viele Screenshots von Fox Moderatoren zusammengesetzt zu einem Bild
Meinungen statt Fakten, rund um die Uhr: Fox News hat die Polarisierung der US-Politik beschleunigt und verstärkt. Screenshots Fox News

Fox News: Die Geschichte einer Machtübernahme

Der vor 22 Jahren gegründete Kabelsender Fox News hat die Medienlandschaft und die Politik in den USA fundamental verändert. Ein Modellfall für die Schweiz?

Von Daniel Binswanger, 22.01.2018

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Filterblasen, Fake-News, Tweets aus dem Oval Office als Taktgeber der öffentlichen Debatte: Die amerikanische Medienlandschaft erlebt eine dramatische Umbruchphase. Wäre Donald Trump ohne Facebook zum Präsidenten gewählt worden? Wäre die US-Politik so polarisiert, wenn konservative und demokratische Newskanäle nicht Wirklichkeiten beschreiben würden, die nichts mehr miteinander zu tun haben? Wenn Publikationen wie «Breitbart» oder die «New York Times» nicht den Eindruck vermittelten, sie berichteten aus verschiedenen Galaxien? Wenn es noch so etwas gäbe wie eine geteilte Faktenbasis?

Der Strukturwandel der US-Medien wird von verschiedenen Akteuren vorangetrieben und ist nicht über Nacht geschehen. Und doch gibt es Kristallisationspunkte, die politisch matchentscheidend sind. Es gibt einzelne Player, die so viel Einfluss haben, dass sie das Gesamtsystem verändern konnten. Und die von der Polarisierung der amerikanischen Politik profitiert, sie beschleunigt und verstärkt haben. Der wichtigste dieser Player ist Fox News.

Fox News, der konservative Newskabelkanal, ist die grosse TV-Erfolgsgeschichte der letzten 20 Jahre. Er hat die amerikanische Fernsehlandschaft revolutioniert. Er hat die Art, wie Amerikaner heute Nachrichten konsumieren, vom konservativen Trump-Wähler im «bible belt» bis zum höher gebildeten «liberal» in den Küstenstädten fundamentaler verändert als jede andere Medienmarke. An der Geschichte von Rupert Murdochs Kabelsender lässt sich Grundsätzliches ablesen: dass tiefe Umwälzungen im Mediensystem nicht ohne Folgen für die Politik bleiben. Dass die Ideologisierung der medialen Berichterstattung zwangsläufig die Ideologisierung der demokratischen Auseinandersetzung nach sich zieht. Für die Schweiz dürfte diese Geschichte von Interesse sein.

Denn sollte die No-Billag-Initiative angenommen werden, wird die Eidgenossenschaft in Europa zum Mediensonderfall. Ein europäisches Land ohne öffentlichen Rundfunk, das gibt es bis anhin nicht. Selbst wenn die SRG nach der Abschaffung der Gebühren überleben und sich privat finanzieren könnte – was wenig realistisch erscheint –, so wäre ein Schweizer Fernsehen, das sich am Markt behaupten muss, letztlich nur noch eins: ein privater Sender.

Vergleichbar würde eine solche Schweizer Rundfunklandschaft mit derjenigen in den USA. Zwar sind die Vereinigten Staaten ein riesiger Markt, sie verfügen über ein vielfältiges Angebot und sind in dieser Hinsicht weit entfernt von Schweizer Verhältnissen. Aber der öffentliche Rundfunk ist mit nur 2 Prozent Marktanteil vernachlässigbar. In den USA gehorchen Radio und Fernsehen weitgehend den Marktkräften. Genauso wäre es in einer No-Billag-Schweiz. Und wie in den USA würde es auch keine gesetzlichen Mindestanforderungen mehr geben für Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit. Bis heute sind nicht nur die Vergaben der Konzession an die SRG, sondern auch diejenigen an private Radio- und Fernsehstationen mit einem Qualitäts- und Leistungsauftrag verbunden. Artikel 93, Absatz 2 der Bundesverfassung hält fest: «Sie [Radio und Fernsehen] stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.» Dieser Absatz wird durch die No-Billag-Initiative ersatzlos gestrichen. Gegen die Verbreitung von Hass, Propaganda, Unwahrheit soll es nach dem Willen der Initianten künftig keinen rundfunkrechtlichen Schutz mehr geben.

Niemand weiss, ob sich auch hierzulande ein Nachrichtenkanal etablieren würde, der als rechte Propagandaplattform fungiert. Fest steht aber, dass die regulatorischen Rahmenbedingungen dafür gegeben wären. Und fest steht auch, dass es potente politische Akteure gibt in unserem Land, die keine Anstrengung unversucht gelassen haben, die öffentliche Meinung durch den Aufbau eigener Medienmacht zu beeinflussen.

Wer ausloten will, wie eine Schweiz ohne öffentlichen Rundfunk aussehen könnte; wer die politischen Folgen von politisierter Berichterstattung und von Kampagnenjournalismus im TV studieren möchte; wer nachvollziehen will, wie mühelos professionelle Spindoktoren Fakten zu Meinungen und Meinungen zu Fakten werden lassen – der sollte die Geschichte von Fox News studieren.

Das Ende der «fairness doctrine» und die «republikanische Revolution»

Rundfunklandschaften fallen nicht vom Himmel. Sie werden geschaffen durch die Politik. Es sind die Gesetzgeber, die den Rahmen definieren. So auch in den USA. Das Fernsehen dort wurde erst von drei, dann von vier privaten Networks dominiert. Diese Kolosse bedienten eine breite Zuschauerschaft und nahmen politisch stets relativ moderate Konsenspositionen ein. Walter Cronkite, der Anchor der meistgesehenen US-Newssendung auf CBS, galt in den 60er- und 70er-Jahren allgemein als «der vertrauenswürdigste Mann Amerikas». Er war die radikale Antithese zu Lügenpresse und Fake News.

«Vertrauenswürdigster Mann Amerikas»: CBS-Moderator Walter Cronkite verkündet am 22. November 1963 die Ermordung von Präsident John F. Kennedy in Dallas, Texas. CBS/Getty

Schon aus kommerziellen Gründen basierte das Geschäftsmodell der Networks auf Ausgewogenheit. Ihre politische Positionierung unterschied sich nicht wesentlich von derjenigen der öffentlichen Rundfunkanstalten in Europa, die gesetzlich zur Überparteilichkeit verpflichtet sind. In den USA galt nämlich die «fairness doctrine», die vorschrieb, dass einer Meinungsäusserung, die klar einem politischen Lager zugeschrieben werden konnte, immer eine Meinungsäusserung aus dem Gegenlager entgegenzustellen sei. Beide Lager mussten überdies gleich viel Sendezeit bekommen. Der amerikanische Rundfunk war zwar privat – aber genau wie in Europa auf Ausgewogenheit getrimmt.

Die Wende kam 1987, mit der Reagan-Ära. Im Zuge der breit angelegten Deregulierungen wurde auch die «fairness doctrine» abgeschafft. Es war die Geburtsstunde jener extrem polarisierten amerikanischen Medienlandschaft, die wir heute kennen.

Eine erste Folge war das Aufkommen des politischen Talk-Radios, dessen Pionier und bis heute dominierender Star Rush Limbaugh ist. Limbaugh startete 1988 mit einem täglichen, dreistündigen Sendeformat, in dem er aggressiv und ohne Widerrede seine ultrakonservative Weltsicht ausbreitet. Er diskutiert nicht mit Opponenten, sondern nimmt Anrufe gleich gesinnter Zuhörer entgegen. Seine Sendungen wurden ein Forum für empörte, konservative Stammtischtiraden, die zuvor in den amerikanischen Mainstreammedien keinen Platz hatten.

Auch in den USA waren Radio und Fernsehen auf Ausgewogenheit getrimmt. Reagans Deregulierungen waren die Geburtsstunde der extremen Polarisierung.

Der politische Einfluss Limbaughs kann gar nicht überschätzt werden. Als 1994 die Republikaner zum ersten Mal seit 1954 die Kongressmehrheit eroberten, die «republikanische Revolution» ausriefen und unter Führung von Newt Gingrich einen neuen, extrem konfrontativen Politikstil in Washington einführten, wurde Limbaugh allgemein als «Mehrheitsmacher» tituliert. Schon damals war die «Revolution von rechts» in hohem Mass ein Medieneffekt.

Bis heute ist die «Rush Limbaugh Show» mit rund 13 Millionen wöchentlichen Hörern die erfolgreichste politische Radiosendung der USA. Das Talk-Radio ist zu einem enormen Machtfaktor geworden. Es hat eine Einschaltquote von knapp 10 Prozent und erreicht wöchentlich über 50 Millionen Zuhörerinnen. 90 Prozent der politischen Talk-Radio-Sendungen sind klar rechts, teilweise auch rechtsextrem.

Speerspitze der Medienrevolution von rechts: Rush Limbaugh startet 1988 sein Talk-Radio für empörte, konservative Stammtischtiraden. Shepard Sherbell/Corbis/Getty

Ein Bewunderer von Limbaugh und der zeitweilige Produzent der Rush-Limbaugh-Fernsehshow war Roger Ailes, ebenfalls ein Republikaner vom äusseren rechten Flügel, der als Kommunikationsberater von Richard Nixon und später auch von George Bush arbeitete. Schon in den 60er-Jahren versuchte Ailes, TV-Entertainment in den Dienst von Politik zu stellen. Das Projekt, einen konservativen Fernsehkanal ins Leben zu rufen, war jedoch nicht von Erfolg gekrönt – bis Ailes 1996 von Rupert Murdoch zum Gründungsdirektor von Fox News gemacht wurde.

Ideologisch lupenrein – aber absolut objektiv

Von Anfang an war Fox News konzipiert als konservativer Gegenpol zu CNN. Der offizielle Fox-Slogan lautete «fair and balanced». Aber die eigentliche, von Murdoch offen deklarierte Absicht war es, eine Gegenstimme zu den «linken Mainstreammedien» zu schaffen. Es scheint ein Erkennungsmerkmal von agendagetriebener Publizistik zu sein, dass sie unablässig von sich behauptet, sie sei «fair» und «ausgeglichen», obwohl sie ein klar definiertes Programm vertritt. In der medienhistorischen Studie «Messengers of the Right» zeigt die amerikanische Politologieprofessorin Nicole Hemmer, dass dieser Widerspruch schon immer die publizistische Agitation der konservativen Bewegung charakterisierte. Stets erhob diese den Anspruch, einerseits vollkommen objektiv zu sein, andererseits aber die lupenreine ideologische Lehre zu vertreten. Auch in der Schweiz existieren Publikationen, deren parteipolitische Anbindung gar nicht enger sein könnte – und die doch permanent von sich behaupten, sie schrieben lediglich, «was ist».

Mit seinem homogenen, streng konservativen Programm hat Fox News nach und nach die amerikanische Öffentlichkeit erobert und den Konkurrenten CNN weit überholt. Im Jahr 2016 erreichte der Sender jeden Tag durchschnittlich fast 2,5 Millionen Primetime-Zuschauerinnen, fast doppelt so viele wie CNN. Fox News ist zudem zur effizientesten Geldmaschine von Murdochs 21st Century Fox Corporation geworden. Geschätzt ein Viertel des operativen Gewinns von 6 Milliarden Dollar wurde 2016 von dem Newssender erwirtschaftet.

Allerdings scheint die Trump-Präsidentschaft Fox News auch vor Probleme zu stellen, jedenfalls zeitweilig. Im Mai 2017 wurde Fox News von seinen beiden Konkurrenten CNN und MSNBC bei der Primetime-Reichweite übertroffen – zum ersten Mal seit 15 Jahren. Der konservative Newskanal versucht, soweit es irgend geht, die Regierung zu decken und die Skandale der Trump-Administration totzuschweigen. Das rächt sich bei den Einschaltquoten.

Hinzu kommen die nicht abreissenden Klagen wegen sexueller Belästigung und der erzwungene Abgang des (inzwischen verstorbenen) Gründungsdirektors Roger Ailes und des Starpräsentators Bill O’Reilly. Die juristischen Auseinandersetzungen haben Fox Hunderte Millionen Dollar gekostet und werfen ein schiefes Licht auf einen Sender, der die zur stehenden Wendung gewordenen «Fox blondes» – jene blonden Präsentatorinnen mit Barbie-Make-up und im kurzen Rock – meist so platziert, dass der Blick auf die Beine frei bleibt.

Die dunkle Kehrseite der «Fox blondes», die zum Markenzeichen des Senders wurden: Nicht abreissen wollende Klagen wegen sexueller Belästigung. Twitter

Und noch aus einem weiteren Grund ist die Position von Fox als Leitmedium der Rechten gefährdet: Mit der Onlineplattform «Breitbart» erwächst dem Fernsehsender ein Konkurrent, der noch radikaler, noch polemischer ist. Zwar hätte Trump ohne Fox niemals das Weisse Haus erobern können. Aber ob das für den Sender selber ein Geschäft war, muss sich zeigen.

News-TV als Königsmacher

Dennoch ist Fox News weiterhin ein brutaler Machtfaktor in der amerikanischen Politik. David Frum, ehemaliger Redenschreiber von George W. Bush, sagte einmal: «Wir Republikaner dachten, dass Fox News für uns arbeitet, und jetzt entdecken wir, dass wir für Fox arbeiten.» Als Königsmacher bei den republikanischen Primaries ist Fox News ausschlaggebend. Mitt Romney bekam das zu spüren, als er während seiner Präsidentschaftskampagne im Jahr 2012 mal unterstützt, mal attackiert wurde, weil er nach Ansicht von Rupert Murdoch und Roger Ailes zu wenig Härte Obama gegenüber zeigte. Romneys Versuch, sich im Jahr 2015 für eine erneute Präsidentschaftskandidatur in Stellung zu bringen, wurde von Fox News und den anderen Murdoch-Medien sofort im Keim erstickt.

Wie dominant der Fernsehsender innerhalb der Republikanischen Partei ist, zeigt sich auch in der erstaunlichen Anzahl von Parteigrössen, die für Fox News arbeiten oder gearbeitet haben, darunter Sarah Palin, Mike Huckabee, Rick Santorum und John Kasich. Sowohl als lukrativer Rückzugsposten wie auch als Sprungbrett für ein Comeback ist der Kabelsender zum festen Bestandteil der Karriereplanung konservativer Politiker geworden.

«Wir Republikaner dachten, dass Fox News für uns arbeitet, und jetzt entdecken wir, dass wir für Fox arbeiten.»
David Frum, ehemaliger Redenschreiber von George W. Bush

Als Donald Trump seinen Einstieg in die amerikanische Politik vorzubereiten begann, lancierte der damalige Reality-TV-Star im März 2011 auf Fox News erneut die sogenannte Birther-Debatte, das heisst, er bekräftigte den Verdacht, dass Präsident Obama nicht in den USA, sondern in Kenia geboren sein könnte. Die Unterstellung gründete auf keinerlei Fakten, war schon Jahre zuvor widerlegt worden und hatte den alleinigen Zweck, rassistische Ressentiments gegen den Präsidenten anzuheizen. Aber Fox News sendete in sechs Wochen über fünfzig Beiträge, die Trumps Unterstellung aufnahmen und diskutierten – und somit als legitim behandelten.

Präsident Obama war schliesslich gezwungen, seine Geburtsurkunde zu veröffentlichen. Die Verschwörungstheorie fiel in sich zusammen. Dennoch setzte sich Trump in den Umfragen an die Spitze der potenziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Trotz seiner sprunghaft angestiegenen Popularität entschied sich Trump 2012 jedoch gegen eine Kandidatur. Es war nur die Generalprobe. Erst vier Jahre später sollte er die Früchte seiner TV-Prominenz ernten.

Mordanschläge, Staatsstreiche, «death panels»

Die Watchdog-Organisation Media Matters zählte kürzlich die Medienauftritte von Mitgliedern des innersten Trump-Zirkels zwischen dem 7. August und dem 8. Dezember 2017 – also von Trumps Verwandten, seinen Kabinettsmitgliedern, seinen Anwälten. Das Ergebnis: Trump-Fürsprecher traten fünfmal häufiger auf Fox News auf als auf den anderen Kanälen. Präsidentenberaterin Kellyane Conway etwa war in jener Periode 43-mal im Kabelfernsehen zu sehen. Davon 39-mal auf Fox News.

Inzwischen hat sich Fox auf die Bundespolizei FBI, auf Sonderermittler Robert Mueller und die ganze Untersuchung zu Trumps Russland-Connection eingeschossen. Am 19. Dezember erklärte Fox-Kommentator Kevin Jackson, es müsse untersucht werden, ob das FBI einen Mordversuch gegen Präsident Trump vorbereite. Der Justizexperte Chris Farrell nannte die Mueller-Untersuchung am 21. Dezember «stalinistisch». Quasi täglich wird von Fox-Stars wie Sean Hannity, assistiert von Vertreterinnen der Trump-Regierung, das FBI eines «Staatsstreichs» bezichtigt, wahlweise auch eines «stillen» oder «soften» Staatsstreichs.

Über die Hälfte aller Fox-News-Inhalte sind «weitgehend falsch», «falsch» – oder «offensichtliche Lügen».

Sollte Sonderermittler Robert Mueller tatsächlich abgesetzt und die Untersuchung der Manipulationen der US-Wahlen durch die russischen Geheimdienste unterbunden werden, so hätte der monatelange Spin von Fox News dazu die Grundlage geschaffen. Wer das Newsprogramm des Senders regelmässig sieht, muss zur Überzeugung kommen, die grösste, akute Gefahr für das Überleben der amerikanischen Demokratie stelle das FBI dar. Eine Einmischung Russlands in die amerikanischen Wahlen hingegen sei nichts anderes als eine absurde Verschwörungstheorie.

Von 2009 bis 2011 strahlte Fox die «Glenn Beck Show» aus, die lange Zeit über 3 Millionen Zuschauer erreichte und die zweiterfolgreichste Sendung des Kabelfernsehens war. Beck war so etwas wie die publizistische Kommandozentrale des Tea-Party-Widerstandes gegen Obamacare und die Obama-Regierung überhaupt. Er verbreitete pausenlos die auch sonst von Fox gestreute Behauptung, der Präsident wolle mit Obamacare «death panels» einführen, Todeskommissionen, die darüber entscheiden sollten, ob kranke Senioren teuer therapiert, sterben gelassen oder aktiv euthanasiert werden sollen. Er nannte den Präsidenten abwechselnd einen «Kommunisten», einen «Nazi» oder den «Antichristen». Und trat als Starredner auf grossen Tea-Party-Demonstrationen auf. Die von den Ölmilliardären David und Charles Koch gesponserte Lobbying-Organisation Freedom Works unterhielt mit ihm einen Werbevertrag, der Beck verpflichtete, politische Statements der Organisation stillschweigend in seine Moderationen auf Fox zu integrieren. Beck soll dafür pro Jahr über eine Million Dollar bekommen haben.

Punditfact, eine Fact-Checking-Initiative, die die Verlässlichkeit aller wichtigen US-Sender verfolgt, hat 169 Tatsachenbehauptungen von Fox News überprüft. Rund 60 Prozent waren «weitgehend falsch», «falsch» oder «offensichtliche Lügen».

Wahlkampf-Kommunikation

Eine der konsequentesten Propagandakampagnen führte Fox News, als sich am 11. September 2012 im libyschen Benghazi ein terroristischer Anschlag auf das US-Konsulat ereignete. Vier Menschen starben, darunter Botschafter Christopher Stevens. Die Republikaner machten den Vorfall zum Thema des damaligen Wahlkampfes und überzogen die Regierung von Barack Obama mit Vorwürfen: Die Sicherheitsvorkehrungen seien fahrlässig schlecht gewesen, man habe Schwäche gezeigt im Kampf gegen den Terrorismus und das amerikanische Publikum getäuscht über die Hintergründe des Attentats. Es gab insgesamt sieben offizielle Untersuchungsausschüsse, die den Benghazi-Vorfall in jahrelanger Arbeit durchleuchteten – und nirgends wurde der Beweis von missbräuchlichem Regierungshandeln erbracht.

Falsche Vorwürfe in der Endlosschleife, haltlos und doch vernichtend – dafür gibts in der US-Politik inzwischen sogar einen eigenen Begriff: «swiftboating».

Das hinderte Fox News aber nicht daran, Benghazi zu einem Schlüsselthema des Wahlkampfs hochzutalken. In den zwanzig Monaten, die auf den Terroranschlag folgten, strahlte Fox knapp 1100 Beiträge zu dem Thema aus, über 20 pro Woche, die unablässig die Anschuldigung in den Raum stellten, Präsident Obama versage in der Terrorbekämpfung und belüge die amerikanische Bevölkerung.

Benghazi sollte nach den Plänen der republikanischen Strategen ein Remake der «Swiftboat»-Attacken werden, die 2004 im Wahlkampf um die Präsidentschaft gegen den demokratischen Kandidaten John Kerry geführt wurden. Kerry hatte in Vietnam gedient und mehrere militärische Auszeichnungen erhalten. Doch plötzlich wurde er als Feigling attackiert, von einer Vietnam-Veteranen-Organisation namens «Swiftboat Veterans for Truth», den Schnellbootveteranen für die Wahrheit. Ihre Vorwürfe sollten sich später als haltlos erweisen. Doch sie beschädigten den Kandidaten Kerry schwerer als alle anderen Angriffe. Und das, obwohl sich sein Gegner George W. Bush dem Kriegseinsatz in Vietnam entzogen hatte. Auch dieses Thema wurde auf Fox News in Endlosschleife bearbeitet. «Swiftboating» nennt man seither Negativkampagnen, die den Gegner vernichtend treffen, obwohl die Vorwürfe haltlos und unbewiesen sind. Der Begriff hat heute seinen festen Platz im politischen Vokabular der USA.

Wird ein politisches Bedürfnis befriedigt – oder erzeugt?

Warum hat sich ein solches Medium als Nummer eins der amerikanischen News-Kabelsender etablieren können? Was macht Fox News so populär? Eine erste Antwort dürfte darin liegen, dass sich der politische Kurs von Fox News stufenweise radikalisiert hat. Der Sender profitierte vom Wandel der politischen Atmosphäre und nahm seine Zuschauer auf die Reise mit nach rechts. Eine zweite Antwort liegt darin, dass Fox News eine Marktlücke besetzen konnte. Es lässt sich die Hypothese vertreten, dass das amerikanische Mediensystem vor dem Aufstieg von Fox News und dem konservativen Talk-Radio einen gewissen «liberal bias» aufwies, also eher linker positioniert war als der Durchschnitt der Konsumentinnen.

Lanciert seinen Einstieg in die US-Politik auf seinem Lieblingssender: Donald Trump im Dezember 2011 in der Sendung «Fox & Friends» mit Moderator Steve Doocy. Astrid Stawiarz/Getty

Der konservative Kommunikationsprofessor Jim Kuypers schreibt in seiner Medienstudie «Press Bias and Politics» aus dem Jahr 2002 lapidar: «Es gibt eine nachweisbare Linkslastigkeit in der amerikanischen Mainstreampresse.» Soweit «Linkslastigkeit» bedeutet, dass die amerikanischen Medien im Durchschnitt tendenziell links von der politischen Weltsicht des Durchschnittsamerikaners positioniert waren, trifft das zu. Es gab dafür eine Reihe von strukturellen Gründen, die wenig mit politischen Strategien zu tun hatten. Erstens sind die konservativen Wähler in den ländlichen Regionen, die grossen nationalen Medien aber in den Metropolen konzentriert. Allein schon der geografische Faktor erklärt eine gewisse Inkongruenz zwischen Angebot und Nachfrage. Zweitens verfügen Journalistinnen oft über eine höhere Bildung und gehören einer soziokulturellen Gruppe an, deren Sympathien tendenziell progressiv sind. Andere Berufsgruppen, zum Beispiel Armeeoffiziere und Polizistinnen, sind tendenziell eher rechts. Drittens vollzog sich in den 90er-Jahren in der US-Medienlandschaft ein erster Konsolidierungs- und Konzentrationsprozess, der zu einer «Einmittung» der Berichterstattung führte. Viele mittelgrosse Städte, die bis anhin über eine konservative und eine progressive Zeitung verfügt hatten, wurden plötzlich nur noch von einem Medientitel bedient, der es möglichst allen recht machen sollte.

Ohne Zweifel bedienten die kompromisslos konservativen Stimmen ein Bedürfnis. Der Punkt ist allerdings, dass ideologisierte Medien nicht nur auf eine Nachfrage reagieren, sondern diese auch verstärken, fördern, produzieren. Fox News und Talk-Radios haben politische Affekte aufgenommen, die bei einem Teil der republikanischen Basis – insbesondere bei den typischen Fox-Konsumenten, also weissen, eher niedrig qualifizierten, in ländlichen Gebieten lebenden Männern über 60 – bereits vorhanden waren. Aber sie haben diese Affekte weiter gezüchtet und mainstreamfähig gemacht.

Fox News ist nicht nur der Schalltrichter vernachlässigter, konservativer Bevölkerungsgruppen. Es ist auch das Einflüsterungsorgan hoch selektiver Elitenzirkel, die den Geist des konservativen Amerikas neu definiert haben. Der Newssender kann sowohl als Symptom einer breiten gesellschaftlichen Dynamik als auch als Meisterstück einer Handvoll skrupelloser Kommunikationsprofis betrachtet werden – allen voran der Fox-News-Gründer Roger Ailes und Medienmogul Rupert Murdoch.

Fox News nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise nach rechts. Und revolutioniert die TV-News fundamental. Fakten? Was zählt, sind Meinungen.

Bruce Bartlett, ein Republikaner und ehemaliger Berater von George Bush, schrieb 2015: Fox News «kann beinahe als automatische Gehirnwäsche bezeichnet werden. Viele Konservative weigern sich heute, Nachrichten oder Meinungen zur Kenntnis zu nehmen, die nicht von Fox für gut befunden worden sind. Was immer der Sender verbreitet, wird als absolute Wahrheit betrachtet.» Diese Feststellung traf Bartlett zwei Jahre bevor ein Präsident ins Weisse Haus einzog, für den Fox News eine der wichtigsten Informationsquellen darstellt und der per Twitter immer wieder Falschmeldungen aussendet, die Minuten vorher von dem Nachrichtenkanal verbreitet wurden.

Die allmähliche Eskalation

Obwohl Roger Ailes von Anfang an auf einen aggressiven Stil setzte, hat die politische Linie von Fox News erst nach und nach zu ihrer vollen Radikalität gefunden. Ein erster Wendepunkt war der 11. September 2001. Fox nahm die amerikanische Flagge in sein Logo auf und attackierte andere Newsstationen als «unpatriotisch». CNN war gezwungen, einen Fox-Bericht zu dementieren, der behauptete, CNN habe seinen Reportern verboten, das Wort «Terrorismus» zu benutzen. Fortan machte Fox eine kriegerische Mit-uns-oder-gegen-uns-Rhetorik zur Grundlage der Berichterstattung. Mit Erfolg: Nach den Anschlägen übertraf der Sender erstmalig die Einschaltquoten von CNN in der Primetime.

Der 11. September 2001 liegt weit zurück. Die Kriegsrhetorik ist geblieben. Seit anderthalb Jahrzehnten beherrscht das Pathos der permanenten Generalmobilmachung die politische Haltung des Senders.

Der zweite Wendepunkt war der Wahlsieg Barack Obamas im Jahr 2008 und die sich bald darauf entwickelnde Tea-Party-Bewegung, die untrennbar verwoben war mit den konservativen Medien. Starpräsentatoren wie Glenn Beck gaben der Tea Party nicht nur eine mediale Stimme – sie waren zugleich deren Anführer. Fox News wurde zum politischen Akteur in einem Machtsystem, das Infotainment und Realpolitik zunehmend verschmelzen liess.

Der journalistische Paradigmenwechsel

Häufig wird der Einfluss von Fox damit relativiert, dass nicht nur konservative, sondern auch linke Kabelstationen wie MSNBC immer weiter von der politischen Mitte abgerückt sind und dadurch Marktanteile gewannen. Die amerikanische Medienlandschaft, so wird argumentiert, sei nur in Teilen nach rechts gerückt, gesamthaft betrachtet habe sie sich in beide Richtungen polarisiert. Dem «O’Reilly Factor» (Bill O’Reilly wurde inzwischen abgesetzt) von Fox News stehe «The Rachel Maddow Show» auf MSNBC gegenüber, in der explizit für die Demokratische Partei und eine linke Agenda Stellung bezogen werde.

In der Tat, genau das ist das eigentliche Problem der Fox-Revolution: Der Sender hat alle Nachrichtenkanäle fundamental verändert. Sie wurden von Newssendern zu Meinungssendern. Sie haben das Newsgeschäft ins zweite Glied verdrängt und einen öffentlichen Diskurs begründet, in dem Fakten wenig, aber Meinungen sehr viel gelten.

Denn hierin lag die Innovation von Fox News: Zur Primetime sendet es keine Nachrichtenjournale, sondern tägliche Shows von Moderatoren wie Sean Hannity oder Bill O’Reilly, die das Publikum nicht mit News, sondern mit scharfen Kommentaren und konfrontativen Interviews ansprechen. Dieses Konzept war so erfolgreich, dass den direkten Konkurrenten von Fox News – also CNN und MSNBC – gar nichts anderes übrig blieb, als nachzuziehen. Auf allen drei Kanälen laufen heute Kommentar- und Talkformate in der Primetime. Der eigentliche Paradigmenwechsel von Fox News ist weniger ein politischer als ein journalistischer: Der Sender hat das Kerngeschäft von TV-News verändert. Fakten sind weitgehend ersetzt worden durch Meinungen. Auch deshalb kann in der amerikanischen Öffentlichkeit heute beinahe alles behauptet und beinahe alles bestritten werden.

In diesem Medienuniversum wird auch das Hauptkampfmittel der Fox-Publizistik effektiv: das Aufnehmen von Verschwörungstheorien. Immer wieder bietet der Newssender absurden Theorien rechtsradikaler Blogger eine Tribüne. Also Behauptungen wie: das FBI wolle Trump ermorden, Obama sei in Kenia geboren, Obama sei ein Muslim und in einer wahhabitischen Koranschule in Indonesien ausgebildet worden, Hillary Clinton habe gegen Bestechungsgelder die amerikanischen Uranreserven an Russland ausverkauft. Es sind ja nur Meinungen. Man kann sie aufnehmen, zur Diskussion stellen, im Namen der «Ausgewogenheit» ernsthaft, breit und täglich in der Primetime debattieren, ohne je die Frage zu beantworten, ob diese Theorien nun stimmen oder nicht. Es wäre zwar einfach, das zu tun. Aber widerlegen lassen sich nur Fakten. Meinungen sind gegen Realitätschecks erstaunlich immun.

Der Machtfaktor

Aber welche konkreten Verwüstungen richtet das Infotainment in den Köpfen der Zuschauerinnen an? Welchen direkten Einfluss hat der Medienkonsum auf das Abstimmungsverhalten? Lassen sich über stark ideologisierte Medienangebote wie Fox News tatsächlich die Machtverhältnisse beeinflussen? Für den Murdoch-Kanal ist diese Frage relativ gut untersucht, und die Antwort ist eindeutig: Fox News beeinflusst die Wähler massiv.

Haben den Geist des konservativen Amerikas neu definiert: Medienmogul Rupert Murdoch ernennt im Januar 1996 Roger Ailes zum CEO von Fox News.Allen Tannenbaum/Getty

Mit solide abgestützten und sehr deutlichen Resultaten konnte eine neue Studie von Gregory Martin und Ari Yurukoglu aufwarten. Martin ist Politologieprofessor an der Emory-Universität, Yurukoglu lehrt Ökonomie in Stanford. Ihre Studie wurde in der «American Economic Review» publiziert, einer der weltweit angesehensten Zeitschriften für Volkswirtschaft.

Die Autoren konnten zeigen, dass der Einfluss von Fox News erstens matchentscheidend ist und zweitens zunimmt. Sie kommen zum Schluss, dass im Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2000 der Stimmenanteil der Demokraten 0,46 Prozent höher gelegen hätte, wenn Fox nie gegründet worden wäre. Das heisst, Al Gore hätte gewonnen, nicht George W. Bush. Im Jahr 2004 hätten die Demokraten 3,59 Prozent mehr Stimmen erhalten, das heisst: John Kerry hätte gewonnen. Im Jahr 2008 hätten sie sich um 6,34 Prozent verbessert, das heisst: Obama hätte mit einem Erdrutschsieg gewonnen. Auch ältere Studien, insbesondere eine Untersuchung von Stefano DellaVigna (Berkeley) and Ethan Kaplan (Maryland), kommen zu ähnlichen Resultaten. Fox beschränkt sich nicht darauf, das Weltbild jener Wählergruppen zu bestätigen, die ohnehin konservativ sind und republikanisch wählen. Es erweitert den Kreis der konservativen Wählerschaft erheblich. Es zieht auch unentschiedene Wähler und Demokraten nach rechts.

Wie gross der Einfluss von Fox News ist? Al Gore und John Kerry wären ohne den Sender Präsidenten geworden.

Besonders beeindruckend an der Untersuchung von Martin und Yurukoglu ist der methodologische Trick, mit dem sie die diffizile Frage beantworten, ob Bürger deshalb Fox News konsumieren, weil sie konservativ sind, oder ob sie konservativ werden, weil sie Fox News konsumieren. Sie machen sich zunutze, dass die Dauer des wöchentlichen Konsums eines Fernsehkanals mitbestimmt wird von der Kanalnummer im TV-Programm. Höhere Kanalnummern, das heisst Sender, bei denen es länger dauert, bis man zu ihnen durchgezappt hat, werden durchschnittlich etwas weniger konsumiert. Die Zuteilung von Kanalnummern in verschiedenen Wahlbezirken ist jedoch zufällig und hat nichts mit den parteipolitischen Präferenzen der Bewohnerinnen zu tun. So lassen sich verschiedene Regionen miteinander vergleichen, deren durchschnittliche Fox-Konsum-Dauer aus technischen und nicht aus politischen Gründen variiert, und es lassen sich die Effekte dieser Abweichungen quantifizieren. Die Unterschiede erweisen sich als deutlich.

Medien sind effiziente politische Kampfmittel. Es stimmt ganz einfach nicht, dass ideologisierte Publikationsplattformen nur ein bereits vorhandenes Bedürfnis abdecken und der unterdrückten Vox populi lediglich Gehör verschaffen. Das Gegenteil ist richtig: Zuschauer werden durch Medienangebote in hohem Mass manipuliert und beeinflusst.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht erstaunen, dass Martin und Yurukoglu noch einen weiteren interessanten Nachweis erbringen. Die politische Positionierung von Fox News folgt nicht einer Reichweiten-Optimierungsstrategie, sondern einer Einfluss-Optimierungsstrategie. Wenn der Fernsehsender etwas moderater aufgestellt wäre, so zeigt ihre Analyse, würde er mehr Zuschauer erreichen und noch mehr Geld verdienen. Die Positionierung von CNN zum Beispiel liegt sehr nahe bei einem solchen Reichweitenoptimum. Für die Strategie von Fox News hingegen scheint die kommerzielle Optimierung sekundär zu sein. Wichtiger ist die Maximierung des politischen Einflusses, denn um optimalen politischen Einfluss zu erzielen, positioniert sich Fox News relativ perfekt. Die Durchsetzung der ideologischen Agenda, so zeigt eine Analyse der Businessstrategie, ist die oberste Mission des Newskanals.

Über einen Kabelfernsehkanal ist der 1985 zum US-Bürger gewordene Rupert Murdoch zu einem der mächtigsten Männer Amerikas geworden. Fernsehinformation ist keine Dienstleistung wie jede andere. In einem regulationsfreien Umfeld kann sich gigantische Macht in ganz wenigen Händen konzentrieren. Das zeigt die US-Medienentwicklung. Die Schweizer Stimmbürgerinnen sollten das wissen.

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