Briefing aus Bern

Schweizer Waffen in Syrien, Eritreer müssen gehen und Genfer Fast-Bundesrat steht vor Anklage

Das Wichtigste in Kürze aus dem Bundeshaus (23).

Von Elia Blülle, 06.09.2018

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Es ist der nächste Skandal in einer langen Liste von Skandalen, die es alle nicht hätte geben dürfen. Am Wochenende berichtete der «SonntagsBlick», dass in Syrien wieder Schweizer Handgranaten aufgetaucht sind. Die von der bundeseigenen Rüstungsfirma Ruag hergestellten Waffen sind vermutlich über die Vereinigten Arabischen Emirate in den Besitz des sogenannten Islamischen Staates gekommen. 2003 hatte der Bund den Verkauf von 225’000 Handgranaten an die Emirate bewilligt.

Eigentlich will das Schweizer Gesetz verhindern, dass solches Kriegswerkzeug in Konfliktregionen oder bei Terrororganisationen landet. Trotzdem passiert es immer wieder.

Wieso?

Eine mögliche Antwort gab die Eidgenössische Finanzkontrolle am Montag. In einem Prüfbericht stellt sie dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), welches für die Rüstungskontrolle zuständig ist, ein miserables Zeugnis aus: Die Behörde wahre die nötige Distanz zu den beaufsichtigten Firmen nicht, inländische Inspektionen fänden viel zu selten statt. Zudem seien die vom Seco durchgeführten Kontrollen in den Exportländern nicht wirksam und würden bloss Ressourcen verschwenden. Das Fazit der Finanzkontrolle: In der Vergangenheit sei das Kriegsmaterialgesetz zugunsten der Rüstungsindustrie ausgelegt worden.

Just dieses Gesetz will der Bundesrat nun weiter aufweichen. Geht es nach der Regierung sowie den Sicherheitskommissionen von National- und Ständerat, sollen Waffen in Bürgerkriegsländer exportiert werden dürfen, sofern das Risiko gering ist, dass die Waffen im Krieg zum Einsatz kommen.

Die jüngste Enthüllung stellt mehr denn je infrage, ob das eine gute Idee ist. Darum kündet auch eine Allianz aus linken und Mitteparteien ein Referendum an. Wie will der Bund den Export von Waffen in instabile Regionen kontrollieren, wenn er daran bereits mit dem heutigen, strengeren Gesetz scheitert?

PS: Unser Autor Urs Bruderer erklärt, wie es im Bundesrat zum rüstungspolitischen Richtungswechsel gekommen ist, und Michael Rüegg fragt sich, was der neue Verordnungsartikel für die Zukunft bedeutet.

Und hier kommt das Briefing aus Bern. Was ist letzte Woche sonst noch passiert?


Bund schiebt 20 Eritreer ab – zumindest auf dem Papier

Das müssen Sie wissen: Vor einigen Monaten hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es für vorläufig aufgenommene Eritreer zumutbar ist, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Deshalb musste der Bund nun bei 250 Eritreern überprüfen, ob sie weiterhin in der Schweiz bleiben dürfen oder nicht. Das Ergebnis: 20 Eritreer müssen das Land verlassen.

Das ist der Haken: Die Eritreer können nicht ausgeschafft werden. Denn die Schweiz hat mit der afrikanischen Diktatur kein Rücknahmeabkommen. Das heisst: Wenn die Eritreer die Schweiz nicht freiwillig verlassen, bleiben sie hier. Das Problem: Sie landen in der Nothilfe, haben keine Möglichkeit zu arbeiten und versinken in der Perspektivlosigkeit.

So geht es weiter: Bis Mitte 2019 überprüft das Staatssekretariat für Migration 2800 weitere vorläufige Aufnahmen eritreischer Bürger. In jedem einzelnen Fall analysiert es, ob eine Rückkehr zumutbar ist. Gut möglich, dass es zu weiteren Ausweisungen kommt – die dann ebenfalls kaum vollzogen werden können.

Mehr dazu: Benjamin von Wyl hat für die Republik die Geschichte des Eritreers Negasi Sereke aufgeschrieben. Der Flüchtling setzt sich mit Facebook-Posts und Videostreams für die Diaspora in der Schweiz ein und erreicht damit Zehntausende. Und unser Autor Carlos Hanimann erklärt in seinem Kommentar, wieso das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Entscheid in Kauf nimmt, Asylsuchende in Folter und Zwangsarbeit zu treiben.


Strafuntersuchung gegen Ex-Bundesratskandidat Maudet?

Das müssen Sie wissen: Der Genfer Regierungsratspräsident Pierre Maudet war ein Politiker auf der Überholspur: 40 Jahre alt, Bundesratskandidat, Hoffnungsträger des gesamten Freisinns. Übrig geblieben ist ein Scherbenhaufen – die Staatsanwaltschaft will gegen ihn ermitteln.

Das ist das Problem: 2015 reiste Maudet mit Stabschef und Familie nach Abu Dhabi. Im Raum steht der Vorwurf der amtlichen Vorteilsnahme, denn die Reise wurde von der Prinzenfamilie des arabischen Emirats bezahlt. Maudet hat in der Vergangenheit immer behauptet, er habe die Reise privat unternommen und nicht in seiner Funktion als Regierungsratspräsident. Doch die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

So geht es weiter: Die Vorwürfe sind happig. Die Staatsanwaltschaft fordert die Aufhebung der Immunität, damit sie gegen Maudet ermitteln kann. Bestätigen sich die ersten Vorwürfe, dürfte seine politische Karriere vorbei sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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