Briefing aus Bern

Für Europa und gegen die Arbeiter, Zivis müssen länger dienen – und täglich grüsst das SVP-Murmeltier

Das Wichtigste aus dem Bundeshaus (18).

Von Elia Blülle, 28.06.2018

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Was wie ein mittelalterliches Folterinstrument tönt, schützt Arbeiter vor Lohndumping und schlechten Arbeitsbedingungen. Die Rede ist von den flankierenden Massnahmen.

2004 hat der Bund diesen Schutz eingeführt, um die Folgen der Personenfreizügigkeit abzufedern. Unternehmen müssen auch bei ausländischen Arbeitskräften minimale Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten.

Die EU stört sich gewaltig am Schweizer Arbeiterschutz. Ihr Problem: Die flankierenden Massnahmen führen dazu, dass Deutsche oder Französinnen lieber in der Schweiz arbeiten als in einem anderen europäischen Land. Sprich: Mit den hohen Löhnen schützt sich die Schweiz vor Konkurrenz aus dem Ausland, und sie unterbindet den Wettkampf. Nun wagt Bundesrat Ignazio Cassis einen kühnen Schritt. Indem er die flankierenden Massnahmen aufweicht und so der EU entgegenkommt, will er das Rahmenabkommen retten. Am Samstag sagte er an der FDP-Delegiertenversammlung: Ohne Zugeständnisse der Schweiz beim Arbeiterschutz gebe es kein Rahmenabkommen mit der EU.

Der Bundesrat steckt nun in einem klassischen Dilemma: Weicht er den Arbeiterschutz auf, zieht er den geballten Zorn der Gewerkschaften auf sich. Die flankierenden Massnahmen waren eine ihrer grössten Errungenschaften. Fürchtet sich der Bundesrat aber vor den Linken und schlägt er den Wunsch der EU aus, riskiert er das wichtige Rahmenabkommen.

An der gestrigen Bundesratssitzung konnte sich die Regierung noch nicht entscheiden, welchen Weg sie einschlagen will. Der Gesamtbundesrat wird die Diskussionen wohl am kommenden Mittwoch an seiner nächsten Sitzung fortsetzen. Wie sie ausgehen und wie der Bundesrat das Dilemma löst, erfahren Sie nächste Woche, wieder hier im «Briefing aus Bern».

PS: Flankierende Massnahmen, Rahmenabkommen ... Bahnhof? Heidi Gmür hat in der NZZ alles zusammengefasst, was Sie zur Schweizer Europapolitik wissen müssen.

Und hier kommt – flankiert von Mexiko und John Dalhuisen – das «Briefing aus Bern».


Bundesrat schiesst Zivis ab

Das müssen Sie wissen: Männer, die Waffen und Kriege verachten, müssen in der Schweiz keinen Militärdienst leisten. Stattdessen gehen sie in den Zivildienst, der eineinhalbmal länger dauert. Vor allem rechten Politikern ist der Zivildienst ein Dorn im Auge. Sie bringen ihn alljährlich auf die politische Agenda. Der neuste Streitpunkt: Immer mehr Soldaten wechseln nach der viermonatigen Rekrutenschule in den Zivildienst und treten aus der Armee aus. Auf diese Weise hat das Militär im vergangenen Jahr 2700 ausgebildete Soldaten verloren. Das stört den Bundesrat und die bürgerlichen Parteien.

Das will der Bundesrat: dem Zivildienst die Attraktivität nehmen. Die Idee: Wer direkt aus der Rekrutenschule in den Ersatzdienst wechselt, soll länger Neophyten ausrupfen und Kinder betreuen, als das bisher der Fall war. Indem der Bundesrat die Diensttage erhöht, will er verhindern, dass Soldaten in den Ersatzdienst abwandern.

So geht es weiter: Der Vorschlag geht jetzt in die Vernehmlassung, bei der sich Organisationen und Parteien zum Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat äussern können. Der Verband der Zivis Civiva droht bereits mit dem Referendum.


Die SVP kämpft wieder gegen Europa

Das müssen Sie wissen: Täglich grüsst das Murmeltier. Die Schweizerinnen müssen sich mit der nächsten Anti-Europa-Initiative der SVP beschäftigen. Die Partei hat 125000 Unterschriften zur Kündigung der Personenfreizügigkeit gesammelt. Das Abkommen mit der EU garantiert den freien Personenverkehr und die freie Wahl des Arbeitsortes innerhalb Europas.

Das will die Initiative: die Personenfreizügigkeit kündigen. Warum? Weil der Vertrag dazu führe, dass es einen hohen Lohndruck gebe und ältere Arbeiterinnen in der Schweiz keinen Job mehr finden würden.

Darum ist das heikel: Es gibt eine Guillotineklausel. Alle bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU sind miteinander verknüpft. Fällt eine der Abmachungen, fallen alle.


Nationalbank soll keine Waffen finanzieren

Das müssen Sie wissen: Die Schweizer Nationalbank investiert Geld in die Rüstungsindustrie. Im Jahr 2015 hat die Nationalbank zum Beispiel Aktien von amerikanischen Atomwaffenproduzenten im Wert von 600 Millionen Dollar gekauft. Das ärgert die Jungen Grünen und die GSoA. Sie sammelten für ein Verbot solcher Geschäfte 105’000 Unterschriften. Letzte Woche reichten sie die «Kriegsgeschäfte-Initiative» ein.

Das will die Initiative: Nationalbank, Stiftungen und Pensionskassen sollen nicht mehr in die Produktion von Waffen investieren dürfen.

So geht es weiter: Wir stimmen ab. Zuerst besprechen aber das Parlament und der Bundesrat das Anliegen und geben eine Empfehlung ab.

Mehr dazu: Wie investiert die Nationalbank in Rüstungsfirmen? Die SRF-Rundschau hat recherchiert. Hier finden Sie den Beitrag.


Zahlen der Woche: Alte Schweizer, hohe Sozialausgaben

Im Jahr 2016 hat die Schweiz 170 Milliarden Franken für die soziale Wohlfahrt ausgegeben – rund 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Hauptgrund für den Anstieg: Die Schweizer Bevölkerung wird immer älter. Die Renten aus der Altersvorsorge nehmen zu, und die Gesundheitskosten steigen. Die Belastung der Krankenkassen wächst mit jedem Jahr.

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