Was diese Woche wichtig war

Bund gegen Post, EU gegen Bundesrat – und Freiheit für Deniz!

Woche 7/2018 – das Kurzbriefing aus der Republik-Redaktion.

Von Ihrem Expeditionsteam, 16.02.2018, Update: 13.30 Uhr

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Hier eine Auswahl der wichtigsten Themen der vergangenen Woche:

Der Bund verklagt die Post

Darum gehts: Das Bundesamt für Verkehr hat am Mittwoch eine Anzeige gegen unbekannt eingereicht. Grund: Die Post-Tochter Postauto Schweiz AG hat jahrelang Gewinne aus dem staatlich subventionierten Bereich in den nichtsubventionierten Bereich verschoben. So wies die Postauto AG zu tiefe Gewinne aus und kassierte damit übermässig staatliche Fördermittel. Insgesamt verschleierte das Unternehmen über 90 Millionen Franken Gewinn. Post-Chefin Susanne Ruoff sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Verkehrsministerin Doris Leuthard hat ihr allerdings den Rücken gestärkt. Auch der Post-Verwaltungsrat stellte sich hinter Ruoff.

Warum das wichtig ist: Es geht um das Kernproblem der Postauto AG: Sie fährt in jedes noch so entlegene Tal der Schweiz, kann diesen Betrieb aber nicht ohne Subventionen aufrechterhalten. Der Skandal um die Postauto AG erschüttert das Vertrauen in staatlich subventionierte Unternehmen. Nach bisherigem Kenntnisstand soll sich zwar niemand persönlich bereichert haben, aber der mutmassliche Betrug bei der Postauto AG war massiv und lief über Jahre.

Was als Nächstes passiert: Im März muss die Post in der nationalrätlichen Verkehrskommission zum Betrug Stellung nehmen. Die Post hat inzwischen angekündigt, die ausstehenden 78 Millionen Franken an Bund und Kantone zurückzuzahlen.

Grossbritannien führt Anti-Propaganda-Software ein

Darum gehts: Die britische Regierung hat diese Woche eine neue Software vorgestellt, die die Verbreitung extremistischer Propaganda im Netz erschweren soll. Der 600’000 Pfund teure Algorithmus kann nach Angaben der Herstellerin ASI Data Science bis zu 94 Prozent der Video-Uploads der Terrormiliz Islamischer Staat erkennen, bei einer Fehlerquote von rund 0,005 Prozent.

Warum das wichtig ist: Die Software soll ein weiterer Schritt sein im Kampf gegen extremistische Propaganda im Internet. Die britische Regierung geht davon aus, dass die Terrormiliz Islamischer Staat 2017 mehr als 400 Online-Plattformen für die Verbreitung ihrer Propagandavideos benutzt hat, davon rund 145 neue Plattformen, die vorher nicht verwendet wurden. Gleichzeitig warnen Kritikerinnen vor einer noch schärferen Überwachung des Internets. Der Europäische Gerichtshof hat bereits 2012 entschieden, dass automatische Upload-Filter gegen die Informationsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre verstossen. Dennoch liebäugelt auch die EU-Kommission mit derartigen Filtern.

Was als Nächstes passiert: Das britische Innenministerium will jetzt Internetdienste wie Vimeo, Telegra.ph und pCloud dazu bringen, die Software einzusetzen. Notfalls auch mit Gesetzesänderungen. Die grossen Firmen wie Facebook, Microsoft, Youtube und Twitter haben sich bereits letzten Sommer in einem «Global Internet Forum to Counter Terrorism» zusammengeschlossen, um beispielsweise die Verbreitung extremistischer Inhalte über ihre Netzwerke zu verhindern.

Deniz Yücel seit einem Jahr in Haft

Darum gehts: Am Mittwoch hat sich die Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel gejährt. Vor einem Jahr wurde der Türkei-Korrespondent der deutschen Tageszeitung «Die Welt» in Istanbul verhaftet, seither sitzt er ohne Anklage in Untersuchungshaft. Die türkische Justiz wirft ihm laut Haftbefehl «Terrorpropaganda» und «Volksverhetzung» vor.

Warum das wichtig ist: Insgesamt sitzen in der Türkei momentan 157 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis. Der Fall Yücel belastet das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei. Verschiedene Politiker äusserten in der Vergangenheit Überlegungen, der Türkei keine Waffen zu liefern, bis Yücel wieder frei ist. Dieser hat sich aber gegen «schmutzige Deals» geäussert. Zum Jahrestag am Mittwoch erschien ein Buch mit Yücels gesammelten Texten. Der Titel: «Wir sind ja nicht zum Spass hier».

Was als Nächstes passiert: Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte in einem Interview mit den deutschen «Tagesthemen» am Mittwoch: «Ich hoffe, dass er [Yücel] in kurzer Zeit freigelassen wird. Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird.» Yücel werde vor Gericht erscheinen, und jede Verhandlung sei eine Chance, dass er freikomme. Damit soll der Fall Yücel nun in die Hände der Justiz übergeben werden. Ob das seine Freilassung tatsächlich beschleunigt, ist unklar.

+++ Update: Deniz Yücel kommt frei. Sein Anwalt Veysel Ok hat am Freitag Vormittag auf Twitter mitgeteilt, das Gericht habe die Freilassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft beschlossen. Inzwischen ist auch die Anklageschrift da, die Staatsanwaltschaft fordert 18 Jahre Gefängnis.

Südafrikas Präsident zurückgetreten

Darum gehts: In der Nacht auf Donnerstag ist der südafrikanische Präsident Jacob Zuma nach neun Jahren im Amt zurückgetreten. Dieser Schritt folgt einer langen Reihe von Skandalen, Korruptionsvorwürfen und Rücktrittsforderungen sowie acht Misstrauensvoten. Die Abstimmung über Nummer neun hätte übrigens gestern Donnerstag erfolgen sollen.

Warum das wichtig ist: Jacob Zuma geht als «Teflon-Präsident» in die Geschichte des Landes ein. 2016 wurde im Rahmen der «Gupta Leaks» publik, dass Zuma sich von der einflussreichen indischen Familie Gupta kaufen liess, namentlich mehrere Personalentscheide nach ihnen richtete und dafür Millionen kassierte. Ausserdem liess er sich zum Beispiel für rund 20 Millionen Euro Steuergelder seinen Wohnsitz ausbauen, mit fragwürdigen Begründungen. Alle diese Vorwürfe rüttelten nur schwach an Zumas Präsidentschaft. Am Dienstag beschloss seine eigene Partei, ihn loswerden zu wollen. Diesen Schritt hatte Zuma bisher immer verweigert. Jetzt wurde der Druck seiner Partei jedoch zu gross.

Was als Nächstes passiert: Gestern wurde der neue Präsident der Regierungspartei ANC und bisherige Vize von Zuma, Cyril Ramaphosa, zum Nachfolger gewählt. Heute soll er bereits die erste Rede zur Lage der Nation halten. Nun beginnen die Aufräumarbeiten im Land, Zumas Scherbenhaufen muss weg.

EU-Kommissionspräsident kritisiert den Bundesrat

Darum gehts: In einer Medienkonferenz hat sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erstmals zum geplanten Rahmenabkommen mit der Schweiz geäussert. Dabei gab er die Schuld für die schlechten Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz – der Schweiz. Mehrmals habe ihm der Bundesrat den Abschluss des Rahmenabkommens versprochen, er sehe aber bisher noch keinen Fortschritt.

Warum das wichtig ist: Das Rahmenabkommen, das bestehende und zukünftige Verträge zwischen der Schweiz und der EU im Bereich des Marktzugangs und der Streitbeilegung regeln soll, ist hierzulande ein Reizwort. Und tatsächlich hat Juncker widersprüchliche Signale aus der Schweiz erhalten. Mal spricht sich ein Bundesrat für das Abkommen aus, ein anderer zwei Tage später dagegen. Aufgrund des Hickhacks beim Rahmenabkommen erhielt die Schweiz nur eine einjährige Börsenlizenz.

Was als Nächstes passiert: Am 21. Februar findet die nächste EU-Klausursitzung des Bundesrates statt. Bis dahin muss das Schweizer Aussendepartement klären, welche Marktzugangsabkommen die Schweiz überhaupt noch will. Der Bundesrat hat beschlossen, in der Sache in Zukunft nur noch mit einer Stimme sprechen zu wollen.

Zum Schluss: Medienfreiheit (nur kurz)

Hier lesen Sie normalerweise etwas Lustiges, Absurdes oder Schräges. Heute nicht. Heute erinnern wir an die 157 inhaftierten Journalisten in der Türkei. Sie sitzen im Gefängnis, weil sie ihre Arbeit gemacht haben. Der deutsche «Tagesspiegel» hat ihre Namen aufgelistet (vollständige Ansicht hier):

157 Journalistinnen und Journalisten sind aktuell in der Türkei inhaftiert. #FreeDeniz bedeutet immer auch #FreeThemAll. @tagesspiegel-#Checkpoint t.co/1WSsgh15it

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