Spuren des Geldes

Erst die Macht, dann die Millionen

Politiker parken privat teils fantastisch hohe Summen auf Schweizer Konten. Warum bekommen sie erst nach ihrem Sturz Probleme?

Von Mona Fahmy, 22.05.2018

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Mubarak, Ben Ali, Janukowitsch, Najib Razak. Eine winzige Auswahl ehemaliger Machthaber, die Konten auf Schweizer Banken hatten. Darauf wahrscheinlich: Bestechungsgelder.

Von diesen Konten erfährt die Öffentlichkeit fast immer erst nach dem Sturz der jeweiligen Herrscher. Oder wenn die Opposition oder ausländische Strafverfolger sie im Visier haben. Etwa im Fall des soeben abgewählten Premiers von Malaysia, Najib Razak, der die fantastische Summe von 4,5 Milliarden US-Dollar aus dem Staatsfonds 1MDB abgezweigt haben soll. Ein Teil des Geldes floss in die Schweiz.

Dass Najib die Wahl verlor, lässt die Bundesanwaltschaft hoffen. Sie ermittelt im Fall 1MDB seit August 2015 – mittlerweile gegen sechs Personen plus zwei Banken, die BSI und die Falcon Private Bank. Die Rechtshilfe aus Malaysia liess jedoch sehr zu wünschen übrig. Das könnte sich nun dramatisch ändern, jetzt, wo Najibs Gegner an der Macht sind. «Nach den jüngsten Entwicklungen in Malaysia ist die Schweizer Bundesanwaltschaft sehr daran interessiert, den Dialog mit den zuständigen Behörden wieder aufzunehmen», heisst es. Ein Austausch von Informationen könnte die Untersuchung entscheidend weiterbringen.

Die offizielle Schweiz will einen sauberen Finanzplatz. Sie tut viel, um das Image des sicheren Hafens für korrupte Gelder loszuwerden.

Nur: Weshalb muss ein Potentat erst fallen, bevor Banken seine Konten in der Schweiz melden? Weshalb muss es so gut wie immer erst Korruptionsvorwürfe von aussen geben? Oder Untersuchungen? Weshalb melden Banken nicht von Anfang an, dass ein möglicherweise korrupter hoher Politiker ein Konto bei ihnen hat?

Aus Gier ...

Manchmal schweigt die Bank wider besseres Wissen. Trotz mehrerer verdächtiger Transaktionen sah die Credit Suisse etwa im Fall eines ehemaligen mongolischen Finanzministers keinen Handlungsbedarf. Eine Verdachtsmeldung an die Meldestelle für Geldwäscherei schickte die Bank erst Jahre später nach der Publikation eines Berichts der «SonntagsZeitung».

... oder weil es keinen stört

Meist hat es aber einen einfachen, fast seriös klingenden Grund, dass Banken erst nach dem Sturz eines korrupten Politikers handeln oder wenn Vorwürfe laut werden. Dieser Grund heisst Realpolitik.

Spielen wir dies am Beispiel des gestürzten ägyptischen Machthabers Hosni Mubarak durch.

Bis zu seinem Sturz war Mubarak ein «Freund» des Westens – trotz bestens dokumentierter Menschenrechtsverletzungen und systematischer Korruption. Doch durch Ägypten verlaufen der Suezkanal sowie die Sumed-Pipeline, zwei Transportrouten für 2,9 Millionen Barrel Erdöl täglich. Ohne Suezkanal müssten Tanker Afrika umschiffen, was das Öl massiv verteuern würde. Ganz zu schweigen vom Engpass, den ein Ausfall der Pipeline verursachen würde. Zudem war Mubarak für die USA ein verlässlicher Partner an der Grenze Israels.

In kaum einem Land war Mubarak so oft zu Gast wie in Deutschland. Guido Westerwelle lobte seine «grosse Weisheit», Helmut Kohl gründete mit ihm die Mubarak-Kohl-Initiative, und Gerhard Schröder soll mit ihm eine enge Freundschaft gepflegt haben.

Auch mit der Schweiz herrschte Einigkeit. 2008 reiste der frisch gewählte Bundespräsident Pascal Couchepin als Erstes nach Kairo und lächelte beim Handshake mit Mubarak in die Kameras.

Hätten die Banken damals Gelder von Mubarak und seiner Entourage ablehnen sollen? Oder gar verdächtige Transaktionen melden?

Streng genommen: Schon.

Doch was hätten sie damit erreicht? Gestört hatten Mubaraks Geschäfte damals niemand. Das offizielle Ägypten hatte nie den geringsten Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die Gelder nicht rechtmässig erworben sein könnten. Und ein Grossteil der ägyptischen Bevölkerung machte die Faust im Sack. Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.

Die Banken, deren Geschäftszweck die Erbringung von Finanz- und nicht von Polizeidienstleistungen ist, hatten wenig Grund, etwas gegen ihr lukratives Geschäft zu unternehmen.

Der Sturz

Vom geachteten Präsidenten zum geächteten Potentaten ist es oft nur ein winziger Schritt. Nach Mubaraks Sturz 2011 wurden seine Vermögenswerte gesperrt. In der Schweiz entdeckte man die Gesamtsumme von 410 Millionen Franken. Alle gaben sich sehr überrascht. So, als hätte man nicht ahnen können, dass Mubaraks gewaltiges Vermögen höchstwahrscheinlich nicht aus seinem ersparten Präsidentengehalt stammte, sondern aus Korruption und sonstigen Verbrechen.

Geschichten wie die von Hosni Mubarak gibt es viele. Potentaten, die von westlichen Staatschefs im Amt als Partner hofiert und nach ihrem Sturz als Kriminelle geächtet werden.

Die Liste korrupter Politiker, die einen Teil ihres Vermögens in der Schweiz anlegten, ist lang. Da ist der in einer Revolution gestürzte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch mit 70 Millionen Franken. Der getötete libysche Diktator Muammar al-Ghadhafi und sein Clan mit 300 Millionen Franken. Der vertriebene tunesische Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali und sein Gefolge mit 60 Millionen Franken. Da sind der nigerianische Ex-Diktator Sani Abacha, der Bruder des früheren mexikanischen Präsidenten Raúl Salinas, die beiden im Exil verstorbenen Diktatoren vom Kongo und von den Philippinen, Mobutu Sese-Seko und Ferdinand Marcos. Die Schweiz hat Nigeria 700 Millionen US-Dollar zurückerstattet, Mexiko 74 Millionen und den Philippinen 683 Millionen.

Nach Ägypten hat die Schweiz hingegen nur 32 Millionen Franken überwiesen – das Geld des schwerreichen Stahlunternehmers Ahmed Ezz, eines ehemaligen Vertrauten von Mubarak. Ägypten hat alle Klagen wegen Korruption gegen ihn im Rahmen eines «Versöhnungsabkommens» fallen lassen. Ezz und einige weitere Geschäftsleute haben der Regierung nach ägyptischen Medien für die Prozessbeendigung mindestens 96 Millionen US-Dollar bezahlt. Dafür leben sie seither als freie Männer.

Da ohne Verurteilung keine Vortat auf Geldwäscherei vorliegen kann, musste die Bundesanwaltschaft den Deal unterstützen und die beschlagnahmten Gelder nach Ägypten überweisen.

Noch liegt kein Urteil gegen Hosni Mubarak oder seine Söhne vor. Ob ein solches je gefällt wird, hängt einzig davon ab, ob die jetzige Regierung eine Verurteilung für opportun hält. Solange die Möglichkeit besteht, dass Ägypten ein Urteil fällt und dadurch die nötigen Beweise liefert, läuft die Untersuchung gegen die sechs Personen (darunter Mubaraks Söhne) weiter. Und ihre 400 Millionen Franken bleiben gesperrt.

Wie viele Millionen weiterer zweifelhafter Politiker sich auf Schweizer Konten befinden, ist – noch – das Geheimnis der Banken. Unter Umständen wissen sie es selbst nicht einmal, wenn Konten von noch unverdächtigen Drittpersonen eröffnet wurden.

Das Einzige, was man mit Sicherheit wissen kann, ist Folgendes: Beim Sturz des nächsten Potentaten werden wir wieder ein Stück schlauer sein.

Illustration Friederike Hantel

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