Majestätsbeleidigung

Dem Zürcher Regierungsrat Mario Fehr wird in seiner Freizeit ein Bier über den Kopf geleert. Seine Polizei untersucht die Lappalie wie einen schweren Kriminalfall. Wie viel Einfluss hat der Sicherheitsdirektor genommen, um den privaten Konflikt zu vergelten?

Von Carlos Hanimann, Michael Rüegg (Text) und Aline Zalko (Illustration), 20.04.2018

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Schreibt man über Mario Fehr, kann das unangenehme Folgen haben. Wenn der Zürcher SP-Sicherheitsdirektor etwas hasst, dann Kritik an seiner Person, egal ob gerechtfertigt oder nicht. Dann kann er heftig einfahren. Mal macht er selber Druck auf die Chefredaktionen. Mal schaltet sich gleich eine Medienanwältin ein, auf deren Dienstleistungen Fehr gern zurückgreift.

Falls Sie diesen Text also nicht sofort lesen, drucken Sie ihn besser aus. Es ist nicht auszuschliessen, dass bei der Republik bald das Telefon klingelt.

Tatort Stadionbar

Es war an einem Samstagabend im Mai 2017, als Mario Fehr kalt geduscht wurde. Fehr, ein Fan des Fussballclubs Zürich, hatte sich in seiner Freizeit zum Kantonsderby gegen den FC Winterthur auf die Schützenwiese begeben, ins Stadion des kleinen FCZ-Rivalen.

Nach dem Spiel – den 3:0-Sieg seines FCZ hatte Fehr auf der Haupttribüne verfolgt – traf er zufällig Nicolas Galladé, einen Parteikollegen und Winterthurer Stadtrat. Gemeinsam mit Andreas Mösli, dem Geschäftsführer des FC Winterthur, tranken sie daraufhin ein Bier in der Libero-Bar, der Stadionkneipe. Doch die Anwesenheit des Zürcher Sicherheitsdirektors störte einige Gäste.

Der FC Winterthur, die Mannschaft der Arbeiterstadt, gilt als linker Club. Geschäftsführer Mösli war früher ein Punk, und in der Libero-Bar verkehrten an diesem Abend nicht nur Fehr, sondern auch zahlreiche linke Fussballfans, die tausend Gründe aufzählen könnten, warum sie ihr Bier lieber wegschütten, als es gemeinsam mit Fehr zu trinken.

Denn Mario Fehr, seit sieben Jahren Zürcher Regierungsrat, mag SP-Mitglied sein. Anerkennung für seine politischen Taten und Worte erhält er jedoch öfter von rechts. Ein langjähriger SP-Politiker, der anonym bleiben möchte, sagt es so: «Eigentlich haben wir diesen Sitz schon vor sieben Jahren verloren.»

Im letzten Frühling schuf sich Fehr mit seiner harten Asylpolitik im linken Lager zunehmend Feinde. Der Sicherheitsdirektor hatte soeben durchgesetzt, abgewiesenen Asylbewerbern per Anfang März 2017 nur noch dann Nothilfe zu gewähren, wenn sie in speziellen Unterkünften übernachteten und ihre Anwesenheit täglich per Unterschrift bestätigten. Die Geschäftsleitung der eigenen Partei kritisierte ihren Regierungsrat dafür scharf. Es war nur eine von zahlreichen Entscheidungen Fehrs, die Linke in jenem Frühjahr zum Schäumen brachten.

Das Spiel war längst vorbei. Plötzlich stellte sich in der Libero-Bar ein FC-Winterthur-Fan neben Fehr, hob seinen Arm und goss seelenruhig ein frisch Gezapftes über dem verdatterten Zürcher Politiker aus.

Augenzeugen berichten von einem kurzen Wortwechsel, Stadtrat Nicolas Galladé soll Fehr schützend in den Arm genommen haben, die Stimmung aber blieb friedlich. Die Aktion sorgte bei einigen Gästen für Heiterkeit: Dem Bierausschütter, wir nennen ihn hier Florian, wurde an der Bar Ersatz ausgegeben.

Fehr war unverletzt. Nicht aber sein Ego. Er verliess den Ort des Geschehens mit der Bemerkung, das werde ein Nachspiel haben – es dauerte fünf Monate lang. Und es ist höchst erstaunlich, dass Fehr seine Bemerkung überhaupt wahr machen konnte.

Ein Verfahren ohne jede Spur

Das Online-Portal «Watson» machte den Vorfall in der Libero-Bar publik. Beim FC Winterthur war man darüber genauso unglücklich wie über die regierungsrätliche Bierdusche selber. Am gleichen Abend hatte ein Zuschauer einen Knallkörper aufs Spielfeld geworfen (der FC Winterthur und der Böllerwerfer einigten sich kürzlich aussergerichtlich), nach dem Match warf ein Winterthurer am Bahnhof einen Schachtdeckel auf wartende FCZ-Fans und verletzte einen schwer, und hinzu kam nun die leidige Geschichte mit dem Bier. Und dann noch 0:3 verloren: Es war ein Abend zum Vergessen.

Einer aber wollte die Sache nicht auf sich beruhen lassen: SP-Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Mario Fehr. Er forderte, dass der Übeltäter ausfindig gemacht werde und er sich bei ihm entschuldige. Dazu machte er nicht nur Druck auf die Verantwortlichen des FC Winterthur. Er war auch bereit, die Lappalie mit den Mitteln des Strafrechts zu verfolgen.

Im Laufe der nächsten Monate waren sowohl die Stadtpolizei Winterthur als auch die Kantonspolizei Zürich mit Nachforschungen befasst, ein Mitarbeiter von Fehrs Sicherheitsdirektion unterstützte sie zwischenzeitlich dabei. Die Bierflecken auf Fehrs Anzug beschäftigten Winterthurer Politikerinnen ebenso wie den örtlichen Fussballclub. Und die Polizei befragte mehrere Privatpersonen zur Angelegenheit.

Doch am Ende fehlt vom monatelangen Ermittlungsverfahren praktisch jede Spur. Zurück bleiben bloss eine förmliche Entschuldigung bei Mario Fehr und die Frage: Wie weit darf ein Regierungsrat gehen, um einen privaten Konflikt zu sühnen?

Ein Politiker, dessen Programm er selbst ist

Mario Fehr, 59, Jurist und Sozialdemokrat aus Adliswil, ist der bekannteste Regierungsrat Zürichs. Er ist auch der beliebteste – bloss nicht bei Linken: Unter den Grünen und den Alternativen hat er weniger Sympathisanten als bei der SVP. Seine eigene Partei hält ihm offiziell die Stange, auch wenn er für sie während der bislang siebenjährigen Amtszeit eine permanente politische Enttäuschung war.

Fehr polarisiert. Und irritiert. Immer wieder sorgte er in den letzten Jahren für Aufregung: als er ohne gesetzliche Grundlage einen Staatstrojaner für seine Polizei kaufte, als er abgewiesenen Asylbewerbern verbot, die Gemeinde ihrer Asylunterkunft zu verlassen, als er ein Burkaverbot befürwortete, als er zwei in Kilchberg aufgewachsene Mädchen nach Tschetschenien ausschaffen liess.

Mario Fehr beharrte stets darauf, dass alles rechtens zu- und herging. Politisch mochten seine Entscheide umstritten sein, seine Kritiker zogen sie oft auch rechtlich in Zweifel. Aber Fehr hatte sich seine Argumente stets mit kühlem Kopf und manchmal mit kaltem Herzen zurechtgelegt: Der Staatstrojaner? Heikel, aber vertretbar. Das Bewegungsverbot für Asylsuchende? Klagt doch! Die Ausschaffung einer bestens integrierten Familie? Nur die buchstabengetreue Umsetzung des Gesetzes.

Wenn Fehr politisch aneckt, dann mit Kalkül: Er holt sich den Beifall von rechts im Wissen darum, dass links gebuht wird. Aber er braucht die Bürgerlichen und Rechten, weil viele Linke für ihn ohnehin verloren sind.

Im Grunde jedoch interessiert sich Fehr nicht für rechts und links. Seine politische Laufbahn begann beim Landesring der Unabhängigen. Diese von Migros-Erfinder Gottlieb Duttweiler gegründete Partei verfolgte zuletzt einen gesellschafts- und wirtschaftsliberalen Kurs, bevor sie sich 1999 auflöste. Von grossen Idealen merkt man bei Fehr wenig. Er ist ein hervorragender Opportunist: Mit einem politischen Spürsinn, der seinesgleichen sucht, wittert er Mehrheiten und positioniert sich dort, wo er 70 oder 80 Prozent der Wählerinnen vermutet. In der Regel trügt ihn sein Instinkt nicht.

Vergangenes Jahr versetzte der Kantonsrat vorläufig Aufgenommene zurück in die Asylfürsorge und torpedierte damit Integrationsbemühungen. Als 26 Städte und Gemeinden zusammen mit der SP dagegen kämpften, liess Fehr sie im Stich.

Handkehrum gab er jüngst seine Unterstützung für das Referendum gegen Sozialdetektive bekannt. Ein durchsichtiger Schachzug: Fehr markiert damit ausnahmsweise wieder einmal den strammen Linken – wenige Monate bevor seine Parteigenossinnen darüber befinden müssen, ob sie ihn für eine weitere Amtszeit nominieren.

Fehrs Polizei übernimmt

An jenem Abend in Winterthur war Mario Fehr nicht als Regierungsrat am Fussballspiel. Nicht als Polizeiverantwortlicher. Sondern als Privatperson. Und privat hat der berechnende Politiker offensichtlich die Fassung verloren.

Nachdem Mario Fehr die Stadionbar verlassen hatte, wurde es doch noch ein wenig turbulent. Zwei Männer betraten die Bar und suchten den Bierausschütter. Sie hielten einen Verdächtigen fest, es kam zu einem Gerangel, wieder floss Bier. Später tauchten Beamte der Stadtpolizei Winterthur auf, befragten Augenzeugen und hielten nach Verdächtigen Ausschau.

Erstattete Mario Fehr daraufhin Anzeige? Oder forderte er von seiner Polizei, dass sie ihm – ohne offizielles Verfahren – den Täter liefert? Eine Tätlichkeit, im Strafrecht die sanfteste Form der physischen Gewalt, ist ein Antragsdelikt und eine einfache Übertretung; die Sachbeschädigung ein Vergehen, das ebenfalls nur auf Antrag verfolgt wird. Die Polizei muss also nicht von sich aus ermitteln. Nur wenn der Geschädigte es verlangt. Wochen nach dem Vorfall wurden jedenfalls verschiedene Personen befragt – teilweise telefonisch, teilweise auf dem Posten der Kantonspolizei.

Am Abend des Vorfalls war es noch die Stadtpolizei Winterthur gewesen, die mögliche Zeugen befragte. Erst danach übernahmen die Beamten der Kantonspolizei – ein unüblicher Vorgang. Zu den Gründen äussern sich weder Stadtpolizei noch die Kantonspolizei. Bei der Kapo heisst es lediglich, dass Antragsdelikte grundsätzlich dort behandelt würden, wo die Anzeige eingegangen sei.

Wirklich?

Die Arbeitsteilung zwischen den Polizeikorps ist im Zürcher Polizeiorganisationsgesetz sowie einer Verordnung geregelt. Für leichtere Delikte ist in Winterthur in der Regel die Stadtpolizei zuständig. Nicht so in diesem Fall. Denn für Mario Fehr gelten offenbar andere Regeln.

Nun entstand eine heikle Konstellation: Ausgerechnet die Kantonspolizei, der Mario Fehr politisch vorsteht, verfolgte einen Fall, den die Privatperson Mario Fehr angestossen hatte.

Die Republik hat die Probe aufs Exempel gemacht und einen vergleichbaren (fiktiven) Fall zur Anzeige bringen wollen. Der Beamte der Kantonspolizei auf dem Posten Winterthur aber winkte ab: Man hätte den Namen des Täters feststellen oder seinen Ausweis verlangen müssen; eine Anzeige gegen unbekannt bringe gar nichts.

Es sei denn, man ist der oberste Chef des grössten Schweizer Polizeikorps. Dann wird aus einer simplen Tätlichkeit eine Majestätsbeleidigung.

Privatermittler aus Fehrs Direktion

In der Winterthurer Bierkurve, wo die Fans des FCW stehen, kursierten Gerüchte. Es hiess, die Polizei suche den Bierausschütter. Es hiess, es gebe Fotos vom Vorfall. Es hiess, Zivilpolizisten stünden in der Kurve und suchten nach dem Übeltäter. Ob das stimmt, weiss niemand. Eine Zeitlang hielten sich die Fans damit zurück, sich gegenseitig beim Namen zu rufen.

Sicher ist: Die Kantonspolizei besass Fotos für ihre Fahndung nach dem Täter. Auf einem etwa waren drei Personen in der Bierkurve des Winterthurer Stadions zu sehen. Mögliche Verdächtige. Wann es aufgenommen wurde, ist unklar. Sicher ist, dass es erst einige Wochen nach dem Vorfall auftauchte. Geschossen hat das Bild aber kein Polizist, sondern ein Mann, der bei der kantonalen Verwaltung arbeitet: im Generalsekretariat der Sicherheitsdirektion von Mario Fehr.

Hatte er von Mario Fehr den Auftrag erhalten, sich unter die Fans zu mischen und Verdächtige zu fotografieren? Oder handelte der Mann von sich aus, indem er seinem Chef helfen wollte?

«Ich sage gar nichts», sagt der Mann am Telefon. Und dann: Schweigen.

Durfte Fehrs Mitarbeiter das Foto überhaupt der Polizei weitergeben? Grundsätzlich hätte er die Einwilligung der fotografierten Personen einholen müssen – oder es müsste ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse dafür bestehen.

Kritisch zum Vorgehen der Polizei äussert sich Beat Rudin, der Datenschutzbeauftragte von Basel-Stadt und Präsident von privatim, der Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten: «Ein absolutes Beweisverwertungsverbot besteht hier nicht, aber die Polizei muss eine Interessenabwägung vornehmen.» Rudins Einschätzung: «Bei einem geringfügigen Delikt wie einer Tätlichkeit scheint die Verwendung des Fotos unverhältnismässig.»

Dass ausgerechnet die Kantonspolizei in einem so unbedeutenden Fall monatelang gegen unbekannt ermittelt, lässt aufhorchen. Zuständige Abteilung war die Regionalpolizei, geführt von Chef Franz Bättig. Er ist regelmässiger Teilnehmer an Rapporten in Fehrs Direktion. Bättigs Regionalpolizei nahm sich der Sache an und liess Beamte in Winterthur und Zürich nach dem Täter suchen: dem jungen Mann, der sein Bier über Fehr gegossen hatte.

Was danach geschah, lässt sich nicht ohne jeden Zweifel sagen. Im Umfeld des FC Winterthur erzählt man sich die Geschehnisse so:

Ein paar Monate nach dem Vorfall in der Libero-Bar hielt die Polizei am Rande eines Spiels auf der Schützenwiese einen jungen Mann an. Dabei handelte es sich um Florian, den Bierausschütter. Ein gezielter Zugriff oder Zufall? Die Polizisten kontrollierten seine Personalien, merkten aber selber, dass sie ihn wegen eines vor Monaten ausgeschütteten Biers nicht verhaften konnten. Also liessen sie ihn gehen. Bald darauf erhielt Florian Post von der Kantonspolizei: Vorladung zur Einvernahme als beschuldigte Person wegen Tätlichkeit und Sachbeschädigung.

Der Vorfall schien aufgeklärt, der Bierausschütter war identifiziert. Nun würde alles den gewohnten Lauf nehmen: Einvernahme durch die Polizei, Erstellung eines Rapports, Weitergabe ans Winterthurer Stadtrichteramt oder die Staatsanwaltschaft. Doch bis zu den Untersuchungsbehörden gelangte der Fall nie. Die Staatsanwaltschaft, das Stadtrichteramt, das Statthalteramt – niemand kennt den Fall Fehr.

Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Kurz nachdem Florian die Vorladung erhalten hatte, klingelte sein Telefon. Ein Polizist der Kantonspolizei. Er wollte ihn treffen, zu einem informellen Gespräch in der Rio-Bar in Zürich, nur wenige Schritte vom Hauptposten der Zürcher Kantonspolizei entfernt. Der Polizist, ein Vertrauter von Regionalpolizei-Chef Franz Bättig, unterbreitete ihm ein Angebot, die Sache ganz unbürokratisch zu lösen: Wenn sich Florian förmlich beim Herrn Regierungsrat entschuldige, würde dieser die Anzeige zurückziehen.

Fehr war der Geschädigte – und gleichzeitig der oberste Chef der Ermittler. Hielten die Beamten ihren Regierungsrat über die Details auf dem Laufenden? Jedenfalls muss Fehr von einem pikanten Detail erfahren haben: Ein Elternteil des beschuldigten Florian war eine gewählte Magistratsperson. Sollte Fehr die Sache begraben? Andererseits war da noch immer sein verletzter Stolz.

Der Telefonterrorist

Wie tickt dieser Mario Fehr, der sich in Details verbeissen kann und trotzdem einen 360-Grad-Blick auf alles hat, was um ihn herum geschieht?

Die Republik sprach mit Weggefährten des Politikers. Mit bürgerlichen, linken und Mitte-Politikerinnen. Mit Journalisten, die ihn seit Jahren kennen. Mit Angestellten der Verwaltung. Niemand wollte den eigenen Namen in einem Artikel lesen. Auch wenn die meisten wohl fast nichts zu befürchten hätten. Fast nichts heisst in diesem Zusammenhang: Telefonanrufe von Mario Fehr.

Mit dem Handy als Waffe hat der Politiker sich den Ruf eines Telefonterroristen erworben. So soll einmal ein Gemeindepolitiker in einer Sitzung seiner Exekutive beinahe unter Tränen geklagt haben: «Ich will endlich keine Anrufe mehr von Mario Fehr!»

Hört man Menschen zu, die Mario Fehr kennen, entsteht das Bild eines Politikers, der nur wenig Freunde hat. Aber auch keine offenen Feinde. Denn wer sich ihm in den Weg stellt, muss mit Vergeltung rechnen. Keine Kritik bleibt ungesühnt.

So hat Fehr in den letzten Jahren ein System etabliert, das dem eines Sonnenkönigs gleicht. Von einem Napoleon ist die Rede, einem Machiavelli, in der «SonntagsZeitung» tauchte gar die Wortschöpfung «Fehrdogan» auf. Eher wird man als Bittsteller beim Sicherheitsdirektor vorstellig, als ihn mit einem politischen Vorstoss oder einer öffentlichen Äusserung in einer Zeitung zu verärgern. Sonst baut Fehr eine Mauer der Bitterkeit und des Trotzes um sich herum; und man kann jede Hoffnung auf Bewegung vergessen.

Ein ungewöhnliches Angebot

Florian, der Bierausschütter, fand es ungewöhnlich, dass ihm ein Friedensangebot unterbreitet wurde. Aber er ging darauf ein. Im Oktober 2017 traf er Mario Fehr zur Aussprache in der Direktion: Florian entschuldigte sich, Fehr liess die Sache unter den Tisch fallen.

So kursiert die Geschichte von Florian. Stimmt sie wirklich?

Es dauerte ein paar Wochen, bis die Republik den Kontakt zum Bierausschütter herstellen konnte. Doch Florian war nicht bereit, auf die Fragen des «linksbünzligen Bürgerblatts» einzugehen. Immerhin bestätigte er, dass es zu einem Treffen mit einem Polizisten und letztlich zu einer Einigung mit Fehr gekommen war. Zum Deal mit Fehr selber wollte er aber nichts sagen, nur so viel: «Ich stehe zu allen meinen Handlungen.»

Schweigen auch bei den Polizeikorps und Fehrs Sicherheitsdirektion. Die Republik wollte etwa von der Stadtpolizei Winterthur wissen, warum sie nach der Tat nicht weiter ermittelt habe und der Fall stattdessen an die Kantonspolizei gegangen sei. Doch in Winterthur verwies man bloss an die Kapo. Und dort war Medienchef Reto Scherrer gerade in einer Sitzung. Als sie zu Ende war, wollte er trotzdem nicht mit der Republik reden. «Schicken Sie Ihre Fragen per Mail», richtete eine Mitarbeiterin aus. Schriftlich waren die Antworten auch nicht ausführlicher: Nein, ein Verfahren gebe es nicht, der Vorfall habe keine strafrechtlichen Konsequenzen gehabt, zu Verfahrensabläufen äussere sich die Kantonspolizei nicht.

Hinter einer Mauer des Schweigens

Hatte Mario Fehr keine Skrupel, seine eigenen Polizisten monatelang wegen eines ausgeschütteten Biers ermitteln zu lassen? Warum gelangten Fotos, die Fehrs Mitarbeiter gemacht hat, zu den Ermittlungsakten? Stoppte der Sicherheitsdirektor das Verfahren, als er den Familiennamen des Täters erkannte? Und hätte Fehr nicht einsehen müssen, dass das Amt nicht ihm, sondern er dem Amt dienen sollte?

Fehrs Pressesprecher Urs Grob sagt, es hätte sich beim Vorfall um Straftatbestände wie Sachbeschädigung und Tätlichkeit gehandelt. Es gebe aber weder ein laufendes Verfahren noch irgendwelche strafrechtliche Konsequenzen. Die Schilderung der Ereignisse, mit der die Republik die Sicherheitsdirektion konfrontierte, entspreche «in wesentlichen Punkten nicht den tatsächlichen Ereignissen». Aber man verzichte auf eine Stellungnahme: «aus Rücksichtnahme auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten».

Fehr selber schweigt. So geht es fast immer, wenn Mario Fehr in Kritik gerät: Entweder er spricht ohne Ende. Oder er mauert und wehrt jede Frage ab.

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