Bis auch der letzte Zahn gezogen ist

Die Lobby der Kleinkreditbanken will den Konsumentenschutz aushebeln. Eine Gesetzesänderung würde die Überschuldung fördern und betrügerische Praktiken verharmlosen.

Kommentar von Carlos Hanimann, 06.03.2018

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Die Banken für Kleinkredite geniessen einen schlechten Ruf – zu Recht: Die Werbung ist aggressiv, die Kreditvergabe locker, die Kreditprüfung lasch.

Als Korrektiv hat das Konsumkreditgesetz in der Schweiz ungewöhnlich scharfe Sanktionen. Doch die sollen jetzt ausgehebelt werden – auf Wunsch der Bankenlobby.

Eine Recherche der Republik hat kürzlich gezeigt, dass zwei Banken für Kleinkredite in einer Vielzahl von Fällen nur unzureichend prüften, wem sie die Kredite auszahlten. Es geht dabei um die zwei grössten Kleinkreditbanken, die Cembra Money Bank und die Credit-Suisse-Tochter Bank Now.

«Wenn wir einen Kreditvertrag von einer dieser zwei Banken vor uns haben, ist unsere Arbeitshypothese immer: Der Kredit ist faul. Die Frage ist nur: Wo?» Das sagt der Berner Schuldenberater Mario Roncoroni, einer der profiliertesten Fachleute auf diesem Gebiet. Fast immer, wenn Dossiers dieser zwei Banken auf seinem Tisch landen, sei die Kreditfähigkeit fehlerhaft oder nur ungenügend geprüft worden. Die Folge: Kreditunwürdige Personen erhalten hohe Geldsummen, die sie nicht zurückzahlen können. Sie nehmen neue Kredite auf, um alte zu begleichen. Sie überschulden sich. Die Ausfälle bei Krankenversicherungen oder Steuern übernimmt dann der Staat.

Zuletzt im letzten Jahr gescheitert

Es ist ein lukratives Geschäft – für die Banken. Jedes Jahr vergeben sie Barkredite in der Höhe von 3,5 Milliarden Franken – über 100’000 Abschlüsse mit einer durchschnittlichen Kreditsumme von 35’000 Franken. Letztes Jahr waren rund 300’000 Kredite ausstehend, 6,3 Milliarden Franken. Trotzdem sind die Ausfallquoten gering, sie bewegen sich im einstelligen Prozentbereich.

Teuer kommt die Banken einzig der Regelbruch: Prüfen sie die Kreditwürdigkeit nicht genau, können sie die Zinsen verlieren, bei schwerwiegenden Verstössen sogar die ganze Kreditsumme. Die harte Strafandrohung soll verhindern, dass Banken allzu locker Kredite sprechen.

Die Banken wehren sich seit Jahren gegen die Strafbestimmungen. Am liebsten würden sie sie aus dem Gesetz streichen. Zuletzt scheiterten sie damit vergangenes Jahr, als sie gemeinsam mit der SVP versuchten, den Konsumentenschutz mit einem einzigen Wort auszuhebeln: «absichtlich».

Unter dem Vorwand einer Präzisierung wollten sie das Gesetz in sein Gegenteil verkehren: Eine Schuldnerin hätte künftig der Bank nachweisen müssen, dass diese «absichtlich» gegen das Gesetz verstossen habe. Nur dann wäre die Bank mit dem Verlust der gesamten Kreditsumme bestraft worden.

Doch Konsumentenorganisationen und Schuldenberatungen schlugen Alarm, der Plan flog auf, ein Antrag des SVP-Banklobbyisten Thomas Aeschi wurde letzten Herbst abgelehnt. Die Sache schien vom Tisch. Bis jetzt.

Schärfste Sanktion: Entzug der Banklizenz

In der Zwischenzeit wurden über 400 Fälle von zu laschen Kreditprüfungen bekannt – eine klare Gesetzeswidrigkeit. In rund 200 Fällen wurden mit den erschlichenen Krediten die Guerillaorganisation der Tamil Tigers auf Sri Lanka finanziert. Seit 8. Januar läuft dazu ein Prozess am Bundesstrafgericht in Bellinzona. Auch die Finanzmarktaufsicht (Finma) beschäftigt sich mit den Praktiken der Kleinkreditbanken: Die Finma prüft nach zwei Anzeigen, ob die Verstösse der Banken systematisch waren. Die härteste Sanktion wäre der Entzug der Banklizenz.

Ausgerechnet jetzt und vor diesem Hintergrund erlebt der Plan der Bankenlobby seine Auferstehung: In einer Randnotiz vermeldete die Wirtschaftskommission des Ständerats Ende Januar, eine Mehrheit wolle das Konsumkreditgesetz in diesem Sinne ändern. Der Rat wird die Änderung am Mittwoch als Nebensächlichkeit in der Debatte zu zwei Finanzdienstleistungsgesetzen behandeln.

Sollte die Bankenlobby mit ihrem Anliegen durchkommen, wäre das ein fataler Entscheid: Er würde den Schutz vor Überschuldung aushöhlen. Und betrügerische Praktiken verharmlosen.

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