Was diese Woche wichtig war

Merkel gegen Seehofer, EU gegen Memes – und Hosen für die Freiheit

Woche 25/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 22.06.2018

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Deutscher Innenminister riskiert Bruch mit Merkel

Darum geht es: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Innenminister Horst Seehofer streiten derzeit über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die Geister scheiden sich an der automatischen Rückweisung von Asylsuchenden an der Grenze.

Warum das wichtig ist: Eigentlich hätte Seehofer vorletzten Dienstag seinen «Masterplan» zur Asylpolitik vorstellen wollen. Merkel aber intervenierte und sagte die vereinbarte Pressekonferenz kurzfristig ab. In den Tagen danach verschärfte sich der Graben zwischen Merkels CDU und ihrer bayrischen Schwesterpartei CSU von Seehofer. Dieser will, dass Deutschland Asylsuchende, die bereits von einem anderen Schengen-Land registriert wurden, direkt an der Grenze zurückweist. Für Merkel ist dies inakzeptabel, sie fordert eine «gesamteuropäische Lösung». Bis zu einem Krisentreffen Ende letzter Woche verschärfte sich die Situation. Seehofer drohte Merkel, seine Massnahmen im Alleingang durchzusetzen – und riskierte damit die Aufkündigung der Koalition und der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag zwischen CDU und CSU. Merkel bedingte sich schliesslich zwei Wochen Zeit aus, um die europäischen Partner für eine gemeinsame Lösung bei den Zurückweisungen zu überzeugen.

Was als Nächstes geschieht: Im Eiltempo berief Merkel einen informellen Sondergipfel «interessierter Staaten» am nächsten Sonntag ein. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz spricht derweil von einer «Achse der Willigen» und meint damit Deutschland, Österreich und Italien, deren Innenminister einen harten Kurs gegen Flüchtlinge fahren wollen. Wie dies der Koalition in Deutschland bekommen wird, ist offen.

USA reissen Familien auseinander und verlassen Uno-Menschenrechtsrat

Darum geht es: Der amerikanische Präsident lässt Kinder illegaler Migranten an der mexikanischen Grenze von ihren Eltern trennen und in Lagern unterbringen. Die Massnahme führte zu empörter Kritik im Land und international. Nachdem sich auch der Uno-Hochkommissar für Menschenrechte zu Wort gemeldet hatte, kündigten die USA am Mittwoch ihren Rückzug aus dem Menschenrechtsrat der Uno an.

Darf das Kind bei seiner Mutter bleiben? Eine Mexikanerin mit ihrer zwei Jahre alten Tochter wird nach Überquerung des Rio Grande von einem Grenzpolizisten kontrolliert. John Moore/Getty Images

Warum das wichtig ist: Seit Mitte April sollen fast 2000 Kinder an der Grenze zu Mexiko von ihren Eltern getrennt worden sein. Selbst konservative Republikanerinnen kritisierten die Praxis und riefen den Präsidenten dazu auf, ihr ein Ende zu setzen. Trump reagierte darauf, indem er den Demokraten die Schuld an der Situation zuschob. Die «Huffington Post» zeigte auf, dass die Trennung von Familien unliebsamer ethnischer Gruppen in den USA eine lange Vorgeschichte hat. Nachdem auch der Uno-Hochkommissar für Menschenrechte die Praxis als «skrupellos» bezeichnet hatte, kündigten die USA den Austritt aus dem Rat an. Die USA hatten den Menschenrechtsrat seit Monaten für seine «heuchlerische» Arbeit kritisiert. Aussenminister Pompeo nannte als Grund für den Rückzug unter anderem die «gut dokumentierte Voreingenommenheit des Rates gegenüber Israel». Am Mittwoch krebste Trump zurück und unterzeichnete ein Dekret, das Familientrennungen stoppt.

Was als Nächstes geschieht: Kinder von Migranten sind für Trump offenbar nur ein Druckmittel, damit er eine harte Revision der Asylgesetze durchbekommt. Und für sein eigentliches Ziel – eine Mauer an der Grenze zu Mexiko. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Kongress den Vorstellungen des Präsidenten beugen wird.

Duque gewinnt Präsidentschaftswahlen in Kolumbien

Darum geht es: Bei den Präsidentschaftswahlen vergangenes Wochenende in Kolumbien hat der rechtskonservative Iván Duque vor seinem linken Herausforderer gewonnen.

Warum das wichtig ist: Das Land wählte zum ersten Mal seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit der Farc-Guerilla einen neuen Präsidenten. Die Diskussion um den Vertrag dominierte den Wahlkampf. In Kolumbien sind vor allem konservative Kreise unglücklich mit dem Abkommen, das dem scheidenden Präsidenten Juan Manuel Santos den Friedensnobelpreis einbrachte. Duque kritisierte im Wahlkampf die in seinen Augen zu grossen Zugeständnisse an die Rebellen. Viele kamen im Vertrag mit relativ milden Strafen davon, zudem wurden der Farc garantierte Sitze im Parlament zugesprochen. Bekanntheit erlangte der als unerfahren geltende Duque vor allem durch seinen politischen Ziehvater, Senator Álvaro Uribe, der von 2002 bis 2010 Kolumbiens Präsident war. Beobachterinnen befürchten, dass der neue Präsident zu Uribes Marionette werden könnte.

Was als Nächstes geschieht: Duque sprach früher davon, den Friedensvertrag «in Fetzen zu reissen». Etwas sanftmütiger kündigte er während des Wahlkampfs Korrekturen an. Damit läuft das Land Gefahr, den Pfad der Versöhnung zu verlassen und erneut in eine Gewaltspirale zu geraten.

Neues EU-Urheberrecht will Internetkultur an den Kragen

Darum geht es: Am Mittwoch stimmte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments für eine Reform des europäischen Urheberrechts.

Warum das wichtig ist: Es ist Artikel 13 des Gesetzesvorschlages, der die fundamentalste Veränderung brächte: Früher entfernten Videoplattformen wie Youtube geschützte Inhalte nur aufgrund von Klagen, etwa der Musikindustrie. Neu wären die Betreiberinnen selbst für den von Benutzern hochgeladenen Inhalt verantwortlich und dazu verpflichtet, Filter zu installieren. Da diese Filter nicht genügend intelligent sind und Firmen Klagen fürchten, würden damit flächendeckend künstlerische Inhalte zensiert, wie Kritikerinnen befürchten. Treffen würde es unter anderem Memes. Sie machen Gebrauch vom sogenannten Recht auf Remix, reissen also geschütztes Material aus dem Kontext und verwenden es – urheberrechtlich gesprochen – in einem neuen Werk.

Ist das nun lustig – oder eine Verletzung des Urheberrechts? Meme von Fry aus der TV-Serie «Futurama». Memegenerator

Zu reden gab auch der Artikel, der Abbildungen und Verlinkungen von geschützten Inhalten regelt. Plattformen sollen demnach den Verlagen Beiträge zahlen, wenn sie etwa mit Artikeln oder Auszügen Dritter auf ihren Seiten mit Werbung Geld verdienen. Eine «Linksteuer» will die EU aber nicht einführen.

Was als Nächstes geschieht: Das Plenum des EU-Parlaments wird voraussichtlich Anfang Juli über den Antrag seines Rechtsausschusses befinden. In der Regel folgt das Parlament den Anträgen seiner Ausschüsse. Netzaktivisten werden nun versuchen, gegen das Gesetz zu mobilisieren.

Zum Schluss: Eine kleine Beinfreiheit im Exil (nur kurz)

Von geflüchteten Rohingya-Männern wird berichtet, dass sie sich in ihrem Exil in Bangladesh an einer neuen Freiheit erfreuen – jener, Hosen zu tragen. Nach Aussagen von Geflüchteten waren Hosen für die muslimische Minderheit in Burma informell verboten. Obwohl die vorherrschende Kleidung auch für Männer der buddhistischen Mehrheit der Sarong ist, gelten Hosen, einst von britischen Kolonialherren ins Land gebracht, als Zeichen von Wohlstand und Bildung. Um die Rohingya in der Gesellschaft abzuwerten, sei ihnen die Freiheit verwehrt worden, westliches Beinkleid zu tragen. Die neue Mode wird von ihren Trägern auch als Zeichen der Integration in die neue Heimat Bangladesh verstanden, wie ein Geflüchteter sagt: «Wir leben jetzt in einer Demokratie. Und in Demokratien trägt man Hosen.»

Was diese Woche wichtig war

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