Was diese Woche wichtig war

Europa für Digitalsteuer, Afrika für Freihandel – und Ärger für die Ruag

Woche 12/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Ihrem Expeditionsteam, 23.03.2018

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EU-Kommission plant Digitalsteuer

Darum gehts: Die EU-Kommission will Facebook, Twitter und Co. ans Portemonnaie. Am Mittwoch hat sie angekündigt, Konzerne aus der digitalen Wirtschaft stärker – in ihren Augen: fairer – zu besteuern.

Warum das wichtig ist: EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici will, dass Internetkonzerne mehr Steuern dort zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Bislang zahlen sie die vor allem an ihrem Firmensitz. Nun will die EU-Kommission solchen Unternehmen einen «digitalen Firmensitz» zuschreiben, wenn sie mindestens eines von drei Kriterien erfüllen: mehr als 100’000 Nutzer in einem Land, mehr als sieben Millionen Euro Umsatz oder mehr als 3000 Geschäftskunden bei digitalen Diensten. Hinzu kommt als Sofortmassnahme eine vorübergehende Steuer auf Gewinne, die mit Online-Anzeigen, Daten oder Vermittlungsdiensten erwirtschaftet werden. Die EU-Kommission hat vorgerechnet, dass die EU-Länder bei einem Steuersatz von drei Prozent rund fünf Milliarden Euro einnehmen könnten.

Was als Nächstes passiert: Beide Vorschläge müssen nun vom Europaparlament und den 28 EU-Mitgliedsstaaten angenommen werden. In Steuerfragen müssen die Länder einstimmig entscheiden. Ein schwieriges Unterfangen: Irland beispielsweise hat bereits Widerstand signalisiert.

Tod einer brasilianischen Politikerin sorgt für Proteste

Darum gehts: Die brasilianische Lokalpolitikerin Marielle Franco wurde vor neun Tagen in Rio de Janeiro mit vier Kopfschüssen hingerichtet. Die Umstände ihres Todes sind bislang unklar. Zehntausende gingen in Rio auf die Strasse, um gegen das Vorgehen der Regierung zu protestieren.

Warum das wichtig ist: Franco wurde 2016 als einzige Afrobrasilianerin ins Stadtparlament von Rio gewählt. Sie wuchs in einem Armenviertel auf, studierte nach dem Schulabschluss Soziologie und setzte sich als Aktivistin vor allem für Frauen, Afrobrasilianer, Homosexuelle und Arme ein. Die selber lesbische und alleinerziehende Mutter galt für viele Menschen in Rio als Vorkämpferin und als Kritikerin von Polizeigewalt. Franco hinterlässt eine 19-jährige Tochter sowie ihre Lebenspartnerin, die Architektin Mônica Tereza Benício.

Was als Nächstes passiert: Nicht nur in Brasilien, auch international sorgte ihr Tod für Proteste. Die Vereinten Nationen zeigten sich in einer Pressemitteilung entsetzt und forderten eine unabhängige Aufklärung des Mordes. Die brasilianische Regierung verurteilte das Verbrechen und kündigte eine umfassende Untersuchung an.

Dazu: «The Guardian» schrieb bisher den wohl besten Text zum Leben von Marielle Franco.

44 afrikanische Länder beschliessen Freihandelszone

Darum gehts: Am Mittwoch haben 44 afrikanische Länder in Ruanda ein Freihandelsabkommen unterschrieben, darunter wirtschaftliche Leistungsträger wie Kenia, Marokko, Ägypten, Äthiopien und Algerien. Elf Länder fehlen noch, darunter die beiden Schwergewichte Nigeria und Südafrika.

Warum das wichtig ist: Mit dieser sogenannten Continental Free Trade Area (CFTA) würden – wenn denn alle mitmachen – die 55 Länder der Afrikanischen Union zu einem gigantischen Wirtschaftsblock verschmelzen, mit 1,2 Milliarden Menschen und einem BIP über 2 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Die gut 500 Millionen Menschen in der EU erwirtschaften über 16 Billionen Dollar pro Jahr.

Was als Nächstes passiert: Laut dem Wirtschaftskommissar der Afrikanischen Union sollten die Länder, die jetzt noch «Bedenken hätten», den Vertrag bei der nächsten Tagung im Juli unterzeichnen.

EU: Bayer darf Monsanto kaufen

Darum gehts: Der deutsche Pharmariese Bayer darf den amerikanischen Saatgutriesen Monsanto kaufen, haben die Wettbewerbshüter der EU-Kommission verfügt. Allerdings unter strengen Auflagen. So muss Bayer Firmenteile im Wert von über 6 Milliarden Dollar abgeben, um keine Wettbewerbsgesetze zu verletzen. Mit dieser Entscheidung rückt der 62,5-Milliarden-Dollar-Deal seinem Abschluss einen bedeutenden Schritt näher.

Warum das wichtig ist: Umweltaktivisten und NGOs kritisieren die Übernahme scharf. Mit dem Kauf würden der weltweit zweitgrösste Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und der weltweit grösste Hersteller von Saatgut fusionieren. Nach den Deals zwischen den amerikanischen Riesen Dow und Dupont sowie ChemChina und Syngenta wäre dies das dritte Mal, dass sich weltweite Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln zusammenschliessen.

Was als Nächstes passiert: Jetzt müssen noch die amerikanischen Wettbewerbsbehörden den Kauf absegnen.

Türkei hat Menschenrechte verletzt

Darum gehts: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstag die Türkei verurteilt. Diese habe mit der Inhaftierung der beiden türkischen Journalisten Mehmet Altan und Sahin Alpay deren Grundrechte verletzt.

Warum das wichtig ist: Damit schliessen sich die Richter in Strassburg dem türkischen Verfassungsgericht an. Das hat die Inhaftierungen bereits mehrfach für menschenrechtswidrig erklärt, sie aufgehoben und den beiden Journalisten Entschädigungen zugesprochen. Das eigentlich verbindliche Urteil des Verfassungsgerichts wurde aber nie umgesetzt, was die Richter in Strassburg nun ebenfalls kritisierten. Sahin Alpay ist mittlerweile aus der Haft entlassen worden und steht unter Hausarrest, Mehmet Altan hingegen ist immer noch im Gefängnis.

Was als Nächstes passiert: Das Urteil wird in drei Monaten rechtskräftig, sollte die Türkei es nicht anfechten. Danach müssten die beiden Journalisten eigentlich freigelassen werden, ist das Urteil aus Strassburg für das Europaratsmitglied Türkei doch verbindlich.

Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Ruag

Darum gehts: Am Donnerstagmorgen hat die Bundesanwaltschaft bestätigt, gegen die Schweizer Rüstungsfirma Ruag zu ermitteln. Die Staatsanwälte liessen Häuser durchsuchen und leiteten ein Strafverfahren ein. Der Vorwurf: «Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz, ungetreue Geschäftsbesorgung, eventuell ungetreue Amtsführung». Laut «Handelszeitung» hat Ruag die Strafanzeige selber gestellt und kooperiert mit den Behörden vollumfänglich.

Warum das wichtig ist: Ein Mitarbeiter der Ruag – laut «Handelszeitung» der Leiter der Munitionssparte Ammotec – soll mit Russland illegale Rüstungsgeschäfte abgewickelt haben. Sein Komplize war offenbar der Leiter der Russlandabteilung der Privatbank Julius Bär. Neben Kommissionen in Millionenhöhe sollen Bestechungsgelder geflossen sein.

Was als Nächstes passiert: Neben der Bundesanwaltschaft ermittelt die Antikorruptionsab­teilung des russischen Innenministeriums. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Zum Schluss: ein Nachruf (nur kurz)

Sudan, das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn (1973-2018).Tony Karumba/AFP/Getty Images

Sudan ist tot. Das letzte männliche Nördliche Breitmaulnashorn der Welt musste im Alter von 45 Jahren eingeschläfert werden. Sudan war impotent, und seine beiden einzigen Nachkommen sind unfruchtbar. Damit steht die gesamte Rasse vor dem Aussterben. Der letzte Funken Hoffnung: Forscher haben vor Jahren schon Spermien eines Nördlichen Breitmaulnashorns eingefroren. Die Embryos könnten dann von einem Südlichen Breitmaulnashorn ausgetragen werden, die Prozedur wurde bereits durch eine Spendenaktion mittels Tinder-Profil finanziell unterstützt.

Was diese Woche wichtig war

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