Der Strippenzieher: Paul Manafort beim Kongress der Republikaner im Juli 2016 in Cleveland, Ohio. Bild: Mark Peterson/Redux/laif

Das Komplott gegen Amerika

Bereits Jahrzehnte vor seiner Rolle als Donald Trumps Wahlkampfchef legte Paul Manafort durch seine Jagd nach ausländischem Geld und anrüchigen Deals das Fundament für die Korrumpierung der amerikanischen Hauptstadt.

Von Franklin Foer (Text) und Bernhard Schmid (Übersetzung), 10.03.2018

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Vorwort der Redaktion: Vergangenen Oktober hat der amerikanische Sonderermittler Robert Mueller Anklage gegen Donald Trumps Wahlkampfchef und Mitarbeiter Paul Manafort erhoben. Das aktuell laufende Verfahren ist politisch hochbrisant, denn Manafort soll unter anderem Gelder des prorussischen ukrainischen Ex-Staatschefs Wiktor Janukowitsch gewaschen haben.

Doch Manafort hat Amerika verändert, lange bevor Donald Trump kandidierte und Jahre bevor viele von uns überhaupt geboren wurden: Er machte Washington gemeinsam mit einer Handvoll Vertrauter zu einer Hochburg des gnadenlosen Lobbyings und des grossen Geldes. Franklin Foer erzählt die Geschichte, die noch vor Ronald Reagan beginnt und ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte dokumentiert, im aktuellen «Atlantic» so fulminant, dass wir sie hier bei der Republik in einer Übersetzung anbieten. Wir wünschen eine packende Lektüre.


I. Ein guter Rat von Freunden

Die Klinik gestattete Paul Manafort ein einziges zehnminütiges Telefonat pro Tag. Das nutzte er, um seine Gattin in Arizona anzurufen, seine Stimme nicht selten tränenerstickt. «Allem Anschein nach», so schrieb seine Tochter Andrea, damals 29 Jahre alt, einer Freundin, «weint er jeden Tag.» Im Frühjahr 2015 hatte Manaforts Leben einen Tiefpunkt erreicht. Bereits einige Monate zuvor hatte er seiner anderen Tochter – Jessica – offenbart, er schliesse die Möglichkeit eines Freitods nicht aus. Er wäre dann «für immer fort», schrieb Jessica ihrer jüngeren Schwester.

Paul Manaforts Arbeit, die ihm seinen über alles geliebten Status bescherte, hatte eine katastrophale Wende genommen. Fast ein Jahrzehnt lang hatte er sich hauptsächlich auf einen einzigen, wenn auch ausgesprochen lukrativen Klienten verlassen. Er war politischer Chefstratege eines Mannes gewesen, der schliesslich Präsident der Ukraine wurde, Wiktor Janukowitsch, eines Mannes, zu dem er eine sehr persönliche Beziehung entwickelt hatte. Nicht selten schwamm er mit seinem Boss nackt vor dessen Saunahütte, spielte mit ihm Tennis vor seinem Palast («Natürlich liess ich ihn gewinnen», so Manafort) und war deshalb ein mächtiger Mann in diesem riesigen Land.

Rick Gates, einer von Manaforts Stellvertretern, prahlte einmal einer Gruppe Washingtoner Lobbyisten gegenüber: «Sie müssen verstehen: Wir arbeiten schon so lange hier in der Ukraine, dass Paul praktisch eine ganze Schattenregierung aufgebaut hat … In jedem Ministerium hat er seinen Mann.» Nur eine Handvoll Amerikaner – Führungsleute aus der Ölbranche, Spionagechefs während des Kalten Kriegs – konnten von sich behaupten, einen derartigen Einfluss auf eine fremde Regierung zu haben. Diese Macht hatte Manaforts Konten gefüllt; laut der jüngst gegen ihn erhobenen Anklage hatte er zig Millionen in Steueroasen verbunkert, auf Zypern, den Grenadinen.

Manafort hatte an eben der Art von Exzessen profitiert, die ein Land über kurz oder lang reif für die Revolution machen. Anfang 2014 demonstrierte die Bevölkerung schliesslich auf dem Maidan, Kiews Platz der Unabhängigkeit, und fegte Manaforts Chef aus dem Amt. Um sein Leben fürchtend, suchte Janukowitsch Zuflucht in Russland. Manafort kam mit einem blauen Auge davon, indem er die in gerechtem Zorn entflammte Stadt mied. Allerdings hatte er in seinem dortigen Büro einen Safe voll Papiere zurückgelassen, die er lieber nicht veröffentlicht oder in falschen Händen gesehen hätte.

Bald wurde das Geld knapp, das eben noch so reichlich in Manaforts Taschen geflossen war – wo es allerdings nie lange blieb. Nach der Revolution erbettelte er sich hie und da einen Auftrag von ehemaligen Günstlingen des entmachteten Präsidenten, Leuten, die nicht gleich um ihr Leben hatten laufen müssen. Er klagte jedoch über offene Rechnungen und begann – mittlerweile 66 Jahre alt – die Welt (Ungarn, Uganda, Kenia) nach neuer Klientel abzuklappern, allem Anschein nach jedoch ohne Glück. Andrea, der der «Engpass im Cashflow» ihres Vaters nicht entgangen war, schrieb ihrer Schwester: «Er ist auf einmal extrem knauserig.»

Dieser Umschwung hinsichtlich seiner finanziellen Gepflogenheiten versetzten Andreas Hochzeitsplänen einen Dämpfer. Für die Party, die der Knüller ihres Hochzeitswochenendes werden sollte, schlug Paul Manafort vor, das Menü auf Hotdogs zusammenzustutzen; ausserdem strich er einen Posten Eis.

Was seine Offshore-Konten anbelangte, so wollte – oder konnte – Manafort darauf nicht zugreifen; das FBI hatte kurz nach dem Sturz des Präsidenten hinsichtlich seiner Aktivitäten in der Ukraine zu ermitteln begonnen. Zwischenzeitlich war ihm der russische Oligarch Oleg Deripaska auf den Fersen, der gern gewusst hätte, was aus den 18,9 Millionen Dollar geworden war, die Manafort in seinem Namen in eine ukrainische Firma hätte investieren sollen.

Manafort war Deripaska aus dem Weg gegangen. Der russische Oligarch wollte wissen, was aus seinen 18,9 Millionen Dollar geworden war.

Manafort kannte Deripaska schon seit Jahren, dürfte also mit einiger Sicherheit um dessen Biografie gewusst haben. Deripaska hatte sein Vermögen als Sieger der sogenannten Aluminium-Kriege der 1990er-Jahre gemacht, einer der blutigsten Kämpfe um die Vorherrschaft in der postsowjetischen Industrie. 2006 hatte das US-Aussenministerium Deripaskas Visum eingezogen, dem Vernehmen nach aus Sorge über seine Beziehungen zum organisierten Verbrechen (die er freilich bestreitet). Trotz Deripaskas Ruf – oder vielleicht gerade deswegen – war Manafort den Kontaktversuchen des Oligarchen ausgewichen. Wie Deripaskas Anwälte 2014 im Rahmen eines Versuchs, das Geld ihres Mandanten zurückzubekommen, vor einem Gericht erklärten: «Es hat ganz den Anschein, als seien Paul Manafort und Rick Gates einfach verschwunden.»

Neun Monate nach der ukrainischen Revolution kam es auch in Manaforts Privatleben zur Krise. Sein Familienleben ist deshalb so detailliert nachzuvollziehen, weil sich letztes Jahr ein «Hacktivisten-Kollektiv» – vermutlich einige Ukrainer, die ob Manaforts Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten erbost waren – Andreas Textnachrichten beschaffte und das gestohlene Material ins Darknet stellte. Die Messages erstrecken sich über vier Jahre (2012 bis 2016) und belaufen sich auf sechs Millionen Wörter. Manafort selbst hatte zuvor bestätigt, dass man das Telefon der Tochter gehackt hatte, und bestätigte die Authentizität einiger von «Politico» und «New York Times» zitierten Textnachrichten. Für diesen vorliegenden Artikel wollten sich weder Manafort noch Andrea selbst dazu äussern. Die andere Tochter Jessica war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

In ihrer Gesamtheit zeigen die Textnachrichten eine Reihe zuweilen problematischer Beziehungen, mal liebevoll, mal berechnend und manipulativ. Manafort war seiner Familie gegenüber finanziell sehr grosszügig – so hatte er etwa Millionen in Jessica Manaforts Filmprojekte und weitere Millionen in die Immobilien-Unternehmungen ihres damaligen Gatten investiert.

Als Paul Manafort jedoch im Frühjahr 2015 in Tränen aufgelöst zu Hause anrief und mit Selbstmord drohte, bettelte er um seine Ehe. Im November zuvor hatten, wie aus dem Konvolut der Textnachrichten hervorgeht, seine Töchter ihn bei einer Affäre mit einer um mehr als 30 Jahre jüngeren Frau ertappt – einer ausgesprochen kostspieligen Beziehung obendrein. Den Textmessages zufolge hatte Manafort seiner Geliebten für 9000 Dollar monatlich ein Apartment in Manhattan und – unweit seines eigenen Anwesens – ein Haus in den Hamptons gemietet. Er hatte ihr eine American-Express-Karte gegeben, von der sie ausgiebig Gebrauch gemacht hatte. «Ich esse nur in Edelrestaurants», sagte sie einmal einer Freundin für deren darbenden Podcast und liess sich dabei eingehend über ihre Fotopostings in den sozialen Medien aus: Kaviar, Hummer, Haute Cuisine.

Mit Putting-Green und Basketballfeld: Manaforts Anwesen in den Hamptons, dem Rückzugsort der Reichen auf Long Island, New York. Bild: Google Maps

Die Affäre brachte Unerwartetes zutage: Manafort hatte seine Gattin gepflegt, nachdem sie 1997 bei einem Reitunfall um ein Haar ums Leben gekommen wäre. «Ich konnte nur staunen über die Geduld und die Hingabe, die er damals für sie aufgebracht hat», vertraute mir ein alter Freund Manaforts an. Nach Bekanntwerden seiner Untreue hatte seine Gattin ihren Töchtern gegenüber von schwelenden Problemen in ihrer Ehe erzählt. Manafort hatte sich darauf zwar zu einer Paartherapie bereit erklärt, was ihn jedoch, wie aus den Texten hervorgeht, nicht davon abgehalten hatte, seine Affäre weiterzuführen. So ungeschickt, wie er seine Affäre zu vertuschen versuchte – ganz zu schweigen davon, dass seine Geliebte von ihren gemeinsamen Reisen auf Instagram berichtete –, ertappte ihn seine Familie ein halbes Jahr später ein zweites Mal. Andreas Textnachrichten zufolge ging er darauf in die Klinik. «Mein Dad», schrieb sie, «steckt mitten in einem massiven Nervenzusammenbruch.»

Spätestens im ersten Quartal 2016 war Manafort wieder in der Gegend von Washington, seinem Hauptwohnsitz und dem Ort, wo seine Karriere als politischer Berater und Lobbyist ihren Anfang genommen hatte. Seine Rehabilitierungsbemühungen – hinsichtlich Familie, Beruf und Selbstwertgefühl – setzte er fort. Er traf eine Reihe lebensverändernder Entscheidungen. Als er feststellte, dass der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf eine ganz unerwartete Wendung nahm, sah er seine Chance und wollte um alles in der Welt mitmischen. Er schrieb Donald Trump ein forsches Memo mit einer Liste all der Gründe, aus denen er sich für den idealen Wahlkampf-Consigliere hielt. Ebenso bekniete er gemeinsame Freunde, dem kommenden Mann gegenüber seine Fertigkeiten hervorzuheben.

Kurz vor der Bekanntgabe seines Einstiegs als Trumps Wahlkampfchef meldete er sich bei ehemaligen Kollegen, um sie von seinem beruflichen Comeback in Kenntnis zu setzen. Er strahlte wieder das alte Selbstvertrauen aus und war überrascht, sie besorgte Zweifel äussern zu hören. Seine gesamte Laufbahn hindurch hatte Manafort mächtige Männer beraten – amerikanische Senatoren und ausländische Staatsoberhäupter, imposante Generäle und Präsidenten auf Lebenszeit. Er hatte gelernt, solche Leute zu beruhigen und ihren eisernen Willen durch ruhige, sachliche und gewissenhaft recherchierte Argumente zu beugen. Freilich konnte er den guten Rat seiner Freunde nicht akzeptieren, obwohl er ihn mit Sicherheit selbst jedem mit einer Biografie wie der seinen gegeben hätte: auf keinen Fall unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Wie alle in beratender Funktion tätigen Republikaner einer gewissen Altersgruppe kennen seine Freunde die Legende Paul Manaforts in- und auswendig und bringen sie fasziniert, neidisch, hie und da auch geringschätzig zu Gehör. Als Manafort in den 1970er-Jahren nach Washington kam, ruhte die Hauptstadt in all ihrem schäbigen Glanz, in erster Linie aber in einem selbstzufriedenen Pflichtbewusstsein. Wohlstand äusserte sich in einem Anwesen in Georgetown, dessen antike Mankos und abgetretene Teppiche eine Macht projizierten, die sich ihrer selbst so sicher war, dass sie nicht zu prahlen brauchte.

Aber das alte College-Establishment war nicht Manaforts Stil. Als er sich nach und nach einen Namen machte, kleidete er sich anders als die Brooks-Brothers-Klientel an der K Street – eher europäisch mit flotten, knalligen Blazern und kragenlosen Hemden. Wenn er auf die Idee kam, den Pool hinterm Haus um anderthalb Meter zu versetzen, dann tat er das ungeachtet der Kosten. Amüsiert ob seiner modischen Eigenheiten und seines kosmopolitischen Lebensstils, nannten seine Kollegen ihn gern den «Grafen von Monte Christo».

Seine Rebellion war jedoch nicht nur ästhetischer Art; Manafort schrieb das Regelwerk seiner Wahlheimat um. Anfang der 1980er-Jahre gründete er eine Consulting-Firma, die alle Konventionen über Bord warf, die zuvor beim Lobbying gegolten hatten. Für ihn gab es kein moralisches Halten, wenn es um neue Kundschaft ging. Seine Freunde mochten 2016 nichts von seinen Konten auf Zypern gewusst haben oder den mutmasslichen Zahlungen an ihn, über die in Kiew in kyrillischen Buchstaben Buch geführt war. Aber sie waren gescheit genug, um zu wissen, dass er die öffentliche Aufmerksamkeit nicht überstehen würde, die im Zeitalter negativer Kampagnen und aggressiver Medien mit der Leitung eines Wahlkampfs verbunden ist. «Das Risiko hätte offensichtlicher nicht sein können», sagte mir ein Freund von ihm, der ihm den Job hatte ausreden wollen. Aber in seinem angekratzten Zustand stiessen solche Warnungen auf taube Ohren.

Als Paul Manafort am 28. März 2016 offiziell bei Trumps Wahlkampfkampagne einstieg, stellte er nicht nur für sich selbst eine Gefahr dar, sondern auch für die politische Organisation, die er schliesslich leiten sollte. Sein langes abenteuerliches Leben im Ausland war nicht nur voller skandalöser Histörchen, es bekundete auch den Charakter eines Mannes, bei dem man damit rechnen musste, dass er die Kampagne – ohne Rücksicht auf Kollateralschäden – für seine eigenen Interessen nutzen würde.

Im Lauf der Jahrzehnte hatte Manafort ausländischem Geld und Einfluss in Washington den Weg gebahnt und diesen dann zu einem Superhighway ausgebaut. Wenn es darum geht, die Interessen der Autokraten dieser Welt wahrzunehmen, ist er der grosse Neuerer. Als man ihm im Oktober 2017 nach den Ermittlungen von Sonderankläger Robert Mueller den Prozess machte, sprach die Anklageschrift von Geldwäsche, Falschaussagen und anderen Akten persönlicher, das heisst nicht institutioneller Korruption. (Er erklärte sich in allen Punkten für nicht schuldig.)

Manaforts Rolle in Muellers Gesamtnarrativ bleibt der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt und unter Verschluss. Und seine persönliche Korruptheit ist letztlich weniger bedeutsam als seine lebenslange Rolle als Verderber des amerikanischen Systems. Dass man ihm vorwerfen würde, einer ausländischen Macht bei der Unterminierung der amerikanischen Demokratie unter die Arme zu greifen, ist eine passende Coda für seine Lebensgeschichte.

II. Der junge Mann und seine Maschine

Im Frühjahr 1977 sass der 28-jährige Paul Manafort an einem Klapptisch in einer Hotelsuite in Memphis. Fotos aus der Zeit zeigen ihn mit Tom-Selleck-Schnauz und ausdrucksstarken Koteletten. Er war von Telefonen umgeben, die er speziell für dieses Wochenende hatte installieren lassen. Auf dem Schreibtisch lagen seine «Peitschenbücher», wie er sie nannte, prall gefüllte Aktendeckel mit Dossiers über jeden der 800 Delegierten, die zusammengekommen waren, um den neuen Chef der Jung-Republikaner zu küren. Manafort hatte sich als angehender Königsmacher über jeden einzelnen informiert; die Dossiers dienten ihm als Basis für seine Deals. Wollte man die Delegierten herumkriegen, tat man gut daran, eine Ahnung zu haben, welche Art von Job ihnen als Gegenleistung für ihre Hilfe schmecken würde.

Die Kontrolle über die Jung-Republikaner – ein politisches und soziales Netzwerk für Leute höherer Berufsstände zwischen 18 und 40 – war damals ein Hauptgewinn. Präsidentschaftsanwärter versuchten die Organisation für sich einzuspannen. Damals waren Nominierungsparteitage in der Regel noch brokered conventions, es erreichte mit anderen Worten selten einer der Kandidaten in der ersten Wahlrunde die Mehrheit der Delegiertenstimmen. Durch ein organisiertes Auftreten konnten die jungen Republikaner jedoch erheblichen Einfluss nehmen. 1964 hatten die Anstrengungen der Gruppe Barry Goldwater die Nominierung der Grand Old Party gesichert; spätestens in den 1970er-Jahren wusste auch der letzte Präsidentschaftsanwärter um ihre Macht. Die Aufmerksamkeit der Parteispitze eröffnete den führenden Köpfen der Jung-Republikaner enorme Möglichkeiten; sie sahen sich in jeder Hinsicht gefördert. Mit der Kontrolle über die Organisation hatte man ein erhebliches Machtinstrument an der Hand.

«Der heisseste Laden der Stadt»: Paul Manafort, Roger Stone und Lee Atwater (v. l. n. r.) in den Räumlichkeiten ihrer gemeinsamen Firma (1985). Bild: Harry Naltchayan/The Washington Post/Getty Images

In Memphis arbeitete Manafort im Namen seines Freundes Roger Stone, der heute vor allem als Pionier der Oppositionsbespitzelung und verantwortungsloser Lieferant von Verschwörungstheorien bekannt ist. Manafort managte Stones Kandidatur für den Vorsitz der Gruppe. Stone, damals 24 Jahre alt, war stolz darauf, seine politische Grundausbildung während der Kampagne zur Wiederwahl Richard Nixons 1972 gemacht zu haben; er gestand sogar, zum Wohle seines Idols selbst mit miesen Tricks gearbeitet zu haben. Stone und Manafort hatten sich über die College Republicans kennengelernt. Sie hatten einen gemeinsamen Heimatstaat, eine Vorliebe für massgeschneiderte Power-Anzüge und eine noch grössere Liebe zur Macht an sich. Als Team führten sie ihre Kampagne mit hämischer Skrupellosigkeit.

Schon in dieser frühen Phase seiner Karriere verfügte Manafort über ein bemerkenswertes Geschick im Handling grosser Zusammenkünfte. Er wusste eine Armee von Getreuen zu befehligen, die seine Anordnungen per Walkie-Talkie entgegennahmen. Und er wusste eine Show aufzuziehen. In diesem Jahr in Memphis mietete er einen Mississippi-Dampfer für eine Sauftour, um in dem schwimmenden Gehege seine Einpeitscher auf unschlüssige Delegierte zu hetzen.

Unter der Führungsspitze der Jung-Republikaner war die von Manafort kontrollierte Fraktion nur «das Team» – ein bezeichnender Name, aus dem die absolute Loyalität sprach, die er erwartete. Und angesichts der Tüchtigkeit des Teams schied Stones Rivale schliesslich mitten im Parteitag aus dem Rennen aus. «Ist doch alles im Hinterzimmer abgekartet», klagte er.

Manafort hatte die Politik mit der Muttermilch aufgesogen. Während seiner Zeit an der Highschool wurde sein Vater, Paul Manafort sen., Bürgermeister von New Britain, Connecticut. Und Manafort jun. fühlte sich von der Politik angezogen – er machte in einer Stadtrat-Simulation mit und engagierte sich im Rahmen seines Kiddie-Corps im Wahlkampf um den Gouverneursposten für Thomas Merrill. Als College und später als Law School wählte er die Georgetown University, nur eine Taxifahrt entfernt von der Welt der grossen Politik.

In den 1970er-Jahren verkörperte diese Welt der grossen Politik James A. Baker III., der gewiefteste republikanische Insider seiner Generation. Während der monumentalen Nationalversammlung der Republikaner von 1976 bezog Manafort mit Baker in einem Trailer vor der Kemper Arena in Kansas City, Missouri, Stellung. Die beiden versuchten Gerald Fords erneute Nominierung gegen den entschlossenen Herausforderer Ronald Reagan zu verteidigen. Manafort bekniete im Namen Bakers die Delegierten. Von Baker lernte er die Kunst der betonten Demut und wie man seinem Gegenüber das Messer, mit dem man ihm eben noch Honig ums Maul geschmiert hat, in den Rücken rammt. «Er lernte zu Füssen des Meisters», erinnert sich Jeff Bell, einer von Reagans Wahlhelfern.

Spätestens Ende der 1970er-Jahre sahen Manafort und Stone den Aufstieg Ronald Reagans kommen, und keiner von beiden hatte die Absicht, sich das entgehen zu lassen. Für Manafort bedeutete dies eine kühne 180-Grad-Wendung. Sein Entschluss, die Seiten zu wechseln und der Ford-Fraktion den Rücken zu kehren, weckte bei den Konservativen zwangsläufig Misstrauen. Sie sahen in ihm einen krassen Opportunisten. Es liess sich kaum bestreiten, dass die Jung-Republikaner ein ideales Vehikel für seine Ambitionen waren.

Diese Ambitionen hatten ihre Kollateralschäden wie etwa Neal Acker, einen Anwalt aus Alabama. Während des Parteitags in Memphis hatte Acker beim «Team» gedient; er hatte die Delegierten aus dem Süden auf Stone eingeschworen. Im Gegenzug dafür hatten Manafort und Stone ihm die Unterstützung des Teams für 1979 und damit praktisch die Nachfolge Stones als Kopf der Jung-Republikaner zugesagt. Manafort wollte die Kampagne selbst leiten.

Als es jedoch an die Krönung ging, knüpfte Manafort eine Bedingung an seinen Plan: Falls Acker den Job wolle, müsse er sich auf Ronald Reagan einschwören. Als Acker sich nach reiflicher Überlegung weigerte, weil er neutral bleiben wollte, liess Manafort ihn fallen, und das in massloser Wut – «ein beispielloser Schritt in letzter Minute», formulierte Associated Press seinerzeit. In der Woche vor dem 1979er-Parteitag der jungen Republikaner machten Manafort und Stone sich daran, Acker die Kandidatur zu vermasseln. Auf Manaforts Drängen sprangen bereits auf Acker eingeschworene Delegierte ab. In einer nachgerade bravourösen Machtdemonstration, die niemandem in Reagans Team entgehen konnte, riss Manafort die Abstimmung mit einem Ergebnis von 465 zu 180 Stimmen gegen Acker herum. «Selten hat man einen derart gelinkt», sagte mir jüngst einer von Manaforts damaligen Einpeitschern.

Kurz darauf sicherten sich Stone und Manafort die gewünschten Schlüsselpositionen in Reagans Organisation. Stone leitete den Wahlkampf im Nordosten, Manafort im Süden. Nicht dass es bei der Kampagne ohne interne Rangeleien gegangen wäre; beide Männer überlebten Richtungskämpfe und Säuberungsaktionen. «Die beiden galten als die Wunderkinder der jungen Republikaner», erfuhr ich von Jeff Bell, der einst die Kampagne von Reagan mitgestaltete. Ihre Leistung brachte sie in eine Poleposition für Aufgaben im innersten Führungsstab der Regierung Reagan. Doch die beiden hatten noch weit Grösseres im Sinn.

III. Die Firma

Washingtons effektivste Lobbyisten der Nachkriegszeit wuchsen über den Transaktionscharakter ihres Berufs hinaus. Männer wie Abe Fortas, Clark Clifford, Bryce Harlow und Thomas Corcoran galten nicht als miese kleine Söldner, sondern als elegante Vertreter einer permanenten Institution, man lobte sie als «Weise». Sein heutiges Stigma ging dem Lobbying ab, weil Lobbyisten so rar gesät waren. Als Anwaltslegende Tommy Boggs sich 1967 als Lobbyist eintragen liess, war sein Name die Nummer 64 auf der Liste der Aktiven. Unternehmen hielten das Lobbying einfach nicht für nötig. Eine Studie dreier führender Politwissenschaftler war 1963 zu folgendem Schluss gekommen: «Bei Betrachtung der typischen Lobby befinden wir ihre Manövriermöglichkeiten für stark begrenzt, ihre Mitarbeiter für mittelmässig, und ihr typisches Problem ist nicht die Einflussnahme auf Abstimmungen im Kongress, sondern die Akquise von Klienten und zahlungskräftigen Interessenten, die ihnen überhaupt zu überleben ermöglichen.»

An der Schwelle zur Reagan-Ära waren die Lobbyisten der Republikaner besonders schwach aufgestellt. Generationen von demokratischen Mehrheiten im Kongress waren dem Geschäft nicht eben zuträglich gewesen. Zu dem spärlichen Fähnlein republikanischer Lobbyisten, das die Abgeordneten bearbeitete, gehörten Ehemalige der Regierungen Nixon und Ford; sie wollten im Gefolge der beschämenden Watergate-Affäre weder zu ehrgeizig noch zu aggressiv wirken.

Es war eine Welt, in der ungestüme Novizen wie Manafort und Stone rasch dominierten. Die Regierung Reagan markierte einen Bruch mit dem alten republikanischen Establishment. Nach Jahrzehnten staatlicher Regulierung hatte die Wirtschaft endlich einen politischen Partner gefunden, der es gar nicht erwarten konnte, den Regulierungsstaat zu demontieren – was eine nie gekannte Nachfrage nach Lobbyisten zeitigte. Manafort konnte überzeugend behaupten, die neue Regierung besser zu kennen als irgendein anderer. Während der Übergangsphase war er der Personalkoordinator im Office of Executive Management, was nichts anderes bedeutete, als dass er die neue Regierung mit seinen Leuten besetzen konnte. Zusammen mit Stone und Charlie Black, einem weiteren Veteranen aus den Jung-Republikaner-Kriegen, gründete er Black, Manafort and Stone, eine Firma, die alsbald eine beeindruckende Klientel aufzuweisen hatte: Bethlehem Steel, das Tobacco Institute, Johnson & Johnson und Trans World Airlines.

Während andere Firmen sich spezialisiert hatten, sei es auf Lobbying, Consulting oder PR, bündelten Black, Manafort and Stone all diese Dienstleistungen unter einem Dach – ein täuschend simpler Schritt, der aber letztlich zur grundlegenden Veränderung Washingtons beitragen sollte. «Time» bezeichnete die Firma als den «ultimativen Supermarkt der Einflussnahme». Fred Wertheimer, Befürworter einer verantwortungsvollen Regierungsführung, bezeichnete diesen umfassenden Ansatz als «institutionalisierten Interessenkonflikt».

Diese Zweigleisigkeit, die Koppelung von Lobbying und politischem Consulting, war der eigentliche Durchbruch dabei. Manaforts Firma war das erste Lobbying-Unternehmen, das gleichzeitig auch politische Berater beherbergte. (Juristisch gesehen waren die beiden Firmen getrennt, aber sie teilten sich nun mal sowohl die Gründer als auch die Räumlichkeiten.) Ein Unternehmen leitete Wahlkämpfe, das andere stand bereit und bearbeitete die Politiker, denen die Kollegen zuvor zur Wahl verholfen hatten. So heuerte die Consulting-Abteilung etwa den beinharten Lee Atwater an, der sich einen zweifelhaften Ruhm damit erworben hatte, sich als Erster – damals für Strom Thurmond – in seiner PR-Arbeit rassistischer Äusserungen bedient zu haben. «Wir sind drauf und dran, den Kundendienst für das zu übernehmen, was wir verkaufen», sagte Atwater damals seinen Freunden.

Wie nicht anders zu erwarten, wurden die politischen Klienten der Firma (Jesse Helms, Phil Gramm, Arlen Specter) zu verlässlichen Schlachtrössern, als es daran ging, die Interessen ihrer Klientel aus der Wirtschaft zu wahren. Damit war, sowohl was die Effektivität des Lobbyings an sich als auch seinen konkreten Einfluss anbelangt, ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der Branche vollzogen.

1984 schliesslich bot man seine Dienste – über parteipolitische Grenzen hinweg – den Demokraten an. Die Firma machte Peter Kelly zum Partner, den ehemaligen Schatzmeister des Democratic National Committees – der nationalen Organisation der Demokraten –, einen Mann, der sich die Loyalität der Abgeordneten dadurch gesichert hatte, dass er Millionen für ihren Wahlkampf auftrieb. So setzten sich denn einige Mitarbeiter der Firma für demokratische Senatskandidaten in Louisiana, Vermont und Florida ein, während andere den Flur hinauf im Namen ihrer republikanischen Erzfeinde tätig waren. «Die Leute meinten: ‹Das ist doch unamerikanisch›», sagte mir Kelly. «‹Die können gar nicht verlieren. Sie arbeiten ja für beide Seiten.› Ich habe denen immer wieder gesagt: Seit wann ist Gewinnen unamerikanisch?»

Dieses Gefühl, unschlagbar zu sein, herrschte auch in der Lobbying-Abteilung der Firma. Als der Kongress 1986 die Steuerreform verabschiedete, schaffte die Firma es tatsächlich, in der Vorlage eine ganz bestimmte Sonderregelung unterzubringen, die Chrysler-Mitsubishi 58 Millionen Dollar sparen liess; ausserdem handelte man eine Klausel aus, mit der Johnson & Johnson 38 Millionen Dollar sparte. «Newsweek» erklärte das Unternehmen damals zum «heissesten Laden der Stadt».

Manaforts Lobbying-Firma verströmte den dekadenten Geist der 1980er. Das Motto einer ihrer Jahrestagungen: «Exzess über alles».

Die Nachfrage nach den Diensten der Firma stieg derart an, dass sie bei den Vorwahlen 1988 den republikanischen Kandidaten praktisch im Alleingang bestimmte. Atwater wurde Chefstratege von George H. W. Bush; Charlie Black arbeitete mit Bob Dole; Stone beriet Jack Kemp. «Warum all die Mühe mit den Vorwahlen?», scherzte damals ein Kongressangestellter dem «Time Magazine» gegenüber. «Schicken wir die Kandidaten doch einfach rüber zu Black, Manafort and Stone und lassen sie die Nomination unter sich ausdiskutieren.» Manafort kultivierte diese Auffassung. Bei der Beantwortung eines Fragebogens der «Washington Times» nannte er Machiavelli als die Person, die er am liebsten kennenlernen würde.

So jung er noch sein mochte, Manafort strahlte die Art von Gewissheit aus, die auch bei anderen Gewissheit hervorzurufen vermochte – ein Auftreten, das man gern mit dem eines Nachrichtenmoderators verglich. «Er flösst Respekt ein und lässt auch nicht eine Schwachstelle erkennen», sagte mir Philip Griffin, einer seiner langjährigen Mitarbeiter. Manafort wusste sich schriftlich auszudrücken, vor allem seine Angebote an potenzielle Klienten waren wohlformuliert, und er war ein ganz ausserordentlicher Stratege. Wenn es um die Unterstützung eines Klienten ging, machte er Nägel mit Köpfen, mit leeren Worten hatte er nichts am Hut. «Wenn uns die Politik eines gelehrt hat», erklärte er einmal, «dann ist das, alles wie einen Wahlkampf anzugehen.» Im Einsatz für einen Klienten war er unermüdlich. Einer Textmessage zufolge scherzte seine Gattin einmal, sie hätten Andrea zwischen zwei Telekonferenzen gezeugt. Er «legte den Hörer auf, warf einen Blick auf die Uhr und sagte: ‹Okay, wir haben zwanzig Minuten bis zur nächsten›», schrieb Andrea ihrem damaligen Verlobten. 

Die Firma verströmte den dekadenten Geist der 1980er-Jahre. Einmal im Jahr lud sie zu einem Golfturnier, das nach Boodles – der Gin-Marke – benannt war. «Wir mussten uns fast jedes Jahr einen neuen Platz suchen», sagte John Donaldson, ein alter Freund und Mitarbeiter Manaforts, «weil man uns nicht mehr reinlassen wollte. Als sich einige Mitarbeiterinnen beschwerten, dass man sie nie einlud, habe ich denen gesagt, sie sollten froh sein.» Als Chef des Partykomitees der Firma lieferte Manafort die Motive für die jährlichen Feste. Sein Meisterwerk war eine Trilogie, die von Jahr zu Jahr zulegte: «Exzess», gefolgt von «Massloser Exzess» und schliesslich «Exzess über alles».

Wie die Partner der Firma der «Washington Post» gegenüber verlauten liessen, gedachten sie, 1986 mindestens 450’000 Dollar (auf heutige Verhältnisse umgerechnet etwas über eine Million Dollar) pro Nase mit nach Hause zu nehmen. «Sie verdienten plötzlich eine Menge Geld», sagte Kelly, «und ich glaube nicht, dass auch nur einer von denen derartige Summen gewohnt war.» Die Seniorpartner bekamen Nobelkarossen und eine Mitgliedschaft im Country Club ihrer Wahl. Manafort flog mit der Concorde nach Europa, als nähme er rasch mal den Acela Express nach New York. «Ich muss gestehen», schwärmte Atwater der «Washington Post» gegenüber, «dass ich nach vier Jahren Staatssalär von meinem neuen Lebensstil begeistert bin.»

Die Firma stellte junge Leute direkt vom College ein, «Wheel Men» in ihrem Jargon, um die Partner durch die Stadt zu chauffieren. Sie besorgten auch den Fahrdienst, als Roger Stones alter Held Richard Nixon nach Washington kam.

Der Manager und der Kandidat: Manafort (rechts) neben Bob Dole, US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner 1996. Bild: Robert Gauthier/Los Angeles Times/Getty Images

Viele der jungen Mitarbeiter kletterten im Lauf der Zeit die Firmenleiter nach oben und durften im Namen der Firma auswärtige Wahlkämpfe leiten. Dieser Aufstieg erforderte jedoch in der Regel, dass man Manaforts sogenannte «Loyalitätstests» bestand. Es handelte sich dabei um Aufgaben, die über das übliche Engagement hinausgingen und das Mass an Kontrolle demonstrierten, die Manafort über das Leben seiner Mitarbeiter verlangte. So konnte es passieren, dass er von jemandem in letzter Minute verlangte, sich persönlich um anreisende frühere Studienkollegen zu kümmern, obwohl sich die Betroffenen noch nie im Leben begegnet waren. Für eine Party zum Saint Patrick’s Day gab er zwei jungen Mitarbeitern vierundzwanzig Stunden, um einen glaubwürdigen Billy-Barty-Imitator aufzutreiben, des gerade mal einen Meter vierzehn messenden Schauspielers – und sie schafften das auch. «Das war noch vor dem Internet», sagte mir einer der beiden. «Können Sie sich vorstellen, wie schwierig das war?»

IV. Ein Mann von Welt

In den 1990er-Jahren war die gerade mal zweistellige Liste aktiver Lobbyisten, in die sich Tommy Boggs 1967 hatte eintragen lassen, auf über 10’000 angeschwollen. Black, Manafort, Stone and Kelly, wie die Firma inzwischen hiess, hatte massiv zu diesem Wandel beigetragen und konnte von der steigenden Kapitalflut aus der Wirtschaft, die Washington zu überschwemmen begann, nur profitieren. Allerdings schien Paul Manafort, der sich Charlie Black zufolge gerne als «Abenteurer» sah, die Innenpolitik mittlerweile etwas zu eng und nicht exotisch genug.

Manafort hatte sich von Anfang an mit jungen Diplomaten angefreundet, Männern auf der ersten Sprosse ihres Aufstiegs zur Macht wie etwa Prinz Bandar bin-Sultan, dem damaligen Botschafter der Saudis in Washington. Als Bandar 1984 am Parteitag der Republikaner teilnahm, stellte Manafort einige seiner Leute ab, die für einen ebenso reibungslosen wie medienwirksamen Ablauf des Besuchs sorgen sollten. Manafort liess Bandar den Eingang nehmen, der sonst dem Präsidenten vorbehalten war, und platzierte ihn in der Loge des Vizepräsidenten.

Sicher hatte es bereits vor den 1980ern so etwas wie Auslandslobbying gegeben, aber nur in begrenztem Ausmass; es haftete ihm auch immer etwas Anrüchiges an. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der Kongress den Foreign Agents Registration Act (FARA) verabschiedet, ein Gesetz, das ausländische Lobbyisten zur Registrierung und Offenlegung ihrer Aktivitäten verpflichtete. FARA war hauptsächlich eine Reaktion auf die Kampagnen des Publizisten Ivy Lee, der im Namen des deutschen Chemieriesen IG Farben in den USA Stimmung für das Dritte Reich machen sollte. Der Kongress hatte den Einflusshandel im Namen ausländischer Interessen zwar keineswegs verboten, trotzdem spielte sich derlei gerade mal am äussersten Rand der K Street ab.

Unter dem entschlossenen Zutun Paul Manaforts sollte sich das ändern. Die Regierung Reagan hatte die Konturen des Kalten Kriegs neu umrissen und die Schrauben im weltweiten Kampf gegen den Kommunismus angezogen. Sie unterstützte finanziell und mit Ausbildnern Guerilla-Armeen und rechtslastige Militärs wie die nicaraguanischen Kontras oder die afghanischen Mujahedin. Diese Strategie des militärischen Outsourcings – die Reagan-Doktrin – zielte darauf ab, die Sowjetunion mit Konflikten einzudecken, die irgendwann zur Überlastung führen sollten.

Das Geld, das der Kongress mit vollen Händen an antikommunistische Handlanger auszuteilen begann, eröffnete ungeheure Möglichkeiten; rund um die Welt hofften brutale Diktatoren und abgerissene Militärs auf einen Anteil an so viel Freigebigkeit. Und um diesen Anteil zu bekommen, galt es, ihr Image aufzupolieren, damit der Kongress ihre alles andere als liberalen Tendenzen nicht unter die Lupe nahm. So einige Lobbyisten machten sich auf die Suche nach autoritären Klienten. Doch niemand legte sich dabei derart ins Zeug wie Black, Manafort, Stone and Kelly. Um das Image der Klientel zu verbessern, arrangierte man Interviews in amerikanischen Nachrichtensendungen und sorgte dafür, dass verbündete Abgeordnete im Kongress Geld regnen liessen. Zu Hause ermöglichte das den Regimes, sich mit einem Hauch demokratischer Legitimität zu umgeben, was wiederum ihren Status in Washington hob.

Die Firma fand Kundschaft, weil sie mit ihren Verbindungen zur Regierung warb, erst zu der von Ronald Reagan, dann zu der von George H. W. Bush. In einem Vorschlag, über den 1988 die «New York Times» berichtete, strich die Firma ihre «persönlichen Beziehungen» zu Politikern heraus und versprach ein «Upgrade» der inoffiziellen Kanäle «im Bereich von Wirtschafts- und Aussenpolitik». Zweifelsohne half es auch, in Bushs Aussenminister James Baker einen Freund zu haben. «Baker schickte der Firma Kunden», erinnerte sich Kelly. «Er wollte uns helfen, diese Jungs auf einen besseren Weg zu bringen.»

Freilich spielte die moralische Besserung in Manaforts Kalkül nie wirklich eine Rolle. «Im Grossen und Ganzen konzentrierte ich mich darauf, den Klienten auf westliche oder amerikanische Werte einzuordnen», sagte Kelly mir dazu. «Paul verfolgte den gegenteiligen Ansatz.» (Kelly und Manafort reden seit Jahren nicht mehr miteinander; Ersterer unterstützte bei den letzten Präsidentschaftswahlen Hillary Clinton.) Riva Levinson, von 1985 bis 1995 eine geschäftsführende Direktorin der Firma, schrieb in ihren Memoiren, sie hätte einmal ihrem Chef gegenüber protestiert, sie müsste doch an das glauben können, was sie da mache, worauf Manafort ihr sagte, das wäre «mein Ruin in dieser Branche». So gehörten denn zur wachsenden Kundschaft der Firma bald unter anderem diktatorische Regierungen wie diejenigen in Nigeria, Kenia, Zaire, Äquatorialguinea, Saudi-Arabien und Somalia. Manaforts Firma erntete 1992 in einem Bericht des Centers for Public Integrity mit dem Titel «Die Lobby der Folterer» entsprechenden Zorn.

Das internationale Geschäft der Firma nahm erheblich zu, als 1985 die Philippinen Kunden wurden. Präsident Ferdinand Marcos brauchte dringend eine Patina der Legitimität, denn die Ermordung des Oppositionsführers Benigno Aquino jun. 1983 gefährdete die Unterstützung des US-Kongresses. Marcos heuerte Manafort an, um sich von ihm sein Image liften zu lassen; seine Frau Imelda überbrachte der Firma bei einem Amerikabesuch persönlich eine Anzahlung von 60’000 Dollar.

1983: Benigno Aquino, Oppositionsführer auf den Philippinen, fällt einem Attentat zum Opfer. Präsident Ferdinand Marcos lässt sich sein ramponiertes Image von Manafort aufpolieren. Bild: Bettmann/Getty Images

Als Marcos 1986 eine Blitzwahl arrangierte, um seine demokratischen Absichten unter Beweis zu stellen, sagte Manafort dem «Time Magazine»: «Wir haben versucht, daraus eher eine Wahl nach Chicagoer als mexikanischer Art zu machen.» Das Bonmot hatte, wenn auch unbeabsichtigt, einen wahren Kern. In Amerikas politischem Lexikon sind Wahlen nach Chicagoer Art seit jeher ein Synonym für Wahlbetrug im grossen Stil. Der mittlerweile verstorbene Umfragespezialist Warren Mitofsky reiste mit CBS News auf die Philippinen und befragte am Wahltag Wähler direkt nach der Stimmabgabe. Nach seiner Rückkehr erzählte er dem Politwissenschaftler Sam Popkin, wie ein Vertreter von Manaforts Firma ihn gefragt hätte: «Mit welchem Vorsprung wäre ein Sieg von Marcos denn legitim?» Die Implikation einer solchen Frage war klar, sagte mir Popkin: «Wie manipulieren wir das, ohne die Amerikaner zu verprellen?»

Das erfolgreichste Make-over eines Mannes vom rechten Flügel war das des angolanischen Guerillaführers Jonas Savimbi, einem ehemaligen Maoisten. Er war zum antikommunistischen Rebellen geworden, seine Armee beging Gräuel gegenüber Kindern und zwang Frauen in die sexuelle Sklaverei. Während seines Besuchs in New York und Washington 1986 schufen Manafort und seine Mitarbeiter den «Savimbi-Chic», wie ein Magazin es nannte. Man steckte Savimbi in einen Nehru-Anzug, chauffierte ihn in einer Stretchlimousine durch die Gegend und brachte ihn im Waldorf-Astoria respektive Grand Hotel unter, ganz Sinnbild von Kultiviertheit. Die Firma hatte Savimbi mit monatlichen Berichten über das politische Klima in Washington gründlich auf seine Mission vorbereitet. Die Washington Post dazu: «Man unterwies ihn akribisch bezüglich der Antworten auf die Fragen seiner Kritiker ebenso wie der Komplimente für seine Gönner.» Savimbi ging aus dem Besuch als hochgelobter «Freiheitskämpfer» hervor. Als die neokonservative Ikone Jeane Kirkpatrick Savimbi am American Enterprise Institute einführte, stellte sie ihn als «mehrsprachigen Philosophen, Dichter, Politiker, Krieger» vor, als «einen der wenigen authentischen Helden unserer Zeit». 

«Savimbi-Chic»: Aus dem brutalen angolanischen Rebellenführer Jonas Savimbi machte Manafort einen hochgelobten Freiheitskämpfer. Hier 1986 zu Besuch bei US-Präsident Ronald Reagan. Bild: Bettmann/Getty Images

Es war ein einträgliches Geschäft. Savimbi zahlte der Firma allein 1985 600’000 Dollar, und Black, Manafort, Stone and Kelly taten ihr Möglichstes, dass das so blieb; die Geschäfte der Firma waren eng verbunden mit der anhaltenden Rebellion gegen Angolas linkes Regime. Als das Land Ende der 1980er-Jahre nach fünfzehn Jahren blutigem Bürgerkrieg kurz vor Friedensgesprächen stand, half die Firma ihrem Kunden dabei, sich neue Waffen zu sichern, und ermutigte damit Savimbi zur Fortsetzung seines bewaffneten Kampfs. «Als Gorbatschow die Militärhilfe an die angolanische Regierung stoppte», so heisst es in den Memoiren des ehemaligen Senators Bill Bradley, «hatten wir nicht den geringsten Grund, Savimbi weiter zu unterstützen. Aber da hatte er bereits eine tatkräftige Washingtoner Lobbying-Firma engagiert.» Der Krieg ging über ein Jahrzehnt lang weiter und kostete Hunderttausende von Angolanern das Leben.

V. Ein Familienbetrieb

«Paul hat es nicht unbedingt mit Ideologien», sagte mir jüngst sein ehemaliger Partner Charlie Black. Viele von Manaforts Kollegen bei Black, Manafort, Stone and Kelly bekannten sich zum Katechismus der Konservativen. Ihre täglichen Betrachtungen durchzogen Begriffe wie Unabhängigkeit und Freiheit. Manafort dagegen liess sich selten über Prinzipien oder politische Ideale aus. Seine politische Herkunft ist anderer Art, und die Herausbildung seiner Weltsicht lässt sich an seinen prägenden Erfahrungen nachvollziehen.

Manaforts Heimatstadt New Britain, Connecticut, trug in den 1960er-Jahren den Beinamen Hardware City, da hier der Werkzeughersteller Stanley zu Hause ist. Die Stadt selbst war ein Wirrwarr ethnischer Enklaven – Polen, Italiener, Iren, Ukrainer. Nancy Johnson, die für New Britain im Kongress sass, erzählte mir, sie hätte, als sie damals dort hinzog, kaum glauben können, wie abgeschottet die Stadt von der Aussenwelt war. «Es war eine Kleinstadt und man blieb unter sich. Als meine Kinder in die Highschool kamen, war der Anteil an Klassenkameraden, die noch nicht mal in Hartford gewesen waren, frappant.» Hartford, die Hauptstadt Connecticuts, ist mit dem Auto fünfzehn Minuten von New Britain entfernt.

1919, kurz nachdem die Manaforts aus Neapel nach New Britain gekommen waren, hatte die Familie ein Abbruchunternehmen gegründet, New Britain House Wrecking, aus dem schliesslich die Manafort Brothers wurden, ein tonangebendes Unternehmen der örtlichen Bauindustrie. Als Manaforts Vater, Paul sen., 1965 für das Amt des Bürgermeisters kandidierte, war er der einsame Republikaner, der die blaue Bastion zu erobern versuchte. Aber er war so beredt wie charmant, ein Mann, der zu überzeugen wusste, und von unverkennbar hitzigem Temperament. Paul Carver, ein ehemaliger Stadtrat und Protegé des alten Mannes, sagte mir: «Ich kam mir vor, als ginge ich mit meinem Grossvater in die Bar. Er drückte allen die Hand und gab Lokalrunden aus. Er kannte jedes Gesicht in der Stadt.»

Paul jun., seinen Freunden als P. J. bekannt, vergötterte seinen Dad und stürzte sich in den Wahlkampf, dessen Erfolg er später mit dem Wort «magisch» beschrieb. Er sollte seinem Vater zeitlebens ein hingebungsvoller Sohn bleiben. Alle Partner in der Firma lernten seinen Dad kennen, liefen ihm auf Partys über den Weg, die P. J. auf seinem Anwesen in Mount Vernon, Virginia, gab. «Er war ein treu ergebener Sohn», sagte mir Nancy Johnson.

Der unglaubliche Charme des alten Manaforts machte ihn in der Öffentlichkeit zu der Art von Figur, deren Makel man gern vergisst. 1981 stand er jedoch wegen Meineids vor Gericht. Er hatte im Rahmen der Ermittlungen um einen Korruptionsfall in der Stadtverwaltung falsch ausgesagt. Man hatte New Britains Polizei vorgeworfen, beide Augen gegenüber dem illegalen Glücksspiel in der Stadt zuzudrücken – und ausserdem Beweise manipuliert zu haben, um einen gewissen Joseph «Pippi» Guerriero zu decken, ein Mitglied des Mafia-Clans der DeCavalcantes.

Gleich mehrere Ermittlungen begannen Löcher in die marode Stadtverwaltung von New Britain zu bohren. Einen besonders vernichtenden Bericht lieferte dabei Palmer McGhee, ein Hartforder Anwalt, den New Britain damit beauftragt hatte, den Filz in der Stadt zu sondieren. Sein Befund richtete den Finger unumwunden auf Manafort sen., den er als Person «mit der grössten Schuld» hervorhob. Der Aussage eines Whistleblowers zufolge hatte Manafort frei von der Leber weg bekannt gegeben, er suche als Verwalter seiner Personalabteilung, in der es «nicht hundertprozentig nach den Regeln» gehen sollte, jemanden mit einer gewissen «Flexibilität». Der Whistleblower sagte ausserdem aus, er habe Manafort zu Hause einen Umschlag vorbeigebracht, in dem sich die Antworten für eine Prüfung befanden, die Polizeianwärter zu absolvieren hatten; Manafort habe diese dann über einen Angehörigen an zwei Kandidaten weitergereicht. Manafort bestritt auch gar nicht, das Kuvert erhalten zu haben, beharrte aber darauf, lediglich um «Material zum Büffeln» gebeten zu haben.

Eine Verjährungsfrist hinderte die Staatsanwaltschaft daran, wegen seines mutmasslichen Vergehens Anklage gegen Manafort zu erheben, und letzten Endes wurde er auch im Falle des Meineids nie verurteilt. Seine Verhaftung veranlasste aber das Lokalblatt «Hartford Courant», eine Liste von Machenschaften zusammenzustellen, die kein gutes Licht auf ihn warfen: «Die ganzen zwanzig Jahre hindurch, die er nun im öffentlichen Leben steht, stand er im Mittelpunkt von Kontroversen, und man bezichtigte ihn mehrerer Vergehen.»

Die Litanei umfasste eine Anzeige beim Amt für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, die ihm vorwarf, den Manafort Brothers Bauaufträge zuzuschanzen – immerhin gehörten ihm auch als Bürgermeister noch die Aktien des Unternehmens. Als Investoren aus Florida in Bridgeport, Connecticut, eine Sportarena bauten – finanziert mit Geldern aus der Gewerkschafts-Pensionskasse –, hatte Manafort die nötige Umweltgenehmigung auf «unredliche» Weise erlangt. Ausserdem hatte das Familienunternehmen die Kosten für seine Arbeit an der Arena unnötig aufgebläht und dieses Geld als Kickback an die Teamsters zurückfliessen lassen. (Das Unternehmen räumte zwar ein, die Kosten aufgebläht zu haben, aber eine Grand Jury lehnte die Erhebung einer Anklage ab.) Selbst vor Bekanntwerden dieses Skandals hatte ein ehemaliger Bürgermeister von New Britain bereits gegen Manafort vom Leder gezogen: Sein Verhalten verstosse «gegen das Wesen der Moral an sich».

Gemäss landläufiger Meinung haben die Versuchungen der Bundeshauptstadt noch jeden Idealisten, Naiven, jede Unschuld vom Land korrumpiert. Aber was, wenn diese Formulierung die Kausalität durcheinanderbringt? Was, wenn es erst eines Aussenseiters bedurfte, um die Hauptstadt zu verderben und den sogenannten Sumpf zu schaffen?

Als Paul Manafort jun. mit den Regeln brach, als er ausserhalb eines geltenden Moralkodex zu operieren begann, folgte er lediglich dem Beispiel, das ihm am vertrautesten war. Wie er später in einem Interview mit einem Lokalblatt in Connecticut über die Arbeit mit seinem Vater sagte: «Einige der Fertigkeiten, die ich da erworben habe, setze ich heute noch ein … Ich habe da meine ersten Erfahrungen gesammelt.»

VI. Der Waffenhändler

Spätestens Ende der 1980er-Jahre hatte Manafort einen neuen ausländischen Freund, den er seinen Partnern gegenüber öfter erwähnte als jeden anderen, Abdul Rahman al-Assir, ein Waffenhändler aus dem Libanon. «Sein Name tauchte immer wieder auf», erinnerte sich Peter Kelly. Während die amerikanische Presse al-Assir selbst nie grosses Interesse entgegenbrachte, hatte er eine familiäre Beziehung, die ihr umso interessanter schien. Er war eine Zeitlang der Schwager des saudischen Waffenhändlers Adnan Khashoggi, und der wiederum hatte bei dem Waffen-gegen-Geiseln-Deal vermittelt, aus dem schliesslich die Iran-Contra-Affäre geworden war. Anfang der 1980er-Jahre belief sich Khashoggis Vermögen auf vier Milliarden Dollar; seine 1986 erschienene Biografie trug den Titel «Der reichste Mann der Welt». Auf der Höhe seines Wohlstands kostete Khashoggis Lebensstil ihn 250’000 Dollar am Tag – dazu gehörten angeblich ein Dutzend Häuser, 1000 Anzüge, eine 70-Millionen-Dollar-Jacht und ein nach seinen speziellen Wünschen ausgestattetes Flugzeug, das jemand mal als «fliegende Las-Vegas-Disco» bezeichnete.

Al-Assir war Khashoggis Mann in Spanien und vermittelte bei grossen Waffengeschäften mit afrikanischen Armeen. Er hatte sich bei den Reichen und Schönen eingerichtet, dem Jetset, der in Gstaad Ski fährt und den Sommer an der französischen Riviera verbringt. Das in arabischer Sprache erscheinende Londoner Magazin «Sourakia» schrieb damals: «Das Wunderbare an al-Assir ist, dass er sich zum Lunch mit Don Juan Carlos [dem spanischen König] trifft, zum Dinner mit Hassan II. [dem König von Marokko] und zum Frühstück am nächsten Tag mit Felipe González [dem spanischen Premier].»

Al-Assir, so legte Manafort seinen Partnern nahe, könnte der Firma bei der Akquise von Kunden in aller Welt behilflich sein. Er wollte global expandieren. Manaforts Explorationen in den ethischen Grenzbereichen der Einflussbranche hatten ihm bereits die Bekanntschaft mit Kleptokraten, Gangstern und anderen dubiosen Figuren eingebracht. Keine dieser Beziehungen hinterliess einen tieferen Eindruck auf ihn als seine Freundschaft und geschäftliche Partnerschaft mit al-Assir. Spätestens Anfang der 1990er-Jahre begannen die beiden, riesige Deals zusammenzustellen. Einer der bemerkenswerteren davon war die Vermittlung eines Waffengeschäfts zwischen Frankreich und Pakistan; geschmiert wurde der Deal durch Bestechungsgelder und Kickbacks an hochrangige Staatsdiener beider Länder, die schliesslich zu Mordvorwürfen führen sollten.

Der Waffendealer al-Assir führte Manafort in eine aristokratische Welt ein, die alles übertraf, was er je gekannt hatte.

Begonnen hatte das wohl alles 1993 mit einem Abendessen für die pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto, das Manafort in seinem Haus in Virginia gab. Bhutto war eben nach drei Jahren Opposition an die Macht zurückgekehrt, und Manafort wollte sie unbedingt als Kundin. Sie hatte bereits gehört, wie geschickt er die öffentliche Meinung zu manipulieren verstand, und jetzt präsentierte Manafort sich das ganze Essen hindurch als charmanter Stratege. Von einem ehemaligen pakistanischen Regierungsmitglied, der ebenfalls mit am Tisch sass, erfuhr ich, Bhutto sei nach dem Essen fest entschlossen gewesen, Manafort für sich einzuspannen. Entsprechend schlug sie eine Zusammenarbeit zwischen Manafort und dem pakistanischen Geheimdienst vor. Agenten in Islamabad hatten seit einiger Zeit schon einen internationalen Run auf Washingtons Lobbyisten konstatiert – und so war dort der Ruf nach einem eigenen Mann in Washington laut geworden.

Etwa zur gleichen Zeit bemühte sich Pakistan um die Erneuerung seiner U-Boot-Flotte; europäische Rüstungskonzerne überschlugen sich schier, dem Land ihre Hardware anzudienen. Letztendlich bekam den Zuschlag Frankreichs staatseigene Werft DCN – und man zog al-Assir in letzter Minute als Vermittler hinzu. In dem Skandal, der sich um den Deal entwickelte und der selbst heute – zwanzig Jahre später – noch schwärt, spielen sowohl al-Assir als auch Manafort eine Rolle. Es geht um angebliche Kickbacks an die Präsidentschaftskampagne von Édouard Balladur, die angeblich vom französischen Verteidigungsminister arrangiert waren.

Al-Assir scheint bei diesen Kickbacks eine Schlüsselrolle gespielt zu haben. Jahre später, 2002, explodierte in Karatschi eine Autobombe, wobei elf französische Ingenieure von DCN und drei Pakistaner ums Leben kamen. Sie waren zur Werft unterwegs, in der die U-Boote zusammengebaut wurden. Einer Theorie zufolge, die auch die Familien einiger der getöteten Ingenieure vertreten, wurde das Attentat von pakistanischen Staatsdienern orchestriert – im Zorn darüber, dass die im Rahmen des Deals versprochenen Schmiergelder ausgeblieben waren.

Manafort hatte bei dem Skandal keine Schlüsselrolle gespielt und wurde in diesem Zusammenhang auch nie angeklagt. Aber wie mir das ehemalige pakistanische Regierungsmitglied sagte: «Er war einer von denen, die die Leute zusammengebracht haben – und er hat für diese Rolle kassiert.» Wie durch Dokumente belegt, hat Manafort als Berater von Balladurs Wahlkampf mindestens 272’000 Dollar verdient, obwohl es, wie Manafort später französischen Ermittlern gegenüber einräumte, al-Assir war, von dem er das Geld bekam. (Balladur selbst bestritt jedes Vergehen und will sich nicht daran erinnern, dass Manafort für ihn tätig war. Al-Assir war für einen Kommentar für diesen Artikel nicht zu erreichen.)

Manafort und al-Assir waren mehr als Geschäftspartner. «Sie waren wie Brüder», sagte mir ein Bekannter der beiden. Manafort nahm al-Assir 1989 als Gast mit zu George H. W. Bushs Antrittsfeier. Als al-Assir und seine zweite Frau Nachwuchs bekamen, wurde Manafort Pate. Ihre Familien machten gemeinsam Urlaub in Cannes. Al-Assir führte Manafort in eine aristokratische Welt ein, die alles übertraf, was er je gesehen hatte. «Es gibt Geld, und es gibt das wirklich grosse Geld», sagte mir ein Freund Manaforts. «Paul wurde klar, dass es einen Unterschied macht, ob man 300’000 oder fünf Millionen Dollar verdient. Er entdeckte Südfrankreich. Al-Assir hat ihm gezeigt, wie man ein solches Leben führt.»

Bei Black, Manafort, Stone and Kelly blieben die Veränderungen im Gefolge der aufkeimenden Freundschaft der beiden nicht unbemerkt. Manaforts Kleidung begann der von al-Assir Tribut zu zollen, er eignete sich diesen und jenen Touch des europäischen Jetsets an. Er trug plötzlich unkonventionelle Hemden und Wildlederslipper ohne Socken. In den ersten Jahren der Firma war Manafort aus dem Hauptquartier nicht wegzudenken gewesen; jetzt flog er öfter nach Frankreich oder Spanien, um mit al-Assir an Projekten zu arbeiten, die seinen Untergebenen, ja selbst seinen Partnern ein Mysterium blieben. «Paul verschwand zu Auslandsgeschäften, über die keiner von uns Bescheid wusste», sagte mir Peter Kelly dazu.

Manaforts Lebensstil nahm bald üppige Züge an, die in der relativen Muffigkeit der Bundeshauptstadt auffallen mussten. Als Tochter Andrea ein Interesse am Reitsport äusserte, kaufte Manafort in der Nähe von Palm Beach eine Farm, die er mit Pferden bestückte, einer speziellen Züchtung, die er aus Irland kommen liess. Die Tiere erforderten eine Vollzeitcrew, die nach ihnen sah. John Donaldson, Manaforts Freund, erinnert sich: «Er wetteiferte mit den al-Assirs dieser Welt – und er wollte unbedingt auch so ein Leben führen.»

Seine Kollegen bei Black, Manafort, Stone and Kelly hatten immer den Verdacht gehabt, dass er auf eigene Rechnung arbeitete, ohne Rücksicht auf seine Partner. Dass al-Assirs Name gelegentlich in der internationalen Presse auftauchte, verlieh diesem Verdacht noch Gewicht. Einer der von al-Assir initiierten Deals trug zum Crash einer Privatbank in Lissabon bei. 2002 überredeten er und Manafort die Bank zu einer Investition von 57 Millionen Euro in eine puerto-ricanische Biometrics-Firma. Berichten der portugiesischen Zeitung «Observador» zufolge war Manafort der amerikanische Hauptinvestor; sein Engagement half dabei, das Investment der Bank zu legitimieren – trotz augenscheinlicher Hinweise sowohl auf die Mangelhaftigkeit der Produkte als auch die laxe Buchführung des Unternehmens. Al-Assir soll angeblich völlig überhöhte Provisionen für den Deal kassiert und obendrein etwas von den Krediten der Bank eingesteckt haben. Manafort verdiente angeblich 1,5 Millionen Dollar mit dem Verkauf seiner Anteile an der Biometrics-Firma, bevor diese schliesslich baden ging.

Anekdoten um Manaforts Schlüpfrigkeit haben sich zu Mythen ausgewachsen. Im Sommer 2016 schrieb Kenneth Vogel, heute bei der «New York Times», für «Politico» die durchaus schlüssige Exegese eines langjährigen Gerüchts: dass Manafort 10 Millionen Dollar in bar von Ferdinand Marcos habe mitgehen lassen, Geld, von dem er Marcos versprochen hatte, er würde es in die Kampagne zur Wiederwahl Ronald Reagans investieren (was an sich schon illegal gewesen wäre).

Vogel verliess sich dabei teilweise auf die Memoiren von Ed Rollins aus dem Jahr 1996, einem republikanischen Berater und Leiter der Kampagne zu Reagans Wiederwahl. Rollins erzählt in dem Buch von einer Unterhaltung mit einem philippinischen Parlamentarier auf einer Dinnerparty; der Mann behauptete, einem «bekannten Washingtoner Power-Lobbyisten», der in Marcos’ Wahlkampf involviert war, persönlich einen Koffer voll Geld ausgehändigt zu haben. Rollins wollte weder bestreiten noch bestätigen, dass es sich bei dem Lobbyisten um Manafort gehandelt hatte, obwohl seine Personenbeschreibung kaum Raum für Zweifel lässt; immerhin räumte er in einer E-Mail ein, dass es sich um eine «ziemlich gute Vermutung» handle.

Rollins gesteht in seinem Buch, wie «vor den Kopf geschlagen» gewesen zu sein von dem, was er da gehört hatte – «wenn auch nicht völlig ungläubig, da ich den Lobbyisten gut kannte und keinen Zweifel daran hatte, dass das Geld mittlerweile bei einer Offshore-Bank lag». Was Rollins mächtig aufstiess: «Ich leitete [Reagans] Wahlkampf für 75’000 Dollar im Jahr, und der Typ bekommt zehn Millionen Dollar in bar.»

Wahlkampf als patriotischer Event: Die republikanische Kampagne 1984. Bild: Dirck Halstead/The Life Images Collection/Getty Images

Manafort hat Rollins’ Unterstellung immer bestritten – «eine alte Kamelle, an der nie was dran war», sagte er Vogel. Und vom praktischen Standpunkt aus betrachtet, ist es schwer vorstellbar, dass jemand zehn Millionen Dollar in einem Koffer unterbringt. Dennoch trug Vogel einen ganzen Schwung von Indizien zusammen, die die Glaubwürdigkeit der Anekdote nahelegen.

Als ich Manaforts ehemalige Kollegen auf diese apokryphe Geschichte ansprach, konnten sie sie nicht bestätigen. Aber andererseits hatten einige auch kein Problem mit der Vorstellung, dass sie wahr sein könnte. Obwohl John Donaldson am Wahrheitsgehalt der Geschichte zweifelt, sagte er mir, dass sie sich deshalb so hartnäckig halte, weil sie Manaforts ethische Grundhaltung reflektiere. «Ich weiss, wie Paul das sehen würde. Ich sehe ihn dasitzen, wie er sich sagt: ‹Die Typen kommen doch unmöglich ran an Reagan. Ich kann ihnen Zugang zu Reagan verschaffen. Sie wollen Reagan zehn Millionen Dollar zukommen lassen. Reagan kann keine zehn Millionen Dollar annehmen. Ich schon. Die denken, sie kriegen ihren Einfluss. Alle sind zufrieden.›»

Ein anderer Ehemaliger von Manaforts Firma beantwortete meine Fragen zu Marcos’ Geld mit einer Anekdote. Nach der Wahl von George H. W. Bush erklärten sich Black, Manafort, Stone and Kelly bereit, bei der Ausrichtung der Feierlichkeiten zum Amtsantritt auszuhelfen. Die Firma beauftragte ein Unternehmen aus Rhode Island damit, entlang der Route des Umzugs Souvenirs zu verkaufen – T-Shirts, Buttons und dergleichen mehr. Nachdem die Tribünen wieder abgebaut und der Müll aufgefegt war, tauchte den Erinnerungen der Ehemaligen zufolge im Büro ein Verkäufer mit einer Tasche voll Bargeld auf. Seine Kollegen wollten es kaum glauben, aber Manafort hatte seinen Schnitt bei der Geschichte gemacht. «Das war so eine Art Paul-Steuer», sagte mir der ehemalige Angestellte. «Er brauchte wohl eine neue Veranda. Aber es war geradezu klassisch: Die anderen machen die Arbeit, und er kassiert eine Tasche voll Cash.»

Nach all der Zeit in der Gesellschaft von Oligarchen beschloss Manafort, selbst einer zu werden.

Seine Kollegen vermuteten deshalb das Schlimmste, weil ihnen die zunehmend manische Art nicht entgangen war, mit der er Besitz anhäufte, wie er sich ein zweites, drittes, viertes Haus zulegte. «Er kaufte sich ein Haus, ohne es auch nur gesehen zu haben», sagte mir ein ehemaliger Kollege. Sein Anwesen auf den Hamptons verfügt über ein Putting-Green, einen Basketball-Court, einen Pool und Gärten. «Seiner Ansicht nach machten nur Trottel keine Schulden», sagte mir der Kollege. So hemmungslos, wie er Geld ausgab und Schulden anhäufte, musste er sich nach immer lukrativeren – und riskanteren – Geschäften umsehen.

1991 wurde Black, Manafort, Stone and Kelly von dem PR-Riesen Burson-Marsteller aufgekauft, der zweitgrössten Public-Relations-Agentur der Welt. Es war ein Augenblick der Konsolidierung in der Branche, der Augenblick, in dem die grössten Player verstanden, wie viel Geld mit dem von Manafort geschaffenen Geschäftsmodell zu verdienen war. Aber kaum hatte Burson die Firma erworben, begann Tom Bell, dem Chef der Washingtoner Dependance, zu dämmern, in welchem Mass Manafort sich nicht an die Regeln gehalten hatte. Er hatte als Freelancer operiert, an Projekten gearbeitet, die nie zur Reife kamen. 1995 stieg Manafort bei Burson aus. Mit einer Handvoll Kollegen gründete er eine neue Firma – Davis, Manafort and Freeman – und schlug damit ein neues Kapitel auf, ein Kapitel, das ihn in den Dunstkreis des Kremls eintreten sah.

VII. Der Meister von Kiew

In den 1980er- und 1990er-Jahren gehörten, was Reichtum anbelangt, die Waffenhändler zur Weltspitze; im neuen Jahrhundert rückten in dieser Hinsicht die postsowjetischen Oligarchen nach. Ambitioniert sprang Manafort auf diese Entwicklung auf. Seine neue Firma tat eine ganz neue Riege von Titanen auf; tatkräftige Unterstützung erfuhr man dabei vom Erben eines uralten Vermögens.

Im Jahr 2003 sah Rick Davis, einer der Partner in Manaforts neuer Firma, sich ins Büro eines in Midtown Manhattan angesiedelten Hedgefonds zitiert; wer ihn dort sehen wollte, stand auf der Einladung nicht. Als Davis dort eintraf, drückte ihm kein Geringerer als der Ehrenwerte Nathaniel Philip Victor James Rothschild die Hand. Sein ganzes junges Leben lang hatte Nat, wie man den in Grossbritannien geborenen Finanzier kurz nennt, die Londoner Presse beschäftigt – wenn nicht mit seinem Liebesleben, dann mit Luxusdomizilen oder raffinierten Investments. Zu seinem 40. Geburtstag gab er sich selbst eine legendäre Party in dem kleinen Balkanstaat Montenegro, die ihn dem Vernehmen nach weit über eine Million Dollar gekostet haben dürfte – ein dreitägiges Festival des Hedonismus unter Palmen aus Uruguay.

Auf russische Oligarchen hatte Rothschild schon immer eine magnetische Wirkung, immerhin steht sein Name für Macht, aber auch er fühlte sich von ihnen angezogen. «Er hat eine Schwäche für diese wilde Welt», sagte mir Anders Åslund, ein Freund der Rothschilds. Rothschild investierte massiv in postkommunistische Ökonomien und wurde der wesentliche Berater (und ein Freund) des jungen russischen Milliardärs Oleg Deripaska.

Die ehrgeizigen Visionen Rothschilds und Deripaskas schaukelten einander hoch. Wie zwei Imperialisten alten Schlags stellten sie sich ein Osteuropa voll neuer, wohlgesinnter Regierungen mit Platz und Garantien für ihre Investitionen vor. Und ihr Projekt bedurfte genau der Art von Know-how, das Manafort sich in all den Jahren angeeignet hatte. 2004 beauftragte Rothschild Manaforts neue Firma damit, den Einfluss eines exilierten georgischen Politikers und ehemaligen KGB-Mannes wiederherzustellen, der damals in Moskau lebte und zufällig auch ein Freund Deripaskas war. Das war ein gewaltiger Brocken, hatte man dem Ex-KGB-Mann doch jüngst erst vorgeworfen, der Kopf eines Mordkomplotts gegen Georgiens Präsident Eduard Schewardnadse gewesen zu sein. (Was er selbst bestritt.) Der Rehabilitierungsplan sollte nie so recht zur Entfaltung kommen, aber einige Jahre später triumphierte Rick Davis mit der Kampagne für ein Volksbegehren, das zur Unabhängigkeit Montenegros führte – ein Unterfangen, das Deripaska in der Hoffnung finanzierte, sich die Aluminiumvorkommen des kleinen Staats an der Adria zu sichern. 

Deripaskas Interesse war jedoch nicht nur finanzieller Art; er war von Anfang an daran interessiert, sich bei Russland lieb Kind zu machen. In einem E-Mail der Stratfor-Analystin Lauren Goodrich vom August 2007, das seinen Weg auf Wikileaks fand, erzählt die Mitarbeiterin des weltweit operierenden Informationsdienstes, wie Deripaska ihr gegenüber einmal damit geprahlt hätte, sich «bei Putin und Kreml unentbehrlich» gemacht zu haben. Was in geschäftlicher Hinsicht durchaus Hand und Fuss hatte, immerhin hatte er mit eigenen Augen gesehen, wie der Kreml Oligarchen wie Michail Chodorkowski ihrer Imperien beraubt hatte, nur weil sie Putin die Stirn zu bieten wagten. Wie auch immer, der Kreml sah in Deripaska schliesslich tatsächlich einen praktischen Mittelsmann; als die USA ihm ein Visum verweigerten, stellten die Russen ihm einen Diplomatenpass aus, der ihm den Weg nach Washington und New York öffnete.

Manafort verstand, wie viel Deripaska seine symbiotische Beziehung mit dem Kreml bedeutete. Laut Associated Press setzte er 2005 einen Vertrag auf, der dem Oligarchen die Finanzierung der «Einflussnahme auf Politik, Geschäfte und Medienberichterstattung in den Vereinigten Staaten, Europa und den ehemaligen Sowjetrepubliken zugunsten von Präsident Wladimir Putins Regierung» vorschlug. (Deripaska bestreitet, auf Manaforts Vorschlag eingegangen zu sein.)

Besonders problematisch war das Festhalten des Kremls an seiner alten sowjetischen Einflusssphäre in den frühen Nullerjahren. Präsident George W. Bushs demokratische Agenda hatte sich mit nachgerade messianischem Eifer dem Gedanken verschrieben, die USA könnten für ein neues Zeitalter der Freiheit sorgen. Amerikas hochtrabende Rhetorik stellte eine existenzielle Bedrohung für die etablierten, russlandfreundlichen Herrscher der Region dar, die ihren Reichtum der Plünderung staatlicher Ressourcen verdankten. Ihnen schien die drohende demokratische Revolution mit einem Mal nicht mehr nur Theorie.

So war es denn auch die Furcht vor einem Volksaufstand, die Rothschild und Deripaska Ende 2004 mit einer ganz speziellen Aufgabe an Manafort herantreten liess. Die Ukraine war in eine politische Krise geraten, die eine Gefahr für ihre bestehenden Geschäftsinteressen dort darstellte (Rothschild hatte mehrere ausserbörsliche Beteiligungen; Deripaska besass eine Aluminiumhütte). Also schickten sie Manafort nach Kiew, um in Erfahrung zu bringen, wie diese Gefahren zu minimieren wären.

Von allen seinen Auslandsabenteuern erwies das ukrainische sich als das fesselndste, und das in einem Mass, dass er darüber seine anderen Geschäfte vergass. Die innenpolitische Situation der Ukraine ist nicht ganz so einfach, wie man sie allgemein darstellt; Korruption durchdringt alle grossen Parteien. Dagegen ist Manaforts Abenteuer in der Ukraine eher unkompliziert. Er arbeitete im Namen einer Clique ehemaliger Gangster aus dem Osten der Republik, Oligarchen, die sich sprachlich und kulturell Russland verbunden fühlen und das Land in seiner Gänze beherrschen wollen.

Als Manafort dort eintraf, sah der Kandidat dieser Clique, Wiktor Janukowitsch, sich einer Reihe von Vorwürfen gegenüber: Er habe 2004 die Präsidentschaftswahlen durch Betrug und Einschüchterungstaktiken zu manipulieren und möglicherweise seinen Gegner Wiktor Juschtschenko mit Dioxin zu vergiften versucht. Trotz eines Teams aus Moskau importierter Berater verlor er die Wahl. Nach dieser demütigenden Niederlage waren Janukowitsch und die Oligarchen hinter ihm verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Guru.

Als Manafort die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen begann, für Janukowitsch tätig zu werden, war der abgeblitzte Kandidat eben aus einem kurzen selbstauferlegten Exil in einem tschechischen Kurort nach Kiew zurückgekehrt. Die beiden trafen sich in einem ehemaligen Kinopalast, der zum Hauptquartier seiner Partei der Regionen umgebaut war. Als Manafort das grandiose Gebäude betrat, war es ein Mausoleum und Janukowitsch ein Paria. «Die Leute mieden ihn», sagte Philip Griffin. «Der Mann war ‹radioaktiv›.»

Manafort machte aus Janukowitsch, nun ja, eben Janukowitsch. Åslund, der die ukrainische Regierung in Wirtschaftsfragen beraten hatte, sagte mir: «Janukowitsch und Manafort sind praktisch gleich gross. Sie sind beide grosse, hochgewachsene Männer. Er riet Janukowitsch, dieselbe Art von Anzügen zu tragen wie er und das Haar nach hinten zu kämmen wie er.» Das Auftreten von Janukowitsch war öffentlich wie privat eher hölzern, aber «Manafort gab ihm Unterricht in Sachen Lächeln und Smalltalk». Und er machte das völlig unaufdringlich, sozusagen «vom Beifahrersitz aus. Er machte das ausgesprochen elegant.»

Ausserdem wies er die Partei seines Schützlings an, jede Woche ein ganz bestimmtes Thema – etwa die Situation der Rentner – zu bearbeiten. Es waren dies nicht die raffiniertesten Techniken, nur hatte sich ihrer in der Ukraine noch keiner bedient. Janukowitsch war stolz auf seinen amerikanischen Einschlag. Nachdem er Manafort eingestellt hatte, lud er den damaligen US-Botschafter John Herbst in sein Büro ein und zeigte ihm eine Mappe mit Manaforts Strategie: «Ich habe mich für Washington entschieden», sagte er.

Manafort rechtfertigte seine Arbeit in der Ukraine immer wieder mit dem Argument, das Land in eine europäische oder überhaupt westliche Richtung lenken zu wollen. Die Ergebnisse seiner Meinungsumfragen freilich legten nahe, dass Janukowitsch besser daran tat, die kulturelle Segmentierung seines Landes zu betonen und das Opferbewusstsein zu bedienen, das die russischsprachige Bevölkerung im Osten der Ukraine durchdrang. Und so kam es denn auch – seine Klienten zogen über die Erweiterung der Nato her. Als ihn ein amerikanischer Diplomat auf eine vehement antiamerikanische Tirade auf der Partei-der-Regionen-Website ansprach, sagte ihm Manafort: «Aber die ist nicht auf der englischen Version.»

Das Ergebnis der Parlamentswahlen übertraf alle Erwartungen, was Manafort immensen Respekt unter den Oligarchen eintrug. Das wiederum veranlasste ihn, zunehmend Zeit in der Ukraine zu verbringen. Einer seiner grössten Gaben als Geschäftsmann war seine Kühnheit, und seine ukrainischen Gönner hatten ungeheure Vermögen angehäuft. Die himmelschreienden Summen, die Manafort ihnen in Rechnung stellte, übertrafen alles, was er bis dahin verdient hatte, schienen aber völlig normal. Ein Mitarbeiter Manaforts schilderte das System folgendermassen: «Paul verlangte eine Riesensumme», Janukowitsch nickte sie ab und sein Stabschef «ging dann mit der Rechnung zu den anderen Oligarchen und verlangte von ihnen einen Beitrag. ‹Hey, steuere gefälligst eine Million bei.› Sie murrten zwar, aber weil Janukowitsch es nun mal so wollte, zahlten sie.»

Als Janukowitsch 2010 Präsident wurde, bedachte er Manafort mit dem Privileg der völligen Bewegungsfreiheit, was bedeutete, dass er ins Allerheiligste der Partei kommen konnte, wann immer ihm danach war. Janukowitsch konnte furchtbar stur sein, was dazu führte, dass er sich seinen Beratern im Lauf der Zeit zunehmend entzog. Im Gegensatz zu ihnen jedoch wusste Manafort den Präsidenten umzustimmen, vor allem mit Meinungsumfragen und politischen Argumenten. Oleg Woloschin, ein ehemaliger Sprecher des Auswärtigen Amts der Ukraine, erzählte mir, dass sein Chef, der Aussenminister, sich schliesslich an Manafort zu wenden begann, um Janukowitsch eine Nachricht zu überbringen oder in seinem Namen aussenpolitische Prioritäten zu diskutieren. «Janukowitsch hörte auf ihn», sagte mir Woloschin, «während unsere Argumente auf taube Ohren stiessen.»

VIII. Das Blatt wendet sich

Bis zum letzten Augenblick vor dem Volksaufstand sah Manafort in der Ukraine sein gelobtes Land, die Chance seines Lebens. Aber seine Rolle als Berater, so viel Macht sie ihm auch einbrachte, wurde dem Freibeuter in ihm nie wirklich gerecht. Nach all der Zeit mit russischen und ukrainischen Oligarchen wollte er selbst einer werden. Wie in James Hardings «Alpha Dogs: How Political Spin Became a Global Business (2009)» nachzulesen, bestand das Hauptgeschäft der Firma Rick Davis’ Ansicht nach in Deals. «Was mir so gefällt», sagte Davis, «ist, dass sich die politischen und wirtschaftlichen Eliten in jedem Land der Welt ausser den Vereinigten Staaten alle gleichen.» Die gewählten Staatsdiener und die Leute, «die die Wahlen leiten, sind die reichsten Leute im Land, denen alles gehört».

Rick Gates, heute wie Manafort angeklagt, kam 2006 nach Kiew. (Gates hat auf wiederholte Bitten um einen Kommentar zu diesem Artikel nicht reagiert.) Er hatte noch bei der alten Firma als «Wheel Man» angefangen. Nun stellte ihn Manafort ans Ruder von Pericles, einer frischgebackenen Private-Equity-Firma, die er selbst gegründet hatte. Er beabsichtigte, 200 Millionen Dollar aufzutreiben, um damit Investments in Russland und in der Ukraine zu finanzieren. «Ein völlig unerschlossener Markt», sagte mir Philip Griffin, und das galt für «praktisch jede Branche, in der Sie nur einsteigen wollten».

Manafort hatte sich immer darauf verlassen, dass Oleg Deripaska sich an der Finanzierung von Pericles beteiligen würde. 2007 hatte er ihn dazu überredet, sich festzulegen – mit 100 Millionen Dollar, einer Summe also, die der Oligarch noch nicht mal gespürt haben dürfte. Am Vorabend der Finanzkrise von 2008 schätzte man sein Vermögen auf 28 Milliarden Dollar.

Deripaska gab Paul Manafort das Geld, weil er ihm vertraute. Manafort reiste wiederholt nach Moskau, um sich im Büro des Oligarchen mit ihm zu treffen; sie sassen dort stundenlang beisammen und sprachen über den geschäftlichen und politischen Horizont des ehemaligen Ostblocks. Deripaska war noch nicht einmal 40, als er es zum Milliardär gebracht hatte; und er hatte sich mit all dem knalligen Prunk jungen Reichtums umgeben. Er wolle für die ganze Welt das Gesicht Russlands werden, hatte er mal gesagt.

Dazu würde er freilich erst den Ruf loswerden müssen, der ihm anhing, und eben dabei konnte Manafort ihm helfen. 2001, noch bevor sich die beiden kennenlernten, hatte das Weltwirtschaftsforum in Davos seine Einladung an den Oligarchen zurückgezogen; ein Gericht hatte sich mit einer Reihe von Straftaten befasst, die er mutmasslich beim Aufbau seines Imperiums begangen hatte. (Der Fall wurde schliesslich zu den Akten gelegt.) Fünf Jahre nach der Abfuhr von Davos betreute Rick Davis Deripaska bei seinem Besuch der elitären Konferenz und nahm ihn dabei unter anderem mit auf eine Party, auf der es vor US-Senatoren nur so wimmelte, darunter auch John McCain.

Im Rahmen von Pericles’ erstem Deal kaufte Manafort mit Deripaskas Geld eine Telekommunikationsfirma in Odessa namens Chorne More (Schwarzes Meer). Der Preis betrug 18,9 Millionen Dollar; für seine Aufsicht über den Deal stellte er darüber hinaus die schwindelerregende Summe von 7,35 Millionen Dollar in Rechnung.

Wenige Monate nach dem Kauf von Chorne More schlug die Finanzkrise zu, und Deripaskas Nettovermögen ging in den Keller. Und das derart, dass die russische Staatsbank mit 4,5 Milliarden Dollar aushelfen musste, um ihn vor dem Ruin zu bewahren. Der Kredit war mit Zinsen in Form einer furchtbaren Demütigung verbunden: Putin kam persönlich in einer von Deripaskas Fabriken vorbei, um ihm vor laufenden Fernsehkameras eine Standpauke zu halten.

Als Deripaskas Welt zusammenbrach, verlangten seine Vertreter von Manafort, Pericles zu liquidieren und dem Oligarchen seinen Anteil zurückzuzahlen. Manafort blieb kaum etwas anderes übrig, als Ja zu sagen. Nur dass er seine Zusage nicht in die Tat umsetzte. Und auch zur Buchprüfung bei Chorne More, die man Rick Gates zufolge in die Wege geleitet hatte, kam es nie. 2011 dann reagierte Manafort einfach nicht mehr auf die Anfragen von Deripaskas Investment-Team.

Deripaska wollte jedoch nicht abrücken von seiner Ansicht, dass Manafort ihm Geld schuldig war. 2015 beantragten seine Anwälte bei einem Gericht in Virginia die Erlaubnis, weitere Informationen über den Deal einzuholen, obwohl die ursprünglichen Papiere dafür auf den Cayman Islands eingereicht worden waren. Die Anwälte hatten bereits einen Teil der Unterlagen des Deals in die Hände bekommen und Gates eine verspätete Erklärung abgerungen, was damals passiert war. Einem Sprecher Deripaskas zufolge behauptete Gates, Chorne More hätte einen Kredit von einer Million Dollar nicht bedient, den die Firma für die Begleichung von Investitionsaufwänden aufgenommen hatte, und sei dadurch des gesamten Investments der Partnerschaft verlustig gegangen. Diese Erklärung kam Deripaskas Anwälten mehr als unglaubhaft vor.

Deripaska begann, öffentlich Zweifel daran zu äussern, dass Manafort das fragliche Unternehmen überhaupt gekauft hatte. Seine Anwälte erklärten: «Im Augenblick hat es ganz den Anschein, als hätte die Partnerschaft auch nicht eine der Chorne-More-Firmen gekauft.»

Auf allen Unterlagen des ursprünglichen Deals fand sich Rick Davis’ Name. Sie legen die Vermutung nahe, dass er als Manaforts Partner fungieren sollte und dass die Anteile daran zu gleichen Teilen unter den beiden aufgeteilt werden sollten. Nur wusste Davis nichts von dem Chorne-More-Deal. Während Manafort Pericles zusammengestellt hatte, war Davis von Davis, Manafort und Freedman beurlaubt, um John McCains Wahlkampfkampagne von 2008 zu leiten. Da Davis die Beziehung zu Manafort und Deripaska zu Beginn des Wahlkampfs PR-technische Kopfschmerzen bereitet hatte, hatte er eine gesunde Distanz zu den beiden gewahrt. Als Deripaskas Anwälte ihn nach dem Geld fragten, das er angeblich ihrem Klienten schuldete, war Davis sprachlos. Er stellte bald fest, dass Manafort bereits eine neue Firma hatte eintragen lassen – Davis Manafort International –, um aus dem alten Namen Kapital zu schlagen und Davis um die Consulting-Gebühren zu prellen. Als er nach seiner Rückkehr aus dem Wahlkampf merkte, in welchem Ausmass Manafort sein Vertrauen missbraucht hatte, verliess Davis die Firma, die sie zusammen geschaffen hatten.

Deripaskas Anwälte hatten da eine ernsthafte Beschuldigung gegen Manafort vorgebracht – und er wäre nicht Manafort, hätte er darauf eine Erwiderung eingereicht. Einige seiner ältesten Bekannten legten nahe, dass dies eine allgemeine Tendenz bei ihm reflektiere, vor persönlichen Krisen davonzulaufen: «Er setzt sich in einen Jet, düst ab nach Hawaii und lässt sich erst wieder sehen, wenn die Wogen sich wieder geglättet haben», sagte mir ein alter Kollege von ihm und dachte dabei an Manaforts Reaktion auf einen Skandal Ende der 1980er-Jahre. Aber sich vor Reportern zu verstecken, ist eine Sache, ganz etwas anderes ist es, sich vor Oleg Deripaska verstecken zu wollen. Der mochte zwar nicht mehr der neuntreichste Mann der Welt sein, über eine immense Macht verfügte er allemal.

Tatsache ist, dass Manaforts Optionen mittlerweile beträchtlich limitiert waren. Trotz des Reichtums, den er in der Ukraine angehäuft hatte, ist es eher unwahrscheinlich, dass er Deripaska das Geld hätte zurückzahlen können. Der Anklageschrift gegen ihn zufolge hatte Manafort über Jahre hinweg raffinierte Möglichkeiten gefunden, in ausländischen Steueroasen gebunkertes Geld in die USA zu schaffen. Er hatte damit Immobilien, alte Teppiche und teure Anzüge gekauft – alles relativ sichere Möglichkeiten, sein Geld nach Hause zurückzuführen, ohne dafür Steuern zu zahlen oder auch nur erklären zu müssen, wie er es verdient hatte.

Im Sommer 2014 jedoch, im Kielwasser der Revolution, die Wiktor Janukowitsch zu Fall brachte, begann das FBI sich auch die Finanzen des starken Mannes aus der Ukraine genauer anzusehen. Manafort hatte Janukowitsch die Stange gehalten, als der Präsident Ermittlungen gegen seine politischen Gegner einleiten liess, die Staatskasse seinen Kumpanen öffnete und das Land weg von Europa in Richtung Russland zu lenken begann. Er war bis zum bitteren Ende bei ihm geblieben, auch noch inmitten wachsender Unruhen im Land – selbst der Mord an über hundert Demonstranten durch Regierungskräfte auf dem Maidan focht ihn nicht an.

Er war Janukowitsch treu geblieben, selbst als der innere Kreis des starken Mannes scharenweise abzuspringen begann. Womöglich sah Manafort nach so vielen Jahren des Lebens in der moralischen Grauzone einfach nicht mehr, was für eine Art Herrscher Janukowitsch war, zu schweigen von den Grenzen, die er überschritten hatte. (Man macht ihm mittlerweile in der Ukraine den Prozess wegen Hochverrats, auch wenn er von seinem sicheren Platz in Moskau jedwede Schuld bestreitet.) Im Dezember zuvor, als die Demonstranten auf den Maidan geströmt waren, hatte Manafort seiner Tochter Andrea in einer SMS geschrieben: «Obamas Beliebtheitsgrad liegt unter dem [von Janukowitsch] und keiner stürzt ihn.»

Schliesslich bezog das FBI Manaforts eigene Geschäfte in die Ermittlungen um Janukowitsch und seine Finanzen mit ein. Kurz nachdem die Ermittler sich für ihn zu interessieren begonnen hatten, man vernahm ihn im Juli 2014, hörten die verkappten Rückführungen seines Einkommens auf. Manafort selbst bemühte sich mittlerweile, das Geld einzutreiben, das ihm Janukowitschs Kumpanen schuldig geblieben waren. Um seinen aufwendigen Lebensstil finanzieren zu können, begann er seine Immobilien zu beleihen – mit über 15 Millionen Dollar, wie in der Anklageschrift zu lesen ist. Es ist dies eine durchaus übliche Taktik unter Geldwäschern – der Kredit einer Bank erlaubt es ihnen, sauberes Geld aus einer Immobilie zu ziehen, die man mit schmutzigem Geld erworben hat. Wie ebenfalls in der Anklageschrift zu lesen, erhielt Manafort aber auch überhöhte Kredite auf der Basis falscher Auskünfte an die betreffende Bank, was auf den Ernst seiner Cashflow-Probleme schliessen lässt. Natürlich waren die Kredite zurückzuzahlen. So wie ihm nichts anderes übrig blieb, als auf die eine oder andere Weise Deripaskas Rechnung zu zahlen.

IX. Der Haupttreffer

«Ich muss unbedingt zu» Trump, sagte Manafort Anfang 2016 zu Tom Barrack. Der Immobilienmagnat ist ein alter Freund; seit über vierzig Jahren ein Vertrauter Trumps, kennt er Manafort schon weit länger. Als Manafort ihn bat, bei Trump ein gutes Wort für ihn einzulegen, willigte er sofort ein.

Manaforts Klinikaufenthalt in Arizona war vorbei. Sehr angenehm war die Zeit dort nicht gewesen; bei all den Domizilen, die er sich zugelegt hatte, sah er sich dort Andreas Textmessages zufolge gezwungen, das Zimmer mit einem anderen Patienten zu teilen. Trotz der ihm eigenen Verschwiegenheit hinsichtlich seines Privatlebens war er täglich in die Gruppentherapie gegangen – die ihn laut eigener Aussage verändert hat. «Ich habe inzwischen verstanden», textete er seiner Tochter, «warum ich zusammengebrochen bin.»

Dennoch hatten sich die wichtigsten Gründe für seinen Zusammenbruch derweil nicht in Luft aufgelöst. So unentbehrlich er einst gewesen war, seine Branche hatte ihn nicht vermisst. Er hatte nicht einen zahlungskräftigen Kunden und steckte bis über den Hals in Schulden. Alle Versuche, seine unternehmerischen Fertigkeiten unter Beweis zu stellen, hatten sich als kostspielige Flops erwiesen. Und wegen seines grössten Fiaskos war Deripaska hinter ihm her. «Er hat zu viele Leichen im Keller», hatte Andrea ihrer Schwester kurz nach Manaforts Eintritt in die Klinik geschrieben und dabei angemerkt, dass seine Arbeit in der Ukraine vom rechtlichen Standpunkt her zweifelhaft sei. «Mach dir nichts vor», hatte sie Jessica einige Monate zuvor geschrieben. «Das Geld, das wir haben, ist Blutgeld.»

Sie hatte ihm seine Affäre nie verzeihen können; in einer Mitteilung an eine Cousine klagte sie über das Verhalten ihres Vaters gegenüber der Mutter. «Wir lassen uns sehen und essen den Hummer», schrieb sie. «Ändern tut sich nichts.» Es hatte sich jedoch durchaus etwas geändert, nämlich Manaforts Rolle als freigebiger Versorger seiner Familie – eine Rolle, die er bei all seinen sonstigen Schwächen immer sehr ernst genommen hatte. Die Millionen, die er in Jessicas Filme investiert hatte, waren fort, desgleichen die Millionen, die er mit den Immobiliengeschäften ihres damaligen Gatten verpulvert hatte.

Mit dem Auftritt Donald Trumps roch Manafort eine Chance, nicht nur seine Verluste wieder einzufahren, sondern auch seine eigene Relevanz wiederherzustellen. Die Situation war in gewisser Hinsicht perfekt: Die Wahlkampagne war ein chaotisches Meisterstück der Improvisation – alles was ihr fehlte, war ein Schuss technisches Know-how und Glaubwürdigkeit beim Establishment.

Tom Barrack übermittelte Trumps Team ein Memo Manaforts, in dem dieser erklärte, warum er sich für den idealen Partner des Kandidaten hielt. Alte Kollegen bezeichnen Manafort als Meister des Verkaufs, als einen Mann mit geradezu übernatürlichen Antennen für sein Publikum. So sagte er Trump, er hätte «Washingtons politisches Establishment seit 2005 gemieden», und beschrieb sich als lebenslangen Feind von Karl Rove, der für genau die alteingesessene Parteielite stehe, die Trumps Nomination zu torpedieren versuchte. Um wieder einen Fuss in die Tür zu bekommen, präsentierte Manafort sich als der Aussenseiter schlechthin, eine etwas bemühte Argumentation, die Trump – und womöglich nur Trump – überzeugend finden würde.

Fast unmittelbar nachdem er sich seinen Posten in Trumps Wahlkampagne gesichert hatte, schloss Manafort sich mit dem Oligarchen Deripaska kurz.

Manafort konnte sich Trump deshalb so massgerecht andienen, weil er ihn im Lauf der Jahrzehnte beobachtet hatte. In den 1980ern hatte seine Firma Trump vertreten, als der Mogul in Palm Beach den Flugverkehr umleiten wollte, um in Mar-a-Lago seine Ruhe zu haben. Seit 2006 hielt Manafort sich eine Zweitwohnung im New Yorker Trump Tower, wo er und Trump sich hin und wieder getroffen und Belanglosigkeiten ausgetauscht hatten. Diese persönlichen Begegnungen mit Trump hatten womöglich zu einer anderen wichtigen Einsicht geführt, und das war Trumps Geiz. Als Manafort ihm seine Dienste anbot, widerstand er seinem Instinkt, ihm dafür eine gesalzene Rechnung zu stellen, und bot ihm seinen Rat gratis an. Seiner Familie gegenüber präsentierte Manafort seine Entscheidung als strategische Erwägung: Wenn Trump ihn für reich hielt, würde er ihn für – immerhin halbwegs – ebenbürtig halten, anstatt in ihm einen Wahlkampfparasiten zu sehen.

Freilich dürfte Manafort auch davon überzeugt gewesen sein, unter dem Strich doch noch seinen Schnitt zu machen wie bisher auch, allein schon aus dem Einfluss, den ihm der Posten als Wahlkampfchef gab. Und mit einem Sieg Trumps würde sich das exponentiell steigern, ganz zu schweigen von Gefälligkeiten oder dem einen oder anderen Dispens.

Diese Erwägungen dürften ihn auch dazu veranlasst haben, fast unmittelbar nach seiner Einstellung als Wahlkampfchef Kontakt zu Oleg Deripaska aufzunehmen, nachdem er ihm jahrelang ausgewichen war. Durch einen seiner alten Mitarbeiter, einen Ukrainer namens Konstantin Kilimnik, liess er dem Oligarchen Zeitungsausschnitte zukommen, mit denen er seinen neuen Job hervorhob. Kurz darauf fragte er bei Kilimnik nach, ob sich das nicht vielleicht nutzen liess, um seine Schulden wettzumachen. «Hat OVD Operation gesehen?», schrieb er. Manaforts Sprecher bestätigte, dass sich die Initialen auf «Oleg Vladimirovich Deripaska» beziehen. Im Verlauf des Austauschs gab Kilimnik sich optimistisch, dass Manafort und der Oligarch «zur alten Beziehung zurückfinden» würden.

Selbstverständlich erwiesen sich Manaforts Hoffnungen als reine Fantasie. Anstatt einer der grossen Player in Donald Trumps Washington zu werden, wurde er der Bösewicht im Zentrum seines grössten Skandals.

Ein nach wie vor anwachsender Berg von Indizien lässt vermuten, dass die Trump-Kampagne in heimlichem Einvernehmen mit russischen Anstrengungen handelte, die Präsidentschaftswahlen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Angesichts Manaforts langjähriger Beziehungen zu engen Verbündeten des Kremls wie Janukowitsch und Deripaska und, insbesondere, angesichts seiner Schulden bei Letzterem, fällt es einem schwer, ihn sich in einem solchen Plan lediglich als naiven oder passiven Akteur vorzustellen – obwohl Deripaska jedwede Kenntnis von einem Plan Manaforts, seine Gunst zurückzugewinnen, bestreitet. Manafort war mit Donald Trump jun. im Raum, als eine russische Anwältin und Lobbyistin im Sommer 2016 im Trump Tower auftauchte und belastendes Material über Hillary Clinton versprach. Noch im selben Sommer gelang es der Trump-Kampagne – mit Manafort als Manager –, verändernd auf die Wahlplattform der Republikaner einzuwirken; insbesondere verwässerte man die Unterstützung des prowestlichen Kurses von Janukowitschs Nachfolger, eine Veränderung, die Russland mehr als willkommen war, bei den Republikanern zuvor jedoch undenkbar gewesen wäre.

Als das Justizministerium Paul Manafort im Oktober unter Anklage stellte, weil er sich nicht als ausländischer Lobbyist hatte eintragen lassen und weil er Geld im Ausland versteckt hatte, war sowohl von Habsucht die Rede als auch von Verzweiflung; man zeichnete das Porträt eines Mannes, dessen Einkünfte so schwarz waren wie die Interessen, für die er tätig war.

Rückblickend scheint es völlig unvermeidlich, dass Sonderankläger Robert Mueller seinen Blick als Erstes auf Manaforts Bankgeschäfte in der Ukraine richtete, sie sich als ersten Ansatzpunkt für seine Ermittlungen vorknöpfte. Die traurige Wahrheit an der ganzen Geschichte ist, dass all das belastende Material in Muellers Anklage unentdeckt geblieben wäre, hätte Manafort der Versuchung widerstanden, sich Trump als Wahlkampfmanager anzudienen. Selbst wenn sein Tun ruchbar geworden wäre, so ganz aussergewöhnlich wäre es niemandem vorgekommen; man hätte keinen allzu grossen Unterschied gesehen zwischen Manaforts Vergehen und dem, was heute weltweit an der Tagesordnung ist.

Und wieder im Zentrum der Macht, und wieder in Cleveland: Manafort (rechts) 2016 als Wahlkampfchef von Donald Trump am Kongress der Republikaner. Bild: Bill Clark/Getty Images

Aus Einblicken in die geheimen Offshore-Konten der Reichen und Mächtigen aller Welt, wie sie uns die Panama Papers und die Paradise Papers ermöglichten, lässt sich das ganze Ausmass ersehen, in dem die Korruption zum wesentlichen Narrativ unserer Zeit geworden ist. Wir leben in einer Welt von im Handstreich, sei es durch politische Connections, sei es durch glatten Diebstahl an sich gerissener Vermögen. Paul Manafort war im Verlauf seiner Karriere einer der grossen Normalisierer von Korruption. Die Firma, die er in den 1980er-Jahren schuf, räumte auf mit den traditionellen Vorbehalten gegen Interessenkonflikte. Sie importierte das Ethos des permanenten Wahlkampfs ins Lobbying und damit in den Unterbau der amerikanischen Rechtsordnung.

Und auch wenn Manafort angeblich Geld gewaschen hat: Was ihn wirklich einzigartig macht, ist seine ellenlange Bilanz im Waschen von Reputation. Er half mit, die politische Elite Amerikas zu überreden, über die Gräuel und Raubzüge brutaler Autokraten und Kleptokraten hinwegzusehen. Er nahm sich Leuten an, die in Washington nie und nimmer hätten Einfluss haben dürfen, und zeichnete ihr Image weich genug, um ihnen über die moralische Schwelle hinweg durch die Tür zu helfen. Er schwächte damit das ethische Immunsystem der Hauptstadt.

Donald Trump zum Wahlsieg verholfen zu haben, ist in vieler Hinsicht der Höhepunkt von Paul Manaforts Wirken. Der Präsident hat gewisse Ähnlichkeiten mit den Oligarchen, denen Manafort so lange gedient hat: ein Geschäftsmann mit einem Portfolio zwielichtiger Deals, der aus seinen engen Beziehungen zu Mitgliedern der Regierung Profit schlug; ein Mann, dessen Drang, zu dominieren und sich zu bereichern, jedes höhere Ideal überwiegt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Politik – als Dienst an der Öffentlichkeit – Trump als Fremdkörper abgestossen hätte. Und auch wenn der Zynismus, der Trumps Aufstieg ermöglichte, viele Ursachen hat – eine davon ist die schleichende Veränderung Washingtons zu einer Stadt, die eher dem New Britain von Manaforts Jugend gleicht.

Letztes Jahr versuchte eine Gruppe von Manaforts langjährigen Freunden unter der Leitung des alten republikanischen Kämpen Bill Greener, einen Kader von Gleichgesinnten auf die Beine zu stellen, der Manafort gegen die erhobenen Vorwürfe in Schutz nehmen sollte, selbst gegen den schlimmsten: dass er in Zusammenarbeit mit einer ausländischen Macht Amerikas demokratischen Prozess zu unterminieren versucht habe. Selbst Manaforts alter Partner Charlie Black kam zu einem der Meetings, obwohl die beiden sich aus den Augen verloren hatten. Auch einige der «Wheel Men» aus der alten Firma wollten helfen.

Als man dann jedoch Freiwillige suchte, die als Leumundszeugen im Fernsehen auftreten sollten, hob nicht einer die Hand. «Womit hätten wir denn arbeiten sollen?», sagte mir eine der Personen, die die Gruppe kontaktiert hatte. «Und niemand konnte sich sicher sein, dass Paul das nicht doch getan hat.» Ganz im Gegenteil: Alles an dem Mann und dem Leben, für das er sich entschieden hat, legt nahe, dass er es tat.

Der Artikel erscheint im März 2018 in der Printausgabe des «Atlantic» unter dem Titel «American Hustler».

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