Binswanger

Die Pluto-Liberalen

Letztes Jahr war er das Schreckgespenst, jetzt wird er in Davos als Stargast empfangen. Ist Trump nun Freund oder Feind der globalen Wirtschaftselite?

Von Daniel Binswanger, 27.01.2018

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Die globalen Wirtschaftsführer beweihräuchern sich in Davos Jahr für Jahr so intensiv, dass es einem den Atem verschlagen kann. Hilfe, etwas Bergluft bitte! Tragisch ist das jedoch nicht: Die Selbstdarstellung von Macht besteht immer in Selbstglorifizierung. Die französischen Könige haben Versailles gebaut. Die Statussymbole des 21. Jahrhunderts reduzieren sich auf eingeschneite Scharfschützen (Weltklasse-Sicherheitskonzept), Verkehrsstau (Staatskarossen und Secret-Service-SUV) und astronomische Hotelpreise (heutige Top Shots glänzen nicht durch Genuss-, sondern durch Zahlungsfähigkeit). Von den Welteliten Bescheidenheit zu erwarten, wäre jedoch zu viel verlangt.

Es ist auch nicht tragisch, dass Davos der Ort der schönen Worte und der weniger schönen Deals ist. Auch von internationalen Wirtschaftsführern gilt: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Natürlich sind sie in Davos für die Beziehungspflege und nicht für die Diskurswolken um «Leadership», «Nachhaltigkeit» und «Verantwortung». Aber schaden kann es ja nicht, wenn sie dann doch mal ein Panel mit ein paar Wirtschaftsnobelpreisträgern über sich ergehen lassen. Jahr für Jahr lassen sie sich brav von Klaus Schwab die Kappe waschen und hören sich geduldig Ermahnungen von Christine Lagarde an. Wer will ausschliessen, dass vom «Davos Spirit» nicht doch irgendetwas hängen bleibt?

Nein, das Problem liegt nicht darin, dass die globalen Eliten eitel und bigott sind. Das ist das natürliche Vorrecht der Macht. Das Problem ist, dass Davos zum Ort einer profunden Schizophrenie geworden ist. Dass die Top Shots plötzlich auftreten, als wären sie ihre eigenen schärfsten Kritiker. Dass die Hyperglobalisierer neuerdings im Gewand der Globalisierungskritik daherkommen. Dass die Super-Kapitalisten darüber orakeln, wie der Kapitalismus die Demokratie zerstört. Davos war immer ein Basar der Eitelkeiten. Es wird zu einem Tollhaus.

Man nehme zum Beispiel CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. Die Credit Suisse hat zum Auftakt des WEF ein standesgemässes Panel organisiert (ein Nobelpreisträger, ein Harvard-Professor, ein Ex-Premierminister), um die CS-Studie «Die Zukunft der Politik» zu präsentieren. Es ist ein bemerkenswertes Dokument. Kein Geringerer als Francis Fukuyama darf dort Sätze zum Besten geben wie: «Die ökonomische Ungleichheit könnte vermindert und die Mittelklasse gestärkt werden. Das wäre gut und notwendig.» Urs Rohner doppelt im «Blick»-Interview nach: «Die Vermögensungleichheit nimmt seit der Finanzkrise zu, teilweise aufgrund der expansiven Geldpolitik, von der die oberen Vermögensschichten überproportional profitieren konnten.» Längerfristig werde «das Fundament der Demokratie entkräftet», gibt Rohner zu bedenken.

Der kleine Schönheitsfehler: Die Verschärfung von Ungleichheit ist das Geschäftsmodell der Credit Suisse. Wie viele Vermögensverwalter setzt die Bank seit Jahren dezidiert auf UHNWI, «Ultra High Net Worth Individuals», das heisst Kunden mit einem Vermögen von über fünfzig Millionen Franken, um das Private Banking auszubauen. Hier spielt die Musik. Besonders wichtig geworden ist das Kreditgeschäft mit den Superreichen. Aufgrund der von Rohner beklagten niederen Zinsen ist es für extrem begüterte Kunden attraktiv geworden, geliehenes Geld zu investieren und damit ihren Vermögenszuwachs zu potenzieren. Für die Banken ist das eine Goldgrube: Sie verdienen nicht nur an den Krediten, sondern auch an der Verwaltung der geliehenen Gelder. 2015 gab der damalige CS-Chef Brady Dougan zu Protokoll, dass über die Hälfte der UHNWI-Neugelder über solche Kredite eingespielt wurden. Das Geschäft läuft prächtig. In Davos wird im Gegenzug ein schmalbrüstiges Bändchen über Ungleichheit, Populismus und die Bedrohung der Demokratie präsentiert.

Martin Wolf, der Chef-Kommentator der «Financial Times», hat den Begriff «Pluto-Populist» geprägt, um den Erfolg von Donald Trump zu beschreiben. Trump spielt auf der Klaviatur populistischer Affekte, aber die Politik, die er und die republikanische Partei effektiv umsetzen, ist plutokratisch. Sie dient ausschliesslich den Interessen der Reichtums-Eliten. In Davos scheint sich der Typus des «Pluto-Liberalen» zu etablieren. Er sorgt sich um den Freihandel, den Verfassungsstaat, die Demokratie. Er warnt vor zunehmender Ungleichheit. Aber die Geschäfte, die er macht, sind rein plutokratisch. Sie dienen ausschliesslich den Interessen der Reichtums-Eliten.

In ihrer Rhetorik könnten der Pluto-Populist und der Pluto-Liberale sich nicht heftiger bekämpfen. Ihr Handeln aber ist weitgehend deckungsgleich. Letztes Jahr beherrschte Trump das WEF als Inbild des Feindes, als die Macht, die es zu bekämpfen gilt. Dieses Jahr ist er der Stargast. Die Medien schlagen Bewunderungs-Salti, erwachsene Männer betätigen sich als Autogrammjäger. Davos geht vor dem vermeintlichen Antiglobalisierer in die Knie. Es war also falscher Alarm. Die «Davos Men» sollten die Schizophrenie ablegen und der Realität gefasst ins Auge blicken. Keine Panik, alles halb so wild: Trump ist einer von ihnen. Die Plutokraten bleiben unter sich.

Illustration Alex Solman

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