immerhin: Sein Versuch, die Lockerung still und heimlich durchzupeitschen, ist gründlich misslungen.

Kompromiss bei Waffenrichtlinien – ohne die Schützen

Das müssen Sie wissen: Der Ständerat will weder die Europäische Union noch die Schweizer Schützinnen vergraulen. Deshalb will er den Schützen bei der Umsetzung der neuen EU-Waffenrichtlinie zwar entgegenkommen, das neue Regelwerk aber nicht so lasch ausgestalten, dass die Schengen-Mitgliedschaft gefährdet wird. Damit ist das internationale Übereinkommen gemeint, mit dem die Grenzkontrollen innerhalb Europas im Jahr 2008 weitgehend abgeschafft wurden. Als Mitglied muss die Schweiz neue Richtlinien zwingend übernehmen.

Wie sieht der Kompromiss aus? Der Ständerat fällte diese Woche sowohl Entscheide zugunsten der Schützinnen als auch Entscheide zugunsten der EU. So freuen sich die Schützen darüber, dass eine nach der Dienstzeit direkt übernommene Ordonnanzwaffe auch in Zukunft nicht zu den verbotenen Waffen zählen soll.

So geht es weiter: Kommenden Montag ist wieder der Nationalrat am Zug. Er hat sich in der Vergangenheit für eine weichere Umsetzung starkgemacht als nun der Ständerat. Doch selbst wenn er den Schützinnen weit entgegenkommen sollte, bleibt es wahrscheinlich, dass diese das Referendum ergreifen werden. Die Rechtsaussen-Organisation Pro Tell, die für ein freiheitliches Waffenrecht kämpft, hat das bereits angekündigt. Kommen 50’000 Unterschriften zustande, wird die Sache im nächsten Mai an der Urne entschieden. Ganz nach dem Gusto der SVP: Sie könnte vor den herbstlichen Parlamentswahlen 2019 auf allen Kanälen gegen die EU wettern.

Schweizer denken bei der Umwelt vor allem national

Das müssen Sie wissen: Im Inland geht es der Umwelt zwar besser als vor zwanzig Jahren. Dafür belasten wir sie aber im Ausland umso mehr, wie eine am Montag präsentierte Studie des Umweltdepartements für den Zeitraum von 1996 bis 2015 zeigt. Die Gesamtumweltbelastung pro Schweizerin überschreitet das für den Planeten verträgliche Mass um mehr als das Dreifache.

Das können Sie tun: Gemäss der Studie haben die Bereiche Wohnen, Mobilität und Ernährung den grössten Einfluss auf den Umweltfussabdruck der Schweiz. Wenn Sie etwas Gutes tun wollen, verzichten Sie also bis zum Erscheinen des nächsten Briefings aus Bern auf den Konsum tierischer Produkte, zu deren Herstellung es importierte Güter braucht oder die aus dem Ausland kommen. So reduzieren Sie die Treibhausgasemissionen. Und dann verreisen Sie mit dem Zug in die Herbstferien statt mit dem Flugzeug.

Das bringt die Zukunft: In zehn Tagen stimmt die Schweiz über zwei Landwirtschaftsvorlagen ab, die sich gleichen wie Geschwister, ohne Zwillinge zu sein. Beide Volksinitiativen wollen eine ökologischere Landwirtschaft, die umweltschonender und fairer produziert. Ihre Chancen allerdings sind minim: Eine gestern präsentierte Umfrage lässt ein zweifaches Nein erwarten. Dennoch bleibt die Umwelt ein Hauptthema der Schweizer Politik: In der nächsten Session wird der Nationalrat im November und im Dezember die Totalrevision des CO2-Gesetzes behandeln. Mit dieser will der Bundesrat das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen und die Treibhausgasemissionen in der Schweiz bis 2020 um mindestens 20 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken.

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