Die Firma

Globegarden ist der grösste Kita-Betreiber der Schweiz. Seine drei Gründerinnen wollten die perfekte Kinderkrippe erschaffen. Doch das Personal leidet unter unmöglichen Arbeitsbedingungen. Mit Folgen für die Kinder.

Eine Recherche von Philipp Albrecht, Andrea Arežina, Ronja Beck (Text) und Julia Spiers (Illustrationen), 18.12.2019

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Es beginnt nicht mit einem Knall. Kein Schock. Kein Horror­erlebnis. Die Last baut sich in kleinen Schüben auf. Bis das Mass des Erträglichen voll ist.

Zuerst ist Clara guten Mutes. Eben hat sie die dreijährige Lehre als Fachfrau Betreuung erfolgreich beendet. Nun legt sie in einer Zürcher Filiale des grössten Schweizer Krippen­betreibers los. Sie übernimmt die Verantwortung für eine Gruppe von Zwei- bis Vierjährigen.

Globegarden – der Name klingt wie ein Versprechen: professionelle Frühförderung in einem paradiesischen Umfeld mit internationalem Flair. Die drei Gründerinnen starten vor zehn Jahren mit ihrer ersten Krippe. Das Credo: tiefe Kosten, standardisierte Abläufe, rasche Expansion. Inzwischen betreuen 730 Angestellte in 54 Filialen über 2600 Kinder.

Globegarden ist der McDonald’s der Kitas.

Zu dieser Recherche

Drei junge Frauen, die eine Branche mit Fleiss und neuen Ideen bearbeiten: Das sieht man in der Schweizer Wirtschaft viel zu selten. Der ursprüngliche Plan zu diesem Text sah deshalb vor, das Erfolgs­geheimnis von Globegarden zu erkunden. Schon die ersten Gespräche mit ehemaligen Angestellten zeigten jedoch, zu welchem Preis dieser Erfolg erkauft wurde. So verlegten wir den Fokus auf die Arbeits­bedingungen beim Kita-Betreiber und sprachen mit neun weiteren Betreuerinnen, die zwischen 2015 und 2019 für die Firma gearbeitet haben. Ihre Berichte über schlecht bezahlte Praktikanten, überforderte Betreuerinnen und häufige Personal­wechsel bestätigen den zweifelhaften Ruf der Kita-Branche. Doch sämtliche Informantinnen haben uns auch bestätigt: So schlimm wie bei Globegarden ist es nirgends. Wir hätten gerne mit den drei Gründerinnen über die Miss­stände gesprochen. Unsere Fragen blieben jedoch unbeantwortet.

Schon am ersten Arbeitstag überkommen Clara Zweifel. Man verschweigt ihr eine entscheidende Information: «Normalerweise ist in einer Kita von Anfang an klar, wie viele Kinder in den Gruppen sind. Es ist eigentlich das Wichtigste. Doch als ich anfing, konnte mir keiner sagen, wie viele Kinder in meiner sind.»

Als sie Monate später kündigt, hat sie die schlimmste Zeit ihres Lebens hinter sich. Weil die Krippe an chronischem Personal­mangel leidet, wird sie mit Pflichten überschüttet. «Ich war komplett überfordert. Ich wurde zu laut und bestrafte die Kinder, weil es mir zu viel wurde», erzählt sie uns. «Mir wurde bewusst, dass ich den Stress an den Kindern abliess. Das passierte mir vor und nach Globegarden nie.»

Wir haben nicht nur mit Clara gesprochen. Neun weitere ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzählten uns, was sie erlebten. Sie gaben uns Einsicht in ihre Arbeits­verträge, Lohn­abrechnungen, Personal­handbücher und Merkblätter. Sie waren in verschiedenen Kitas tätig, die meisten von ihnen kennen sich gegenseitig nicht, viele haben noch in der Probezeit gekündigt, weil sie es nicht aushielten.

Clara blieb länger. Wie lange genau, können wir nicht schreiben. Denn Clara, die eigentlich anders heisst, soll von ihrem Ex-Arbeitgeber nicht erkannt werden. Ihr Arbeitsvertrag umfasst eine Geheimhaltungs­klausel: Sie darf nicht mit Dritten über die Arbeit sprechen, auch nicht nachdem sie die Firma verlassen hat. Genauso ist es bei ihren Kolleginnen. Viele erzählen erst nach einigem Zögern von ihren Erlebnissen. Doch am Ende sind sich alle einig: Die Öffentlichkeit muss wissen, was bei Globegarden los ist.

Unternehmertum im Blut: Die Anfänge

Am Beginn des Unternehmens steht eine Studie. Sie erscheint 2007 und trägt den Titel: «Arbeiten lohnt sich nicht – ein zweites Kind noch weniger».

Verfasserin ist die renommierte Ökonomin Monika Bütler, die an der Uni St. Gallen (HSG) lehrt. Sie kritisiert das Subventions­system vieler Städte, wo falsche Anreize gesetzt würden: Weil die Subventionen für die externe Kinder­betreuung wegfallen, sobald das Einkommen steigt, lohne sich für viele Zweit­verdiener das Geldverdienen nicht. Das betrifft in der Regel die Mütter. Bütler sieht darin einen der Gründe, warum viele Frauen auf eine berufliche Karriere verzichteten.

Christina Mair und Kristina Rebsamen studieren zu dieser Zeit Betriebs­wirtschaft an der HSG, wo sie die Studie in die Hände bekommen. Sie ist der Grundstein für ihre erste eigene Firma, die sie zusammen mit Mairs Schwester Caroline Staehelin gründen. «Schliesslich entschieden sie sich dafür, die Marke Globegarden zu gründen, um so die Qualität in der Kinder­betreuung, pädagogische Frühförderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern», steht in der Firmenbroschüre mit dem Titel «The Globegarden Story». Es ist Weihnachten 2007. Kurz darauf holen sie Monika Bütler in den Beirat der neuen Firma.

Staehelin und Mair, geborene Weber, stammen aus Köln, Kristina Rebsamen, früher Hempel, ist ebenfalls Deutsche, wächst aber in Horw bei Luzern auf. Rebsamen und Mair hätten in verschiedenen Positionen in Grossbanken gearbeitet, verraten sie 2011 dem Fachmagazin «HR Today». Anstatt einen Chefsessel in der Bank anzusteuern, hätten sie ihre «gut honorierten Positionen in der Finanz­industrie» gekündigt und die Selbst­ständigkeit riskiert.

Doch der familiäre Hintergrund bringt Sicherheiten mit. Der Vater von Kristina Rebsamen ist Klaus J. Hempel. Der Manager wurde mit der Vermarktung der Uefa Champions League reich. Die Tochter hat ihre Wohn­adresse im Haus des Vaters am Vierwaldstätter­see. Christina Mair lebt mit ihrer Familie in einer Villa am Zürichberg.

Die Gründerinnen sind überzeugt, dass sie mit Effizienz und Sparsamkeit die perfekte Kinder­krippe erschaffen können. Eine, die sich Dutzende, gar Hunderte Male duplizieren lässt ebenso, wie es die Fast-Food-Ketten mithilfe der hocheffizienten System­gastronomie machen.

Doch Krippen sind keine Schnellrestaurants. Kinder lassen sich nicht im Akkord betreuen. Wer es trotzdem versucht, riskiert ein überlastetes System mit ausgebrannten Mitarbeitern.

Genau das ist laut den Ex-Angestellten bei Globegarden passiert. In den Einrichtungen treffen zu viele Kinder auf zu wenig Erzieherinnen. Das führt zu Zwischen­fällen, die das Wohl der Kinder gefährden. Der starke Kosten­druck hat zur Folge, dass zu wenig ausgebildetes Personal beschäftigt wird und hungrige Kinder nicht satt werden. Die Firma macht unerlaubte Lohnabzüge und nutzt die schwachen Krippen­aufsichten der Gemeinden aus.

Seit 2009 hat Globegarden im Schnitt alle zwei Monate eine neue Einrichtung eröffnet. Das schnelle Wachstum bekommt der Firma nicht. Das spüren auch die Kinder: «Ich hatte viele Bissanfälle erlebt, mehr als in anderen Krippen», sagt uns eine ehemalige Globegarden-Kita-Leiterin. «Das Aggressions­potenzial hatte wahrscheinlich mit den vielen personellen Wechseln zu tun. In den ersten Jahren ist Konstanz wichtig für Kinder.»

Sie kritisiert Globegarden für den Fokus auf die Eltern: «Die Firma sieht die Eltern als Kunden, obwohl auf dem Papier das Wohl des Kindes im Vordergrund steht.»

Wenn das Baby vom Wickeltisch fällt: Die Betreuung

Das Wohl des Kindes hängt vor allem von der Qualität der Betreuung ab. Wer hier keine Abstriche machen will, muss genügend ausgebildete Erzieherinnen beschäftigen. Gleichzeitig muss vor allem beim Personal gespart werden, wenn der Betriebs­aufwand einer Kita tief bleiben soll. Die Angestellten schlucken 70 bis 80 Prozent der Kosten.

Aber das ist ein Spiel mit dem Feuer. Die meist jungen Frauen stehen so unter permanentem Stress. Sie tragen die volle Verantwortung für Kinder in einem fragilen Alter, in dem Nähe, Geborgenheit und Sicherheit entscheidend sind.

Eine Praktikantin erzählt uns, dass sie vier Stunden lang allein auf fünf Babys aufpassen musste, die in zwei Zimmern verteilt waren. «Ich hetzte mit zwei Babys im Arm zwischen den beiden Räumen hin und her. Eines der beiden Kinder hätte ich gleichzeitig noch wickeln müssen.» Sie beschreibt ihr kurzes Praktikum bei Globegarden als «dramatisch».

Wir haben viele solcher Beispiele gehört. Sie zeigen, dass Globegarden offenbar wiederholt die wichtigste Regel der Branche missachtet: den Betreuungsschlüssel. Er legt fest, wie viel Personal nötig ist, um auf eine bestimmte Anzahl Kinder aufzupassen. Je nach Kanton darf eine ausgebildete Betreuungs­person maximal 5 bis 8 Kinder beaufsichtigen. Bei Babys unter 18 Monaten sind die Vorgaben noch strenger: Jedes von ihnen zählt 1,5 Mal.

Die zitierte Praktikantin ist noch nicht einmal in Ausbildung und dürfte daher nicht allein für mehrere Kinder verantwortlich sein. Erst recht nicht für Babys. Wir können nicht direkt nachprüfen, ob ihre Erzählung stimmt. Tatsache ist: Sämtliche Informantinnen schildern unabhängig voneinander sehr ähnliche Situationen.

In einer Kita am Zürichberg kommt es wegen des Personal­mangels gleich zu drei Unfällen in kurzer Zeit. Das erzählt uns Lisa Funk. Sie ist die einzige Ex-Angestellte, die mit Namen hinsteht. Mit einem Master in der Tasche stösst sie vor vier Jahren zu Globegarden, kündigt aber nach nur drei Monaten wieder.

Während ihrer Zeit nimmt ein Baby eine Flasche mit Desinfektions­mittel in den Mund, ein anderes fällt vom Wickeltisch. Beides kann passieren, wie Pädagogen und Eltern nur zu gut wissen. Und beide Fälle sind laut Funk glimpflich verlaufen. Sie sagt aber auch, dass die Vorgänge einen Zusammen­hang mit dem Personal­mangel gehabt hätten.

«Schon kurz darauf fiel ein Kind vom Hochstuhl», erzählt sie weiter. In allen drei Fällen werden die Eltern informiert. Die Sicherheits­vorkehrungen werden verschärft. Was jedoch als Konsequenz hat, dass die Fachkräfte nun die meiste Zeit die Babys im Gruppenraum auf dem Boden wickeln müssen. Doch das ist für die Erzieherinnen ungleich anstrengender und führt schliesslich zu Rücken­problemen. Eine Kollegin wird krankgeschrieben.

In den meisten Einrichtungen fehlt es an Personal, immer wieder müssen Erzieherinnen und Praktikantinnen als Springer eingesetzt werden. Für Globegarden ist das grosse Filialnetz Fluch und Segen. Die Firma kann zwar personelle Löcher günstig stopfen, doch für die Kinder sind die ständigen Wechsel schädlich.

«Normalerweise hat jedes Kind eine Bezugsperson in der Kita», erklärt Funk. «Doch der häufige Wechsel führt zu hohem Stress bei Babys und Klein­kindern. Sie werden immer wieder mit wildfremden Personen konfrontiert.»

Sie beschwert sich bei der Kita-Leitung über die fehlende Rücksichtnahme. Ihrer Vorgesetzten sind jedoch die Hände gebunden, sie hat keinen Einfluss. Die Entscheide werden weiter oben getroffen. «Angestellten, die sich gegen die Arbeits­bedingungen wehren, entgegnet man bei Globegarden mit der Aufforderung, demütiger zu sein», sagt Funk. Eine Feststellung, die auch andere Angestellte machen.

Funk kündigt schliesslich. Die Mehrheit ihrer Kita-Kolleginnen folgt ihr kurz darauf.

Hauptsache günstig: Das Essen

Die Eröffnung der ersten Globegarden-Kita beim Zürcher Paradeplatz im August 2009 wird von vielen Journalisten begleitet. Das Frauenmagazin «Annabelle» schreibt ein Porträt mit dem Titel «Ein Elterntraum». Die Autorin fragt die drei Frauen, ob sie planten, Millionärinnen zu werden. «Wenn dies das Ziel wäre, hätten wir eine andere Firma aufgebaut», pariert Mair. «Eine mit höheren Margen. Für uns ist dieses Projekt vor allem eine Herzenssache.»

Wer einen Blick in die Firmenstruktur wirft, trifft dort aber auf professionalisierten Business-Sprech. Ein Vokabular, das der Schweizer Krippenwelt bis jetzt gänzlich fremd ist. Die Abteilungen tragen Titel wie Operations & Client Services, Finance & Controlling, Corporate Strategy oder Corporate Communications. Bei gut ausgebildeten Expats, die ihre Kinder in englisch­sprachiger Obhut wissen wollen, kommt das wiederum gut an.

Genauso wie die Einrichtung der Krippen. An den Wänden prangen in grossen Lettern Themen­bereiche wie «Language», «Math» oder «Art». Bei der Eröffnung spricht der «Tages-Anzeiger» von einer «Kinder­tagesstätte für künftige Manager». In den modern eingerichteten Zimmern zählen Laptops und eine Kinderharfe zum Inventar. Musikalische Früherziehung und natur­wissenschaftliche Experimente stehen auf dem Plan. Während andere Krippen ihren Gruppen Namen wie Pumuckl oder Schnee­flocke geben, heissen sie bei Globegarden Little Mozarts und Little Einsteins.

Ausführlich besprochen wird bei der Eröffnung auch die Ernährung. Globegarden achte darauf, dass die Kinder kein Junk-Food bekämen, erklärt Mair der Presse. Man koche nach Rezepten von Köchin Annabel Karmel: «Sie ist von der britischen Queen ausgezeichnet worden.»

Doch die Realität ist bald weniger royal. «Wir hatten eine unausgebildete Köchin, die meistens Pasta mit Tomaten­sauce machte, weil die Kita-Leitung beim Essen extrem sparte», erzählt uns Clara. Währenddessen zeigte man den Eltern Bilder von abwechslungs­reicher Kost. Wenn sie abends ihre Kinder abholen, bekommen sie von Clara schöne Geschichten über den Krippentag vorgetragen. Man habe gemeinsam Brot gebacken, muss sie dann auf Geheiss der Krippen­leitung den Eltern erzählen, auch wenn sie lediglich mit einem Handgriff Frischback-Brötchen in den Ofen geschoben hat.

Das Budget fürs Essen ist meistens zu knapp: «Unser eigenes Mittagessen besorgten wir später im Laden, damit wenigstens die Kinder genug hatten», berichtet Clara. «Trotzdem zog uns Globegarden jeden Tag für die Verpflegung 5 Franken vom Lohn ab.»

Bei anderen Globegarden-Filialen ist der Spardruck noch gravierender: «Es gab Tage, da war kein Geld mehr in der Kasse, und es gab keine Lebens­mittel mehr im Haus», berichtet eine ehemalige stellvertretende Kita-Leiterin. «Also musste ich die Einkäufe mit meinem Geld bezahlen und zum Einkaufen die Kinder mitnehmen, weil zu wenig Personal da war.»

An vielen Standorten müssen Lernende oder Praktikantinnen selber kochen. Dafür werden sie zwei Stunden lang von ihrer eigentlichen Aufgabe abgezogen. Die Kita-Leitung bestimmt das Essens­budget, mit dem die Angestellten auskommen müssen. Weil das Geld so knapp berechnet ist, kann niemand Rücksicht auf eine gesunde Ernährung nehmen. Mehrere Ex-Mitarbeiterinnen berichten uns, dass hungrige Kinder oft nicht satt würden.

«Es war immer zu wenig», erzählt uns eine ausgebildete Erzieherin, die Globegarden diesen Frühling nach ein paar Monaten wieder verlassen hat. «Gleichzeitig wird man angehalten, selber nur kleine Portionen zu essen und sich nicht satt zu essen, um den Kindern ein gutes Beispiel zu sein.» Als Konsequenz habe man die hungrigen Kinder nachmittags mit Billig-Crackern abspeisen müssen. Aber weil das nicht genug sättigt, seien viele immer sehr hungrig gewesen, als sie abgeholt wurden. «Einige Eltern hatten abends oft etwas zu essen dabei, weil sie irgendwann realisierten, dass es zu wenig gibt.»

Eine Kita-Köchin berichtet uns von einer Einrichtung in Basel, die Globegarden kürzlich übernahm und bei der anschliessend das monatliche Budget fürs Essen von 3000 auf 2000 Franken gekürzt wurde – bei gleicher Anzahl Kinder. Zusätzlich wurden Aufgaben der Köchin auf die Erzieherinnen abgewälzt. In der eingesparten Zeit hätte sie die Kita putzen sollen. Die Kinder wären so nicht mehr satt geworden, erst recht nicht mit anständigem Essen, sagt die Köchin, die den Betrieb inzwischen verlassen hat.

Debakel mit Novartis: Das Wachstum

2010 gewinnt das Gründerinnen­trio einen Preis von der Hochschule Luzern für besondere Leistungen im Bereich der Genderforschung und Gleichstellung. 2018 kommt von EY ein zweiter dazu. Der Wirtschaftsprüf­konzern ernennt sie zum Entrepreneur of the Year. In der Begründung steht: «Wenn Angebot und Nachfrage nicht zusammen­passen, muss das Angebot angepasst werden. Genau das haben die drei Gründerinnen von Globegarden getan.»

Die Jury, bestehend aus Unternehmerinnen und Unternehmern, legt den Fokus auf die imposante Expansion der Firma. Konkrete Zahlen zu Umsatz oder Gewinn kennen sie nicht. Aber die Tatsache, dass drei junge Frauen einen wenig dynamischen Markt vermeintlich auf den Kopf stellen, klingt sehr verlockend.

Nach dem ersten Preis erscheinen die Gründerinnen an Wirtschaftsforen, geben Referate und besuchen Anlässe der Krippenbranche. Eine Expertin, die damals selber Veranstaltungen organisierte, erinnert sich: «Sie tauchten überall auf und positionierten sich manchmal am Eingang, um alle mit Händedruck zu begrüssen. So, als hätten sie den Anlass organisiert. Einige fragten mich erstaunt, wer das eigentlich sei.»

Ausgezeichnet: Christina Mair, Kristina Rebsamen und Caroline Staehelin (v. l.) erhalten den Entrepreneur of the Year. Entrepreneur of the Year

Die Connections – sie sollen auch bei der Expansion spielen. In der ersten Filiale beim Paradeplatz kauft sich die Credit Suisse ein Kontingent an Plätzen. Das öffnet Globegarden ab 2010 viele Türen. Zu dieser Zeit sind Kita-Plätze in den Städten Mangelware. Viele Unternehmen kooperieren mit Krippen, um dem Nachwuchs ihrer Angestellten die Tages­betreuung zu ermöglichen. Die Arbeitgeber erhöhen damit ihre Attraktivität, ohne dass sie selber eine teure Kita im Haus einrichten müssen. Konzerne wie Bayer, Roche, Allianz oder Mondelez sichern sich für ihre Angestellten Kita-Plätze bei Globegarden.

Novartis geht in Basel noch einen Schritt weiter. Der Pharma­konzern lässt 2012 von Globegarden eine eigene Unternehmens­krippe betreiben. Doch die Zusammen­arbeit geht schon nach drei Jahren in die Brüche: Novartis kündigt den Vertrag. Über den Grund will heute keine der involvierten Parteien etwas sagen.

In einem Online-Forum für Expats in der Schweiz beschreibt ein Involvierter den Novartis-Fall als «Debakel». Wegen der schlechten Arbeits­bedingungen in der Krippe sei es zu einer hohen Personal­fluktuation gekommen. Man habe an allen Ecken gespart und den Unternehmens­gewinn über das Wohlergehen der Kinder gestellt. «Die Sache mit Novartis ging spektakulär zu Ende», erinnert sich eine Ex-Mitarbeiterin. «Man war anfangs sehr stolz, einen Vertrag mit Novartis zu haben. Doch dann stieg das Unternehmen irgendwann per sofort aus.»

Ungeachtet dessen nimmt die Expansion ihren Verlauf. 2012 gibt es schon 12 Globegarden-Kitas, 2015 sind es 23 und nochmals 3 Jahre später bereits 45. Von den heute 54 stehen 31 in der Stadt Zürich, 6 weitere im Kanton, die restlichen verteilen sich auf Basel, Zug, Bern, Winterthur, St. Gallen und Schaffhausen.

Aufwärts ging es gleichzeitig mit den Mitteln der öffentlichen Hand. Ein Dokument des Bundesamts für Sozialversicherungen zeigt, dass Globegarden in 10 Jahren 6,9 Millionen Franken an Subventionen bezogen hat. Das Geld stammt aus einem Topf des Bundes, der damit seit 2003 jeden neuen Krippenplatz zwei Jahre lang unterstützt. Man spricht dabei von Anschubfinanzierung.

Das Giesskannen­prinzip hat Tücken: «Es ist höchst problematisch, wenn öffentliche Gelder an eine Firma wie Globegarden gehen, wo das Profit­denken dominiert und kaum erkennbar ist, wie das pädagogische Konzept aussieht», sagt Florian Thalmann, Fachmann für den Kinder­bereich bei der Gewerkschaft VPOD. «Das starke Wachstum wäre ohne das Impuls­programm des Bundes wohl nicht möglich gewesen.»

Thalmann berät unter anderem Kita-Personal bei arbeits­rechtlichen Problemen. Er bestätigt die Erfahrungen unserer Informantinnen: «Wir stellen bei Globegarden fest, dass die starke Expansion zu Abstrichen bei der Qualität der Kinder­betreuung führt.» Unter anderem weise vieles darauf hin, dass im Verhältnis mehr Praktikantinnen beschäftigt werden als in anderen Kitas.

Kinder gehen verloren: Das Kompetenzproblem

Viele selbstständige Kitas schaffen es nie aus den roten Zahlen heraus. Bald spricht sich herum, dass Globegarden gern Einrichtungen schluckt. Das führt dazu, dass die Firma Krippen an guten Lagen übernehmen kann. Nur mit dem Personal kommt sie nicht nach. Es ist der alles dominierende Makel, bis heute.

Im Gespräch mit den früheren Mitarbeiterinnen zeigen sich zwei Probleme:

  1. Die Gründerinnen finden nicht genügend Erzieherinnen, die eine gute Ausbildung mitbringen und länger als ein bis zwei Jahre bleiben.

  2. Es mangelt an Fachpersonal, das fliessend Englisch spricht. Dabei bezahlen die Eltern in zweisprachigen Einrichtungen für diesen speziellen Service eine einmalige Gebühr von rund 1000 Franken. Aktuell wird nur in acht Einrichtungen von Globegarden nicht Englisch gesprochen.

Seit einiger Zeit wird darum Personal im Ausland rekrutiert. Besonders aktiv ist die Firma auf der britischen Seite Nursery World Jobs. Bei den Anforderungen an die Fachkräfte heisst es da zum Beispiel: «Someone who sees the rainbow behind the rain and is a sunshine for each team».

Mehrere Frauen aus Grossbritannien und Irland holt Globegarden ins Land. Doch nicht alle bringen eine Ausbildung mit, die hier akzeptiert wird. Offenbar werden auch Sozial­arbeiterinnen oder Kinder­gärtnerinnen als Fachpersonen angestellt. Doch in mehreren Fällen zeigt sich, dass das nicht reicht, um auch Babys professionell zu betreuen.

In einer Zürcher Einrichtung sei gar eine Britin ohne jeglichen pädagogischen Hintergrund als Fachkraft eingestellt worden, erzählt uns eine Informantin. Die Erzieherinnen in der Krippe beobachten, wie sie Babys füttert, als wären es schon Dreijährige: «Da war mir klar, dass sie das noch nie zuvor gemacht hatte.» Als sie schliesslich ihre Bedenken gegenüber der Kita-Leitung äussern, stossen sie auf Widerstand. «Wir bekamen als Antwort, dass man nichts unternehmen könne.»

Die Britin trägt dann auch die Verantwortung, als bei einem Spaziergang plötzlich ein Kind fehlt. Eine Mitarbeiterin bemerkt es auf dem Rückweg. Nach einer Suchaktion wird der Junge wieder gefunden. Es ist nicht das erste Mal, dass bei Globegarden ein Kind verloren geht, wie wir erfahren. Auch in einer Krippe ausserhalb Zürichs wird in der jüngeren Vergangenheit bei einem Zwischenfall während einer Stunde ein Kind vermisst.

Die Misere des Personal­mangels teilt Globegarden mit der ganzen Branche. Denn die professionelle Kinder­erziehung ist ein anspruchsvoller Job. «Die Gesellschaft unterschätzt, wie hart es in einer Kita zugehen kann», sagt VPOD-Mann Florian Thalmann. «Es herrschen manchmal Lärmpegel wie auf dem Bau. Die Leute sind extrem ausgelaugt.»

Ein Blick auf das Jobportal Krippenstellen.ch offenbart aber, dass Globegarden ungleich stärker unter dem Personal­mangel leidet: Aktuell sucht die Firma dort über achtzig Leute – zehnmal mehr als die zweitgrösste Krippenkette Pop e Poppa.

Wenn die Richter entscheiden: Die Streitfälle

Die Konkurrenz beobachtet die Expansion von Globegarden mit Argusaugen. Man staunt über die vielen Business-Ausdrücke auf der Website, wo man engagierten Talenten ein «Key People Program» zur Förderung anbietet und von «Traineeship Events» (Veranstaltungen für Praktikantinnen) spricht.

Einige freuen sich allerdings über den Aktivismus der drei Frauen. Sie begrüssen den juristischen Kampf gegen Gemeinde­behörden, die den Krippen übertriebene Auflagen machen. Immer wieder rekurriert Globegarden gegen Entscheide, wonach zu viele Kinder auf zu kleinem Raum gehütet worden seien. «Wir haben ein grosses Problem mit Anforderungen, die weit über den gesunden Menschen­verstand hinausgehen», erklärt Mike Helmy, ehemaliger Leiter der Krippenkette Bubble Bees.

Nicht immer hatte Globegarden im Rechts­streit mit Gemeinden Erfolg. Vor allem dann nicht, wenn die Sozial­behörde feststellt, dass die Firma den Betreuungs­schlüssel nicht einhält und Personal beschäftigt, das nicht die nötige Ausbildung hat. So wie im Fall Thalwil. Dort marschiert Globegarden mit mehreren Anwälten auf und zieht Verfügungen der Gemeinde vor das Horgener Bezirksgericht. Die Globegarden-Krippe ist gleich bei mehreren Kontrollen der Krippen­aufsicht hängen geblieben. Und das, obwohl der private Kontrolleur im Auftrag der Gemeinde immer mit Ankündigung anklopft.

Über die Details des Falls können wir noch nicht berichten. Ende Oktober baten wir beim Bezirksrat Horgen um Einblick in die Akten, doch bis Redaktions­schluss wurde uns der Zugang von einer involvierten Partei verweigert.

Dass die angekündigten Kontrollen überhaupt etwas bringen, wird von Branchen­kennern angezweifelt. Denn vielerorts fehlen Geld und Personal für eine seriöse Arbeit. In Zürich zählt die Krippen­aufsicht gerade einmal 390 Stellenprozente für über 300 Einrichtungen. Hier kommen die Kontrolleure nur dann ohne Anmeldung, wenn ernsthafte Mängel gemeldet wurden.

Als die Krippen­aufsicht in Claras Kita einen Besuch ankündigt, schickt die Leitung die junge Erzieherin mit ihrer Gruppe auf einen Ausflug, damit die Behörden nicht sehen, dass das Haus viel mehr Kinder hütet als erlaubt.

In der Kita von Lisa Funk werden vor Kontrollen die Räume heraus­geputzt und das Personal aufgestockt. «Ich schrieb der Krippen­aufsicht eine Mail und wies darauf hin, dass sie keine Kontrollen zu machen brauchten, wenn sie diese ankündigen», erzählt sie. Die Stadt habe sich für ihr Schreiben bedankt, mehr aber nicht. «Fragen hat niemand gestellt.»

Das Zürcher Sozial­departement bestätigt den Eingang der Mail. Man habe daraufhin versucht, sie zu erreichen, schreibt eine Sprecherin: «Diese Kontakt­aufnahme ist gemäss der uns vorliegenden Aktenlage nicht erfolgreich zustande gekommen beziehungs­weise kann von uns zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr nachvollzogen werden.»

Sprich: Die Sache ist versandet.

Keine Pflicht zur Transparenz: Das Geld

Seit zwei Jahren verschärft sich die Situation auf dem Markt. Musste man einst das eigene Kind noch vor der Geburt in der Krippe anmelden, gibt es inzwischen mehr als genug Plätze.

Viele Anbieter erreichen die nötige Auslastung nicht mehr. Gleichzeitig steigen die Zuschüsse der öffentlichen Hand. Zum Beispiel in Zürich, wo vor zwei Jahren die Kontingente für subventionierte Plätze aufgehoben wurden. Das lockt professionelle Anbieter aus dem benachbarten Ausland an. Bereits haben die zwei französischen Kita-Konzerne Babilou und La Maison Bleue den Sprung über die Grenze gewagt. Letztere hat erst die welsche Kette Pop e Poppa und zuletzt die Filialen von Bubble Bees übernommen.

Hinter den meisten Kitas stehen aber immer noch Stiftungen und Vereine. Wenn sie Gewinne erwirtschaften, stecken sie diese wieder in ihre Einrichtungen. Die Non-Profit-Form hat mehrere Vorteile. Unter anderem subventionieren viele Gemeinden nur Krippen­plätze, wenn die Trägerschaft nicht gewinnorientiert ist.

Darum haben auch professionelle Kita-Betreiber ihre Filialen in Non-Profit-Körperschaften ausgelagert. Darunter Globegarden, die einer Mutterfirma mit dem Namen The KCC Group gehört. KCC steht für die Vornamen der drei Gründerinnen von Globegarden und ist eine Aktien­gesellschaft. Das heisst: Was die Firma an Überschuss einnimmt, darf sie ihren Aktionären ausschütten. In diesem Fall sind das Christina Mair und Kristina Rebsamen, denen die AG laut Handelsregister zu je 50 Prozent gehört.

Solange diese AG nicht an der Börse kotiert ist, müssen Mair und Rebsamen der Öffentlichkeit keine Rechenschaft über den Gewinn ablegen. Ob sie welchen machen, ist nicht bekannt. Doch die Globegarden-GmbH bezahlt die Mutterfirma für Leistungen: administrative Arbeiten, Software für die Personal­planung oder die Lohn­buchhaltung.

«Sehr viele Leute in der Branche fragen sich, woher sie das Geld haben, um sich so viele gute Standorte zu leisten», sagt eine Krippen­unternehmerin. An guten Lagen seien die Mieten schliesslich hoch. Ein Blick in die Firmen­struktur könnte darauf eine Antwort geben. Denn die KCC Group AG kann ihrer Tochter­firma Globegarden GmbH Kapital einschiessen. Geld von Investoren zum Beispiel.

Nicht mit Geld, aber mit ihrem Netzwerk unterstützt Carolina Müller-Möhl das Unternehmen. Sie sitzt gleichzeitig im Beirat von Globegarden. Müller-Möhl verwaltet das finanzielle Erbe ihres Gatten Ernst Müller-Möhl, der im Jahr 2000 bei einem Flugzeug­absturz am Gotthard ums Leben kam. Sie war Verwaltungs­rätin bei Nestlé und ist es heute noch bei Orascom, Fielmann und bei der NZZ.

Seit vielen Jahren kritisiert Müller-Möhl die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die vor allem auf zu teure Krippen­plätze zurückzuführen sei. Als Globegarden vor zwei Jahren im Zürcher Schiffbau die vierzigste Filiale eröffnet, ist sie mit dabei und schwärmt danach auf Facebook: «Bravo Christina Mair, Kristina Rebsamen und Caroline Staehelin, solche Unternehmerinnen braucht die Welt!»

Das Lob der Investorin, die Unternehmer­preise – für die enttäuschten Ex-Angestellten macht das alles keinen Sinn. Insbesondere wenn man sieht, wie die Firma mit ihren eigenen Leuten umgeht.

Verbotene Abzüge: Die Verträge

In der Firmenbroschüre «The Globegarden Story» sind die vier Werte des Unternehmens aufgeführt. Unter Punkt 2, «Great place to work», wird erwähnt, dass die Gründerinnen «möglichst gute Arbeits­bedingungen schaffen» wollen, «verbunden mit einem angenehmen Arbeitsklima».

Davon sei nicht viel zu spüren gewesen, wird uns berichtet. Ein Blick in mehrere Arbeits­verträge bestätigt das Bild. Darin steht, dass Angestellte bei Krankheit schon ab dem ersten Tag ein Arztzeugnis mitzubringen hätten. Das ist zwar nicht verboten, wird aber in der Schweiz fast nicht mehr praktiziert, weil wenig arbeitnehmer­freundlich. Die Norm ist: Zeugnis ab dem vierten Tag.

Wir hören auch, dass Globegarden bei der Umsetzung sehr konsequent ist. «Als die Tochter einer Betreuerin krank war und sie zu Hause blieb, um sie zu pflegen, wurden ihr acht Stunden abgezogen», berichtet uns eine Informantin aus Basel. Wer das Zeugnis vorlegt, erhält bereits ab dem ersten Krankheitstag nur noch 80 Prozent des Lohns. Auch das ist nicht verboten, doch die meisten Arbeitgeber reduzieren den Lohn erst nach 14 Tagen Krankheit.

Dass es noch dreister geht, bekommen Lernende einer Globegarden-Kita zu spüren, deren Leitung sich bei der Einsparung von Personal­kosten besonders kreativ zeigt. Das erzählt uns Clara. «Weil eine Schulstunde in der Berufsschule 45 Minuten dauert, die Lernenden aber faktisch 60 Minuten in der Kita fehlten, zog man ihnen 15 Minuten pro Schulstunde ab. Diese Zeit mussten sie dann in der Kita sozusagen kompensieren.» Als eine Lehrerin davon erfährt, interveniert sie bei Globegarden. Mit Erfolg. Die Firma lässt die illegale Praxis fallen. Ob auch Lernende aus anderen Einrichtungen betroffen waren, lässt sich nicht in Erfahrung bringen.

Gesetzlich verboten jedoch ist die Praxis, den Angestellten fürs Mittagessen automatisch Geld vom Lohn abzuziehen. Weil Globegarden von seinen Erzieherinnen verlangt, zusammen mit den Kindern zu essen, bucht die Firma ihnen pro Tag 5 Franken ab. Auch den Praktikantinnen, denen bei einem Nettolohn von rund 700 Franken damit zusätzlich 100 Franken verloren gehen.

«Arbeitnehmende müssen die Möglichkeit haben, frei über den vereinbarten Lohn zu verfügen», erklärt Sabine Steiger-Sackmann, Dozentin für Arbeitsrecht an der ZHAW. «Werden freiwillig Getränke am Arbeitsplatz konsumiert, kann ein Lohnabzug vereinbart werden. Ein Zwang zur Konsumation darf aber nicht bestehen.» Ein Bundesgerichts­urteil von 2003 stützt ihre Aussagen. Ein klarer Gesetzesverstoss.

Schweigende Gründerinnen: Die Konfrontation

Die Kritik an Globegarden kommt nicht aus heiterem Himmel. Behörden in mehreren Gemeinden wissen seit Jahren von den Problemen. 2012 reagiert Zürich. Der damalige Chef der Krippen­aufsicht bewilligt für kurze Zeit keine neuen Einrichtungen mehr auf Stadtgebiet, weil die Firma zu viele Kinder mit zu wenig Personal betreut. Aufgedeckt wird der Missstand von unzufriedenen Eltern, die einen Beschwerde­brief an die Gründerinnen und die Krippen­aufsicht schicken.

Viele Ex-Angestellte wundern sich, dass so etwas nicht öfter geschieht: «Es ist erstaunlich, wenn man doch bedenkt, dass die Eltern für die Betreuung 2000 bis 3000 Franken pro Kind und Monat ausgeben», sagt eine Erzieherin.

Auf Globegarden angesprochen, äussert sich der Verband Kinder­betreuung Schweiz (Kibesuisse) sehr zurückhaltend. Denn die Firma ist nicht Mitglied. «Einen Antrag zur Mitgliedschaft würden wir kritisch prüfen und uns vorbehalten, ihn allenfalls abzulehnen», sagt Estelle Thomet, Regional­leiterin Zürich. Das geltende Recht beim Betreuungs­schlüssel und bei der Qualifikation des Personals sei ohnehin nicht optimal und nur gerade zur Erlangung einer Mindest­qualität hinreichend: «Wird diese unterschritten, ist das mit Blick auf das Kindeswohl nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch nicht tragbar.» Auch die hohe Fluktuations­rate sei ein grosses Problem: «Für das Kindeswohl sind verlässliche Bezugs­personen und Betreuungs­konstanz von entscheidender Bedeutung.»

Wir haben auch Carolina Müller-Möhl und HSG-Professorin Monika Bütler mit den Vorwürfen konfrontiert. Beide weisen darauf hin, dass sie in ihrer Position als Beirat von Globegarden keine Exekutiv- oder Kontroll­funktion übernähmen. Müller-Möhl lässt über einen Sprecher ausrichten, dass sie sich mit der Firma «gelegentlich über die Themen ‹Vereinbarkeit von Beruf und Familie und frühkindliche Bildung› austauscht». Man treffe sich bestenfalls alle zwei Jahre einmal. Damit ist die Sache abgehakt.

Globegarden liess die gesetzte Frist für eine Stellung­nahme verstreichen.

Unsere Informantinnen haben inzwischen in anderen Kinder­krippen eine Stelle gefunden. Sie erzählen uns in vielen Beispielen, was dort besser läuft. Für kein Geld der Welt würden sie zurück.

Auch Clara nicht, die nun ständig den Ausdruck «in einer richtigen Krippe» benutzt, wenn sie davon erzählt, wie man bei ihrem neuen Arbeit­geber mit Kindern und Personal umgeht. «Wer zum ersten Mal in einer Globegarden-Kita steht, staunt über die schönen Räume und die tolle Einrichtung», sagt sie. «Doch schaut man genauer hin, zerfällt das ganze Bild.»

In einer früheren Version schrieben wir, dass der Vater von Christina Mair und Caroline Staehelin bei der Credit Suisse gearbeitet habe. Diese Information hat sich im Nachhinein als falsch heraus­gestellt. Er ist nicht Banker, sondern Arzt. Wir entschuldigen uns für den Fehler.

Zum Update

Die ersten Konsequenzen im Fall Globegarden: Die Politik reagiert auf die Zustände beim Kita-Unternehmen. In Zürich und Basel verlangen Parlamentarierinnen Antworten von der Regierung.

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