Briefing aus Bern

Ein wenig Transparenz, eine schwache Quote und eine Beschwerde der CVP

Das Wichtigste aus dem Bundeshaus (17).

Von Elia Blülle, 21.06.2018

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Liebe Leserschaft,

Letzte Woche beendete das Parlament die zweite Session des Jahres. Was hat Bundesbern entschieden?

Die Debatten zur Selbstbestimmungs-, Zersiedelungs- und Hornkuhinitiative standen im Mittelpunkt. Alle drei Anliegen lehnt das Parlament mit klaren Mehrheiten ab. Voraussichtlich noch in diesem Jahr kommen die Initiativen an die Urne. Umstritten dürfte vor allem die Selbstbestimmungsinitiative sein, mit der die SVP nationales Recht über Völkerrecht stellen will.

Ohne grosse Diskussion hat das Parlament das neue Gen-Gesetz verabschiedet. In der Debatte gab es nur einen umstrittenen Punkt: Eine Minderheit wollte, dass Personen, die eine Lebensversicherung abschliessen, die Resultate allfälliger Gentests an die Versicherung abgeben müssten. Dieses Anliegen scheiterte. Es gilt also weiterhin die bisherige Regelung: Versicherungen dürfen Testresultate nur bei Lebensversicherungen über 400'000 Franken und bei privaten Invaliditätsversicherungen mit einer Jahresrente über 40'000 Franken einfordern.

Das Parlament hat in der Sommersession auch entschieden, dass es sich selbst einen Hauch mehr Transparenz verordnen will. Eine Nachricht, bei der man nicht weiss, ob es eine gute oder eine schlechte ist: Künftig müssen National- und Ständeräte in einem Register der Interessenbindungen auch ihren Arbeitgeber angeben und offenlegen, ob sie mit einem ausserparlamentarischen Mandat Geld verdienen. Wie viel sie dabei bekommen und für wen die zutrittsberechtigten Lobbyisten arbeiten, bleibt im Dunklen. Einem transparenten Lobbyregister verschliessen sich die Räte weiterhin. Ist also die neue Regelung aus dem Parlament nur Zucker fürs Volk oder tatsächlich ein Schritt hin zu mehr Transparenz?

Hier kommt – mit einem grossen Fragezeichen – das Briefing aus Bern.

Das Wichtigste aus der letzten Woche der Sommersession

So etwas wie eine Frauenquote: Der Frauenanteil in Verwaltungsräten von grossen Unternehmen soll mindestens 30 Prozent betragen, in den Geschäftsleitungen 20 Prozent. Das hat der Nationalrat mit der Revision des Aktienrechts beschlossen. Die Regelung ist sehr schwach. Sie soll nur für Firmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen gelten, und bei einer Verletzung der Quote sind keine konkreten Sanktionen vorgesehen. Wie umstritten selbst solche weichen Quoten immer noch sind, zeigt das Abstimmungsresultat: Mit 95 zu 94 Stimmen akzeptierte der Nationalrat die neue Regelung nur ganz knapp. Lustige Randnotiz: Die neuen Richtlinien ermöglicht hat SVP-Politiker und Quotengegner Roger Köppel. Er fehlte an der entscheidenden Abstimmung im Nationalrat.

Gegenvorschlag zur Konzernverantwortung: Der Nationalrat hat einen Gegenvorschlag zur Konzerninitiative beschlossen. Die Konzerninitiative will Schweizer Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Verletzen sie im Ausland Menschenrechte oder schädigen sie die Umwelt, sollen sie dafür in der Schweiz bestraft werden. Der Gegenvorschlag des Parlaments unterscheidet sich vor allem in drei Punkten: Kleine Betriebe sind von der Sorgfaltspflicht ausgenommen, Konzerne sollen nicht für Verletzungen ihrer Zulieferer verantwortlich sein, und die Haftung ist nur auf Fälle mit Schäden an «Leib und Leben oder Eigentum» beschränkt. Akzeptiert auch der Ständerat in der nächsten Session den Gegenvorschlag unverändert, will das Initiativkomitee seinen ursprünglichen Vorschlag zurückziehen.


Muss die Schweiz eine Volksabstimmung wiederholen?

Das müssen Sie wissen: In der Schweiz bezahlen bestimmte Ehepaare mit hohem Einkommen mehr Steuern als unverheiratete Paare mit vergleichbarem Lohn. Grund dafür ist, dass bei einer Heirat die Einkommen zusammengelegt werden und darum ein höherer Steuersatz zählt. Nun hat die Steuerverwaltung offengelegt, dass von der sogenannten Heiratsstrafe weit mehr Personen betroffen sind als bisher angenommen. Der Bund geht davon aus, dass im Jahr 2016 mehr als 450'000 Ehepaare benachteiligt waren – 370'000 mehr als ursprünglich gedacht.

Darum ist das problematisch: 2016 stimmte das Schweizer Stimmvolk gegen die Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» ab. Damals forderte die CVP, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren aufzuheben. Das Ergebnis war sehr knapp: 50,8 Prozent lehnten die Initiative ab. Ausschlaggebend für das Nein an der Urne war, dass die CVP mit der Initiative auch eine Definition der Ehe als Beziehung zwischen Mann und Frau in die Verfassung schreiben wollte. Die Christdemokraten sehen das aber anders. Weil der Bundesrat damals mit falschen Zahlen argumentiert habe, sei die Initiative gescheitert. Die CVP reicht nun in acht Kantonen eine Beschwerde ein. Sie fordert eine Wiederholung der Abstimmung, weil der Bund die Bevölkerung falsch informiert habe.

So geht es weiter: Die kantonalen Gerichte werden die Beschwerde wohl ans Bundesgericht weiterleiten, das am Ende entscheiden muss. Bisher wurde in der Schweiz noch nie eine Volksabstimmung wiederholt, weil es dafür sehr hohe juristische Hürden gibt. Es ist also davon auszugehen, dass die Beschwerde keine Chance hat.


In den Bürgerkrieg mit Schweizer Waffen

Das müssen Sie wissen: In der Schweiz ist es verboten, Waffen an Länder zu liefern, in denen Bürgerkrieg herrscht. Das will der Bundesrat nun aber ändern. Neu soll die Industrie Kriegsmaterialien auch an Bürgerkriegsländer exportieren dürfen. Solche Deals will der Bundesrat aber nur dann erlauben, wenn es keinen Grund zur Annahme gibt, dass die Waffen im entsprechenden Konflikt zum Einsatz kommen.

Darum ist das problematisch: Obwohl das Schweizer Gesetz den Einsatz von Waffen in Bürgerkriegen verhindern will, tauchten in den vergangenen Jahren immer wieder Schweizer Kriegsmaterialien in Krisenregionen auf. Zuletzt setzte Bahrain 2016 im Jemen-Konflikt Kampfflugzeuge ein, für die die Schweiz Ersatzteile lieferte. Das hat gezeigt, wie schwierig es ist, die tatsächliche Nutzung von verkauften Waffen vorherzusehen. Die linken Parteien und verschiedenen humanitären Organisationen kritisieren deshalb die angestrebte Lockerung des Bundesrates scharf. Die SP meint, der Bundesrat zeige mit seinem Entscheid, dass er sich nicht für die humanitären Rechte in den Krisenregionen interessiere und nur den Wünschen der Rüstungsindustrie folge.

So geht es weiter: Der Entscheid des Bundesrats betrifft eine Verordnungsänderung. Das heisst, gegen die umstrittene Lockerung kann kein Referendum ergriffen werden. Sobald der Bund die Verordnung fertig ausgearbeitet hat, gilt sie.

Mehr dazu: Michael Rüegg setzt sich gerade heute intensiv mit diesem Thema auseinander. Seinen Artikel «Mit Kanonen auf Werte schiessen» lesen Sie hier.

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