Wer bin ich, und wenn ja: Wie viel gibts?

Die Spannung zwischen der öffentlichen Funktion der Medien und ihrer Notwendigkeit, Geld zu verdienen, um zu überleben, war nie grösser. Die Verlage sind inzwischen derart verzweifelt, dass sie nach staatlicher Unterstützung rufen. Was lief schief?

Von Bettina Hamilton-Irvine, 25.03.2020

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Mit Händen und Füssen wehrten sich die Schweizer Verleger bis vor wenigen Jahren gegen einen Ausbau staatlicher Subventionen. Die Aussicht auf eine mögliche direkte Presse­förderung zum Beispiel war ihnen derart zuwider, dass sie 2014 zu einem Mittel griffen, zu dem sie noch nie gegriffen hatten: Sie gaben ein gemeinsames Buch heraus.

«Subventionen, das zeigt die Land­wirtschaft, funktionieren wie Drogen», heisst es darin: «Einmal angefixt, kommt man nicht mehr los von ihnen.»

Jetzt, knapp sechs Jahre später, sieht alles anders aus. Die Verleger sind angefixt: Ihr Verband fordert eine Vervierfachung der indirekten Presse­förderung – und schliesst auch eine direkte Subvention nicht mehr aus.

Nun geht es um die Frage des grossen Zeitungs­sterbens versus die Abhängigkeit vom Staat. Wie konnte es so weit kommen – und wird die Politik den Forderungen der Verleger nachkommen?

2020 wird ein entscheidendes Jahr für die Ausgestaltung der Medien­förderung. Eine Auslege­ordnung in acht Punkten.

1. Den Medienwandel komplett verschlafen

Um zu erklären, wie wir an den Punkt gekommen sind, an dem wir heute stehen, muss man zum Anfang der 1990er-Jahre zurück­blenden: Ab dann begann das Internet sukzessive mehr Platz in unserem Leben einzunehmen. Plötzlich war das mediale Angebot im Netz riesig und die Online­präsenz für jede Zeitung Pflicht. Aber es sollte noch dauern, bis die Verlage erwachten und realisierten: Wir haben kein Business­modell für Online. Weil sich die Nutzerinnen aber längst an Gratisware im Netz gewöhnt hatten, standen die Verlage vor einem Problem – das bis heute nicht wirklich gelöst ist.

Während Zeitungen nach wie vor fast ausschliesslich mit ihren Print­ausgaben Geld verdienten, verschob sich der Medien­konsum immer stärker ins Internet. So sehr, dass für die heute 14- bis 29-jährigen Digital Natives die Tages­zeitung mittlerweile nicht einmal mehr zu den fünf am meisten genutzten Medien gehört.

Auch die Werbung zog sich langsam aus dem Print­bereich zurück und wendete sich dem Internet zu: Aktuell verlieren Papier­zeitungen etwa 10 Prozent Werbeumsatz pro Jahr. 2018 betrug er gemäss der Stiftung Werbe­statistik Schweiz noch 1 Milliarde Franken. 2011 waren es 2 Milliarden gewesen.

Wie fatal die Abhängigkeit von Werbung im Extrem­fall sein kann, zeigt aktuell die Corona-Krise. Weil die Werbe­einnahmen im Moment dramatisch zusammen­brechen, hat die TX Group, ehemals Tamedia, letzte Woche Kurzarbeit beantragt. Auch andere Verlage prüfen diese Option.

Gleichzeitig floriert – zumindest in Nicht-Krisenzeiten – die Online­werbung: Für 2019 prognostizierten Experten einen Online-Werbeumsatz von fast 2,3 Milliarden Franken. Nur: Schätzungsweise 70 Prozent davon fliessen ins Ausland, vor allem zu Google und Facebook.

Es ist offensichtlich: Wenn sich Werbeumsätze von Print nach Online verschieben und dort aber vor allem an ausländische Megakonzerne gehen, fehlt den Schweizer Verlagen das Geld. Mit Online-Abos lässt sich dies nicht einmal ansatzweise kompensieren: Gemäss dem «Reuters Digital News Report» 2019 bezahlen in der Schweiz gerade einmal 11 Prozent aller Erwachsenen für Onlinejournalismus.

Auf diese Entwicklungen haben Verlage bisher vor allem mit Entlassungen, Fusionen und Zusammenlegungen reagiert. So legte Tamedia 2017 alle Redaktionen ihrer Tages­zeitungen in zwei Zentralredaktionen zusammen, und ein Jahr später schlossen sich AZ Medien und die NZZ Regional­medien zu CH Media zusammen – damit verschwinden bis Ende 2020 rund 200 Vollzeitstellen.

Seit Oktober 2019 werden Nutzerinnen auf den Seiten von Tamedia, Ringier, CH Media und NZZ zudem gebeten, sich einzuloggen, bevor sie einen Artikel lesen. Ab September 2020 ist die Registrierung gar Pflicht. Die Verlage erhalten damit Daten, die es ihnen erlauben, personalisierte Werbung auszuspielen. Sie hoffen, so ihre Position im Wettbewerb mit Facebook, Google und Co. stärken zu können. Die Digitale Gesellschaft kritisiert indes, die Login-Pflicht kollidiere mit dem Datenschutzgesetz: Es dürfe kein Zwang bestehen, eine Dienstleistung mit persönlichen Daten zu bezahlen.

2. Der Bundesrat greift ein

Lange hat der Bundesrat die indirekte Presse­förderung als zu wenig effektiv betrachtet und hätte sie lieber angepasst oder abgeschafft. Auch mit der Idee, den Medien­wandel mit neuen Förder­modellen zu unterstützen, tat er sich lange schwer: So beklagte er die «schwierigen Herausforderungen», vor denen die Medien stehen, den Strukturwandel oder die zunehmende Medienkonzentration – konnte sich aber nicht zu Massnahmen durchringen.

Beides änderte sich im August 2019. Damals stellte Simonetta Sommaruga ihren Plan für eine «effiziente und rasche» Unterstützung der Medien vor. Damit es schnell geht, plant die neue Medien­ministerin kein neues Gesetz, sondern eine Teilrevision des Radio- und Fernseh­gesetzes. Sie will vor allem:

  • die indirekte Presse­förderung ausbauen, dank der Zeitungen günstiger per Post verschickt werden können. Neu soll dies auch bei Auflagen von über 40’000 Exemplaren möglich sein. Zudem soll die Ermässigung pro Exemplar angehoben werden. Das würde statt heute 30 Millionen Franken neu 50 Millionen kosten;

  • Onlinemedien direkt mit 50 Millionen Franken fördern. Unterstützt werden sollen nur Medien mit Bezahl­angeboten, die längerfristig anstreben, sich selber finanzieren zu können. Und wer einen bestimmten Anteil an redaktionellen Inhalten hat und journalistische Standards einhält;

  • alle Medien mit indirekten Massnahmen unterstützen. Dabei geht es um Aus- und Weiterbildung, die Nachrichten­agentur SDA, den Presserat und Informatik­projekte für elektronische Medien.

3. Wir basteln uns eine Verfassungsgrundlage

Die Frage, ob die Verfassung überhaupt eine direkte Förderung von Online­medien zulässt, ist rechtlich umstritten. Als die damalige Medien­ministerin Doris Leuthard im Sommer 2018 ein neues Gesetz über elektronische Medien lancieren wollte – das später in der Vernehmlassung durchfiel –, stellte sie klar: Für die Förderung von textlastigen Online­medien fehle die Verfassungsgrundlage. Ihre Nachfolgerin Sommaruga sieht das anders.

Tatsächlich kann man beide Perspektiven einnehmen. Denn was die Bundes­verfassung zu den Medien festhält, ist vage. So erklärt Artikel 93, dass der Bund Radio und Fernsehen reguliert, aber auch «andere Formen der öffentlichen fernmelde­technischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen». Man kann argumentieren, das stelle eine Verfassungsgrundlage für die Förderung von Onlinemedien dar – oder eben nicht. Zumal der entsprechende Artikel mit «Radio und Fernsehen» überschrieben ist. Umstritten ist auch, ob nur audiovisuelle Inhalte gefördert werden dürften oder auch geschriebene.

Klar ist wiederum: Für eine Regulierung des Presse­bereichs gibt es keine Grundlage. Es existieren daher nur indirekte Förder­massnahmen für gedruckte Zeitungen: der reduzierte Mehrwertsteuer­satz oder die verbilligte Postzustellung. Gemäss Bundesrat entlasten diese Massnahmen die Verlags­häuser zwar, haben aber in Bezug auf die publizistische Vielfalt «keine direkte Wirkung».

Gerade angesichts der zunehmenden Konvergenz halten es heute viele nicht mehr für angemessen, dass der Kanal bestimmt, ob eine direkte Medien­förderung möglich ist. Um eine einheitliche Grundlage zu schaffen, wäre eine Verfassungs­änderung nötig, deren Umsetzung wohl fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen würde. Entsprechende Versuche sind bisher jedoch immer gescheitert. Zuletzt haben gleich vier Parlamentarier im Dezember 2018 mit gleichlautenden parlamentarischen Initiativen vergeblich angeregt, aus dem bestehenden Verfassungs­artikel zu Radio und TV einen Medienartikel zu machen.

Mittlerweile hat sich sogar CH-Media-Verleger Peter Wanner als Befürworter einer Verfassungs­änderung geoutet: Es brauche einen Artikel, der alle Medien umfasse, sagt er.

4. Eine spektakuläre Wende

Die Vehemenz, mit der die Verleger der grossen Medien­häuser jahrelang gegen eine direkte Presse­förderung gekämpft haben, ist eindrücklich. «Sind die Medien von staatlichem Geld abhängig, können sie ihre Kontroll­funktion nicht mehr gleich gut wahrnehmen», schrieb Tamedia-Verleger Pietro Supino 2013 im «Magazin». Unternehmen sollten «alles vorkehren, damit sie schon gar nicht erst auf staatliche Unter­stützung angewiesen sind».

2017 gab sich NZZ-CEO Veit Dengler überzeugt, dass sich direkte Förder­massnahmen nicht mit medialer Unabhängigkeit vertragen. Ein Jahr später unterstrich Supino in einem «Plädoyer für eine freie Presse» nochmals: «Für die Unabhängigkeit der Medien stellt jede Form der direkten Medien­förderung ein Risiko dar.»

Und dann begann der Widerstand plötzlich zu bröckeln. «Aus meiner Sicht sollte man in ungewissen Zeiten nichts ausschliessen, was dem Journalismus helfen kann», sagte Supino im Juni 2019 zur Zeitschrift «Schweizer Journalist»: «Auch nicht direkte Medien­förderung, wenn sie notwendig erscheint.» Und Peter Wanner, Verleger von CH Media und Vizepräsident des Verleger­verbands, erklärte, die Heraus­forderung sei so riesig geworden, dass die Verleger «nicht mehr a priori Nein zu einer staatlichen Förderung sagen».

Es war eine spektakuläre Wende. Als hätten die Verleger plötzlich, fast von einem Tag auf den anderen, realisiert, dass die fehlenden Werbe- und Aboeinnahmen nicht mehr wettgemacht werden können.

Gegenüber der Republik sagt Wanner, eine direkte Presse­förderung sei für ihn nach wie vor problematisch, «weil dann der Einfluss des Staates auf die Medien zunimmt und deren Unabhängigkeit tangiert». Aber mit dem richtigen System ist sie für ihn zumindest vorstellbar.

Viel wichtiger ist Wanner aber die indirekte Presse­förderung. Der Verleger­verband hat bereits klargestellt, dass ihm die vorgeschlagene Erhöhung von 30 auf 50 Millionen Franken nicht reichen würde: 120 Millionen Franken müssten es sein. Vertrieb und Transport aller Print­produkte kosteten CH Media gegen 45 Millionen Franken pro Jahr, sagt Wanner. Mit der aktuellen Regelung bekomme man aber nur knapp 2,2 Millionen Franken aus dem Topf der indirekten Presse­förderung, was kaum 5 Prozent der Vertriebs- und Transport­kosten decke.

So leidenschaftlich sie sich vorher gegen einen Ausbau der staatlichen Unterstützung gestellt haben, so ultimativ fordern die Verleger nun mehr davon: Würden die Zeitungen nicht mit zusätzlichen 90 Millionen Franken über indirekte Presse­förderung unterstützt, stehe ein Kahlschlag in der Zeitungslandschaft bevor, den ein Drittel der heutigen Zeitungs­titel nicht überleben würden.

5. Die seltsame Schönheit der Posttaxenverbilligung

Bei der Förderung zwischen Online und Print unterscheiden? Das ist überholt, findet Camille Roseau. Sie ist bei der WOZ für Werbung zuständig und Co-Präsidentin des Verbands «Medien mit Zukunft». Der Verband – dem auch die Republik angehört – will den unabhängigen Journalismus in der Schweiz fördern und zu einer vielfältigen Medien­landschaft beitragen.

Camille Roseau sagt, sie verstehe zwar aus einer Förder­logik heraus die Unterscheidung zwischen Online und Print. Aber: «Es gibt nur einen Journalismus.» In einem Positions­papier des Verbands klingt das dann so: Grundsätzlich sind Medien förderungs­würdig, die sich an die Rechte und Pflichten gemäss Presserat halten.

Trotzdem stellt sich der Zukunfts­verband auch klar hinter die gute alte Posttaxen­verbilligung. Der Vorteil sei, dass anhand eines technischen Kriteriums bestimmt werden könne, wer förderwürdig sei, sagt Roseau: «Das hat eine gewisse Schönheit.» Kleine Zeitungen sollen aber deutlich mehr profitieren als grosse Medien­häuser. «Zentral ist, dass echte Medien­vielfalt gefördert wird und nicht Dividenden.»

Die direkte Förderung von Online­medien begrüsst der Verband «ausser­ordentlich» – fordert jedoch ein Vergabe­verfahren, welches analog zur Posttaxen­verbilligung anhand eines technischen Kriteriums funktioniert. Und: Gefördert müssten auch Titel werden, die zwar keine Paywall hätten, aber eine Mitglieds­struktur. Denn kleinere Medien wie Tsüri.ch oder «Das Lamm» könnten hinter einer Paywall nicht überleben, sagt Roseau – und würden mit den aktuellen Vorschlägen von Sommaruga nichts bekommen: «Das wäre absurd.»

Bereits länger gibt es übrigens ein System der direkten Medien­förderung in Skandinavien, wo unabhängige Gremien staatliche Gelder an Verlage verteilen, um die Medien­vielfalt zu sichern. Schweden fördert Onlinemedien sogar bereits seit 1996. Verschiedene Formen der direkten Medien­förderung gibt es beispiels­weise auch in Italien, den Niederlanden, Österreich, Belgien oder Luxemburg.

6. Wenn der Besitzer gleichzeitig der Kunde ist

Nicht mehr ohne Hilfe überlebens­fähig ist auch die SDA. Die Nachrichten­agentur leidet unter anderem an ihren dysfunktionalen Strukturen: Sie gehört einerseits den Verlegern, die andererseits aber auch ihre Kunden sind. Das schafft das absurde Problem, dass die Verleger als Besitzer Rendite wollen, als Kunden aber seit Jahren versuchen, den Preis zu drücken.

In den letzten Jahren hat der Rendite­druck bei der Schweizerischen Depeschen­agentur zu turbulenten Zeiten geführt: Im Zuge der Fusion mit der Bildagentur Keystone kam es 2018 zur Massenentlassung und einem mehrtägigen Streik. Das hinderte die Aktionäre aber nicht daran, sich im gleichen Jahr 12 Millionen Franken aus aufgelösten Reserven auszahlen zu lassen. 2019 gab es noch einmal 1,4 Millionen Franken Dividenden – und das, obwohl die SDA vom Bund seit 2019 jährlich 2 Millionen Franken bekommt.

Wie es weitergeht, ist ungewiss: Im Oktober 2019 kündigte die SDA an, dass sie erneut sparen muss. Und kurz darauf wurde bekannt, dass mit CH Media einer der Grosskunden ab 2020 deutlich weniger Leistungen beziehen wird, weil das Unternehmen einen eigenen Newsdesk aufbaut. Für die SDA eine finanzielle Katastrophe.

Anfang dieses Jahres teilte die SDA mit, dass sie wegen «Finanzierungs­schwierigkeiten» mehr Fördergelder ins Auge fasst. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, will der Verwaltungsrat die Agentur­tätigkeit ab 2021 in einen Non-Profit-Bereich auslagern, während das Unter­nehmen weiterhin gewinn­orientiert bleibt. Somit würden öffentliche Gelder den defizitären Bereich stützen, während ein anderer Bereich Gewinn erwirtschaftet, der den Aktionären zugutekommt.

Was der Bundesrat in Sachen SDA plant, ist noch nicht bekannt. Simonetta Sommaruga hat angedeutet, dass Nachrichten­agenturen unterstützt werden. Der Verband «Medien mit Zukunft» fordert, die Agentur müsse dringend in eine Non-Profit-Organisation umgewandelt werden, die von einer Stiftung geführt wird. Mitfinanzieren sollen auch die Kantone, damit die regionale Grund­abdeckung gesichert werde.

Auch der Schweizerische Gewerkschafts­bund schlägt in einem Positions­papier eine Beteiligung der Kantone vor – oder dass die SDA der SRG angehängt werde. Die Gewerkschaft Syndicom empfiehlt eine nicht profit­orientierte Stiftung, die von Bund, Kantonen, den Verlegern, der SRG und den Arbeit­nehmenden getragen wird.

Die Verleger der grossen Medien­häuser hingegen haben bereits 2018 klargestellt, dass sie die SDA am liebsten mit Geldern des Bundes unterstützt sähen, damit «ein hochwertiges und für alle Medien­häuser erschwingliches Angebot» sichergestellt werden könne.

7. Der grosse Showdown

Die Schweizer Verleger haben 2020 im Zusammen­hang mit der Medien­politik zum «Jahr der Entscheidung» erklärt. Das klingt dramatisch. Aber falsch ist es nicht.

Denn dieses Jahr werden entscheidende Weichen gestellt. Es geht um die Fragen: Kommt es zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz zu einer direkten Presse­förderung? Und wird das Lobbying der Verleger so erfolgreich sein, dass der Bund gleich viermal mehr als bisher in die Kasse für die indirekte Presse­förderung legt?

Klar ist: Zuerst muss nun der Bundesrat entscheiden, welche Vorschläge er dem Parlament überhaupt unterbreiten wird. Seine Botschaft wird bis Juni 2020 erwartet. Im Parlament stehen die Chancen gut, dass die indirekte Presse­förderung ausgeweitet wird. Für den Vorschlag des Bundesrats, den Betrag von 30 auf 50 Millionen zu erhöhen, haben sich auch die zuständigen Kommissionen beider Kammern ausgesprochen. Und von den Parteien ist nur die SVP prinzipiell gegen Förder­massnahmen: Sie glaubt, die Medien würden so vom Staat abhängig.

Und die direkte Förderung des Online­bereichs? Es sei fraglich, ob diese überhaupt die Beratung im Parlament überleben werde, sagt Kommunikations­wissenschaftler Manuel Puppis. Die Linke ist dafür, die SVP dagegen, in der Mitte ist einiges in Bewegung. «Eine Prognose ist schwierig.»

Auf jeden Fall werden die Wünsche der Verleger im Parlament kritisch debattiert werden. So findet es Michael Töngi, Nationalrat der Grünen und neuer Präsident der Medienkommission, heikel, wenn Verlage Rendite machen und gleichzeitig subventioniert werden. Zwar sehe er «keine Möglichkeit, die Presse­förderung nach der Rendite der Unternehmen auszugestalten», sagte er gegenüber der «Medienwoche». Doch sollten kleinere Unter­nehmen stärker profitieren als grössere.

Noch weiter geht FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, ebenfalls Mitglied der Medien­kommission: Er spricht sich gegen eine Erhöhung der indirekten Presse­förderung aus, «wenn damit Medien­unternehmen unterstützt werden, die heute solid finanziert sind».

8. Das Fazit

Fassen wir zusammen: Wie der Teufel das Weihwasser fürchteten die Verleger der grossen Medien­häuser bis vor kurzem den Einfluss des Staats. Und nun drohen sie, die Branche zerbreche, wenn der Staat nicht eingreife.

Absurd?

Ja und nein. Denn tatsächlich befinden sich die Medien in einer prekären Situation: Massiv einbrechende Werbe­umsätze, sinkende Abo- und Leserzahlen sind Realität – genauso wie ausländische Megakonzerne, die einen Grossteil des Online-Werbe­umsatzes einstreichen. Dass die Verlage Hilfe brauchen, ist also nicht schwer nachzuvollziehen.

Deutlich schwerer zu verstehen ist, wie die Heftigkeit, mit der sie sich zuvor gegen den Staat wehrten, plötzlich zu einer ultimativen Forderung nach Unter­stützung werden konnte. Und dass auch Unternehmen, die höchst profitabel sind, stärker gefördert werden wollen: So hat die TX Group zuletzt knapp 100 Millionen Franken Gewinn gemacht, will aber trotzdem erneut Kosten auf den Redaktionen einsparen – und hat gute Chancen, auch noch mehr Förder­geld zu erhalten.

Klar ist: Die aktuellen Vorschläge können nicht mehr als eine Übergangs­lösung sein. Denn die indirekte Presse­förderung stützt ein Modell, das irgendwann überholt sein wird. Und die Unterscheidung zwischen indirekter und direkter Förderung ist nicht mehr zeitgemäss. Über kurz oder lang wird es einen neuen Verfassungs­artikel und ein neues Förder­system brauchen. Ist es klar genug, muss sich auch niemand fühlen, als wären Drogen im Spiel.

Zur Transparenz

Die Republik beteiligt sich über den Verband «Medien mit Zukunft» an der Debatte über Medien­förderung. Ziel der Republik AG ist die Entwicklung eines tragfähigen Geschäfts­modells für leser­finanzierten Journalismus. In den Business­plänen sind bis jetzt keine staatlichen Förder­mittel eingerechnet.

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