Was diese Woche wichtig war

Italien mit neuer Regierung, Trump und Kim ohne Gipfel und die Schweiz mit steuerfreiem Geld

Woche 21/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Michael Kuratli, 25.05.2018

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Italien hat eine neue Regierung

Darum geht es: Die Koalition der Lega Nord und der populistischen Movimento 5 Stelle (M5S) steht. Am Montag schlugen die beiden siegreichen Parteien der Parlamentswahlen vom März Giuseppe Conte als Premierminister vor. Staatspräsident Sergio Mattarella zögerte bei der Vergabe des Regierungsauftrags, da er Vorbehalte gegenüber dem vorgeschlagenen Kandidaten zu haben schien. Am Mittwochabend dann folgte er dem Vorschlag der beiden Parteien.

Giuseppe Conte am 23. Mai, nachdem er den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hat. Die «mission impossible» scheint ihn vorerst noch zu amüsieren. Alessandra Benedetti/Corbis/Getty Images

Warum das wichtig ist: Die viertgrösste Volkswirtschaft der EU braucht dringend wieder eine Regierung, die das Land stabilisiert. Die Parlamentswahlen vom März brachten jedoch keine einfache Situation. Die populistischen Parteien Lega und M5S gewannen, während die grossen Volksparteien auf die hinteren Ränge verwiesen wurden. Mit Conte einigten sich die Parteichefs Luigi Di Maio (M5S) und Matteo Salvini (Lega) auf einen Wirtschaftsprofessor ohne politische Erfahrung, der zudem nicht gewählt ist. Ausserdem wurde er noch beschuldigt, seinen Lebenslauf frisiert zu haben. Befürchtet wird, dass die beiden einen schwachen Ministerpräsidenten ausnutzen, um sich selbst in ihren Ministerien zu profilieren. Präsident Mattarella hatte wohl versucht, mit seiner Position wichtige Posten mit erfahrenen Politikerinnen zu besetzen, bevor er sein Einverständnis zu Conte gab. Seine Einmischung in den Regierungsbildungsprozess sieht die italienische Verfassung so vor. Nachdem die beiden Parteichefs jedoch mit Neuwahlen drohten, sollte Conte nicht bestätigt werden, gab der Staatspräsident nach.

Was als Nächstes geschieht: Streitig ist nach wie vor die Besetzung des Finanzministeriums, wo sich insbesondere Salvini den Euroskeptiker Paolo Savona wünscht. Gegen diesen wehrt sich aber Mattarella. Können sich die beiden Koalitionspartner nicht auf einen anderen Kandidaten einigen, könnte es für den designierten Conte bereits vor der Vereidigung ungemütlich werden.

Maduro bleibt Venezuelas Präsident

Darum geht es: Vergangenen Sonntag wählte die venezolanische Bevölkerung ihren Präsidenten. Zum Erstaunen der wenigsten heisst der neue gleich wie der alte. Nicolás Maduro soll 5,8 Millionen Wählerinnen hinter sich vereint haben, während sein stärkster Konkurrent Henri Falcón mit 1,8 Millionen abfiel.

Warum das wichtig ist: Venezuela war unter Hugo Chávez der Vorreiter eines neuen Sozialismus in Süd- und Mittelamerika. Das an Ressourcen reiche Land ist wirtschaftlich wichtig in der Region. Chávez’ Nachfolger Maduro brachte das Land jedoch vollends an den Abgrund. Die Geschichte der politischen Tragödie können Sie bei uns nachlesen. Die wenigsten Staaten akzeptierten die Wiederwahl Maduros. Unabhängige Wahlbeobachter waren nicht zugelassen, der Verlierer akzeptierte das Wahlergebnis nicht, die Opposition sprach von massiven Manipulationen.

Auch sie sind enttäuscht: Anhängerinnen des evangelikalen Pastors Javier Bertucci, eines klar gescheiterten Oppositionskandidaten, müssen zur Kenntnis nehmen, dass Präsident Nicolás Maduro eine weitere sechsjährige Amtsperiode antritt. Oscar B. Castillo/Bloomberg/Getty Images

Was als Nächstes passiert: Die USA haben nach den Wahlen neue Sanktionen gegen das Land ausgesprochen. Unter dem Versuch, Maduros Regierung den Geldhahn abzudrehen, wird vor allem die Bevölkerung leiden, die jetzt schon mit einer Hyperinflation und Hunger zu kämpfen hat. Maduro wird sich derweil – wie bisher – mit aller Gewalt an der Macht halten.

Trump sagt Gipfel mit Kim Jong-un ab

Darum geht es: Gestern Donnerstag sagte US-Präsident Trump den auf den 12. Juni angesetzten Gipfel mit Nordkoreas Machthaber ab.

Warum das wichtig ist: In einem Brief an Kim Jong-un sprach Trump von «enormer Wut» und «offener Feindseligkeit», die Kim in einem vorhergehenden Statement habe anklingen lassen. Gemeint ist die Reaktion auf ein Fernseh-Interview mit Trumps Vizepräsident Pence, in dem dieser Kim drohte, mit ihm wie mit Libyens ehemaligem Machthaber Ghadhafi zu verfahren – nicht gerade glimpflich. Der Absage Trumps ging während der letzten Wochen ein Pingpong der Eskalation voraus. Die Monate davor hatte sich Nordkorea in rasantem Tempo zur Entspannung mit Südkorea und der Abrüstung seines Nukleararsenals bereit gezeigt. Das Klima der Deeskalation in der Region scheint jetzt aber verflogen zu sein.

Was als Nächstes passiert: Trump liess in seinem Brief die Möglichkeit offen, dass sich die verfeindeten Staatsführer zu einem späteren Zeitpunkt treffen könnten. Wie Kim Jong-un auf die Absage Trumps reagieren wird, ist noch offen.

USA fährt harten Kurs gegen den Iran

Darum geht es: Nordkorea-Gipfel hin oder her, die vielleicht wichtigste aussenpolitische Entwicklung der USA diese Woche fand in der Konfrontation mit dem Iran statt. Nachdem die USA das Atomabkommen vorletzte Woche aufgekündigt hatten, drohte der neue Aussenminister Pompeo mit den «stärksten Sanktionen» gegen den Iran. Die EU versuchte derweil, den Atomdeal zu retten und europäische Firmen aus der Schusslinie zu nehmen. So erweiterte sie ein Gesetz, das europäische Firmen mit Interessen im Iran vor US-Sanktionen schützen sollte. Wie effektiv dieses jedoch sein wird, ist umstritten.

Warum das wichtig ist: Die USA fahren einen harten Kurs gegen den Iran und wollen die Regionalmacht zwingen, sich komplett aus dem Nahen Osten zurückzuziehen. Der Iran führt mit dem Erzfeind Israel in Syrien einen Stellvertreterkrieg und engagiert sich in der Region aussenpolitisch immer stärker. Diese an sich vom iranischen Atomprogramm losgelösten Entwicklungen im Nahen Osten werden immer enger damit verknüpft.

Was als Nächstes passiert: Bleiben die USA hart, drohen die neuen US-Sanktionen auch europäische Firmen zu treffen. Wehren sich die EU-Staaten konsequent für eine Umgehung der Sanktionen, droht ein transatlantischer Streit, der sich letztlich auf die unübersichtliche Lage im Nahen Osten auswirken wird und in einer weiteren Runde der Eskalation enden könnte. Wie lange das gehen kann, können wir aus der Geschichte lernen.

2100 Milliarden geben zu reden

Darum geht es: Seit der Schweizer Unternehmenssteuerreform II – die im Gegensatz zur bachab geschickten Nummer III knapp angenommen worden ist – können Firmen Kapitaleinlagereserven dafür nutzen, Aktionäre mit steuerfreien Dividenden zu locken. Vor allem linke Politikerinnen kritisieren diese Praxis und fordern mehr Klarheit vom Bundesrat.

Warum das wichtig ist: Dem schwindelerregend hohen, aber noch wenig aussagekräftigen Betrag von 2100 Milliarden Franken Kapitaleinlagen stehen 590 Millionen steuerbefreite Ausschüttungen gegenüber. Wem dieses Geld ausgezahlt, ob und wie es danach versteuert wurde, ist unklar. Laut Kritikern schafft das System Anreize für Investorinnen, über Jahre steuerfrei von Dividenden profitieren zu können. Gewisse journalistische Anlageberater frohlocken gar bei der Möglichkeit, den «Geldsegen» am «Steuervogt» vorbeizuschleusen.

Was als Nächstes passiert: Wie viele Steuern Bund, Kantonen und Gemeinden entgehen, wurde bisher nicht beziffert. Auch nicht, wie viel Kapital Schweizer Firmen eventuell durch das Instrument gewinnen konnten. Der politische Druck, dies zu klären, steigt aber.

Die romanische Schweiz verliert Zeitungen

Darum geht es: Letzten Donnerstag verkündete der Bischof von Lugano die Einstellung der Tessiner Tageszeitung «Giornale del Popolo» per sofort. Und auch in der französischen Schweiz soll über Pfingsten ein unchristlicher Entscheid gefällt worden sein. So berichtet die «Basellandschaftliche Zeitung», die Tamedia soll «laut einer gut unterrichteten Quelle» entschieden haben, das Boulevardblatt «Le Matin» in der Printausgabe einzustellen und nur noch auf eine Onlineausgabe zu setzen. Tamedia dementiert derweil.

Warum das wichtig ist: Well, wo soll man beginnen, ohne sich zu wiederholen? Schuld für die Einstellung gab die Diözese, Hauptaktionärin des «GdP», dem Kollaps der Werbevermarkterin Publicitas letzte Woche. Im «Echo der Zeit» sagte ein Tessiner Lokaljournalist dagegen, dass es auch sonst zu einer Einstellung gekommen wäre. Kritisiert wird ebenfalls, dass es keinen Plan B gebe. Die Schweiz verliert mit dem Blatt eine Eigenheit, nämlich die einzige katholische Tageszeitung. Immerhin bleibt dem italienischsprachigen Kanton eine vergleichsweise hohe Dichte von zwei Tageszeitungen. In der Romandie hingegen ist der publizistische Horizont bereits seit längerem verdüstert.

Was als Nächstes passiert: Die Angestellten des «GdP» unter der Direktorin Alessandra Zumthor riefen zu einer Solidaritätsbekundung auf und wollen weiterkämpfen. Für Scrollfreudige hat die Redaktion die über 1400 Unterstützenden online aufgelistet. Im Falle des «Matin» wartet man letztlich nur noch auf die Bestätigung aus Zürich.

Zum Schluss: Männersterben

Auf die Gefahr hin, diesen sonst eher leichteren Schluss zur literarischen Todesanzeigensparte verkommen zu lassen, dennoch der Hinweis auf zwei gänzlich unterschiedliche – und gewissermassen doch ähnliche – Herren, die diese Woche ihren Weg ins Jenseits angetreten haben. Mit Ernst Sieber ging ein Pfarrer von der Welt, der sich sein einundneunzigjähriges Leben lang damit auseinandersetzte, was es heisst, ein guter Christ zu sein – und die Antwort bei den Ärmsten der Armen fand.

Auf eher theoretischer Ebene befasste sich der andere Verschiedene mit der Religion. Philip Roth erforschte in seinen Romanen – mit denen allein sich ein mittelgrosses Bücherregal füllen liesse –, was es heisst, Jude zu sein. Was einen guten Juden ausmacht, fand er bis zu seinem Ende mit 85 nicht unbedingt heraus. Dafür wissen wir jetzt, was ein guter Schriftsteller ist.

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